Sven Stoll
20.12.2022

Investmentausblick der Profis So wird das Börsenjahr 2023

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ARTIKEL-INHALT
Seite 1 - Wie wird das Börsenjahr 2023? Seite 2 - Felix Schleicher: „Schwellenländer könnten vor einer Wiederentdeckung stehen.“
Seite 3 - Alex Rauchenstein: „In unseren Augen muss man sich nicht beeilen, bei den Tech-Schwergewichten einzusteigen.“
Seite 4 - Guido Hoheisel und Christian Müller: „Aufholpotenzial sehen wir bei den stark gebeutelten Nebenwerten.“ Seite 5 - Gottfried Urban: „Das Wort des Jahres „Zeitenwende“ passt wahrscheinlich für das ganze Jahrzehnt.“ Seite 6 - Volker Schilling: „Technologieaktien werden im kommenden Jahrzehnt eher unterdurchschnittlich abschneiden.“ Seite 7 - Heiko Böhmer: „Investoren sollten in das neue Jahr mit einem ausreichenden Sicherheitspolster in Form von Cash starten.“

Alex Rauchenstein: „In unseren Augen muss man sich nicht beeilen, bei den Tech-Schwergewichten wieder einzusteigen.“

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Alex Rauchenstein wurde in Aarau in der Schweiz geboren und besitzt einen Executive MBA für internationales Wealth Management der GSIA Carnegie Mellon University sowie einen MBA der Universität Genf. Bis Dezember 2005 war er Leiter der Anlagestrategie bei der Centrum Bank, einer spezialisierten Privatbank in Vaduz in Liechtenstein. In dieser Position war er verantwortlich für die Koordination der strategischen Asset Allokation, der Sektor- sowie Fonds- und Aktienauswahl. Im Januar 2006 begann er seine Tätigkeit bei der SIA Funds AG.

Mit Carlos Jarillo und Marcos Hernandez managt Rauchenstein den Long Term Investment Fund (Sia) Classic, der im Januar seinen 20. Geburtstag feierte und in den vergangenen 20 Jahren eine jährliche Rendite von fast 10 Prozent erwirtschaftete. Für ihren Value-Fonds kaufen die Experten nach reinen Bottom-up-Überlegungen und mit Hilfe unterschiedlichster Filtermethoden systematisch unterbewertete, aber qualitativ gute Unternehmen, die aus speziellen Gründen vom Markt missverstanden werden. Derzeit dominieren im Portfolio Basiskonsumaktien wie Devro, ein Hersteller von Wurstdärmen, sowie Energiewerte wie Cenovus Energy.

DAS INVESTMENT: Das Börsenjahr 2022 war von Unsicherheit und hohen Schwankungen geprägt. Wie sind Sie als Fondsmanager durch diese schwierige Zeit gekommen? 

Alex Rauchenstein: Ja, 2022 war wirklich ein sehr turbulentes Börsenjahr mit einigen prägenden Ereignissen, die ich aber an dieser Stelle nicht wiederholen möchte. Insgesamt betrachtet, sind wir mit dieser schwierigen Zeit ganz gut zurechtgekommen, denn die langersehnte Trendwende hin zu Value- und Rohstoffaktien hat endlich stattgefunden. Diese Trendwende war für uns schon längst überfällig, jedoch denken wir, hat Covid-19 dazu geführt, dass sie hinausgeschoben wurde. Beide von uns verwalteten Fonds sind in diesem Jahr zweistellig im Plus. In unseren Augen befinden wir uns in der ersten Etappe eines neuen mehrjährigen Trends für Value- und Rohstoffaktien, denn die letzte Dekade war geprägt von Investments in andere Themen. Entsprechend wurde einiges fehlallokiert und es wird Jahre dauern dies auszugleichen.

Welche Investments liefen in diesem Jahr besonders gut, wo haben sie daneben gelegen? 

Rauchenstein: Besonders gut liefen unsere Öl-Investments wie Cenovus Energy, Hess Corporation, EOG Resources und Suncor Energy sowie unsere Rüstungsunternehmen Thales SA und Raytheon Technologies Corporation, die wir bereits vor Jahren aufgrund ihrer Markstellung im Bereich eines möglichen Informationskrieges gekauft haben. Ebenfalls hervorragend hat unser Wursthauthersteller Devro Plc und unser Dienstleister ISS A/S abgeschnitten. Dagegen hat uns die Performance des Blutplasma-Produkteherstellers Grifols SA und Medtronic bisher genauso enttäuscht wie Pandora A/S und Heidelberg Materials.

Bei all diesen Unternehmen sind wir jedoch guten Mutes, denn wir wissen seit Jahren, dass es sehr viel Zeit brauchen kann, bis der innere Wert erkannt wird. Ein gutes Beispiel dafür ist der Wursthauthersteller Devro PLC. Diesen Titel haben wir bereits seit 2016 in unserem Portfolio und vor zwei Wochen gab es nun ein Übernahmeangebot von einer privat geführten Unternehmensgruppe aus Deutschland, die Firma mit einer Prämie von plus 65 Prozent von der Börse zu nehmen. Interessanterweise entspricht dieser Wert fast genau dem von uns errechneten Fair Value.

Worüber haben sie sich im Jahr 2022 am meisten geärgert?

Rauchenstein: Der Aktienkurs des größten Öl- und Gasproduzenten in der Nordsee Harbour Energy fiel in diesem Jahr um über 12 Prozent. Natürlich gab es gewisse Gründe dafür, wie eine zusätzliche Gewinnsteuer in England und anderes. Jedoch erscheint uns diese Korrektur als übertrieben, denn das Unternehmen handelt nun auf einem KGV von 3 und mit einer Dividendenrendite von 7,6 Prozent.

Die Quartalsberichte, gerade einiger Tech-Schwergewichte haben enttäuscht und die Aktien in den Renditekeller geschickt. Sind die Bewertungen nun wieder auf einem normalen Niveau angekommen oder sehen Sie hier weiteres Abwärtspotenzial?

Alex Rauchenstein
Alex Rauchenstein © SIA Funds AG

Rauchenstein: In unseren Augen muss man sich noch nicht beeilen bei den Tech-Schwergewichten wieder einzusteigen. – Ja, es stimmt, dass die Bewertungen korrigiert haben, aber man hat noch Zeit. Ich gebe dazu gerne ein Bespiel: Im Jahr 2011 handelte eine Apple-Aktie auf einem KGV von 11. Bereinigte man diesen Wert um den sehr hohen Cash-Bestand in der Bilanz, erhielt man damals das Unternehmen zu einem KGV von 6. Im August 2020 handelte die Apple-Aktie bei einem KGV von 40 und wir entschlossen uns diese nach einer Verzehnfachung zu verkaufen, denn eine sehr stolze Bewertung lässt sich nur mit sehr hohen Wachstumsraten rechtfertigen, was ab einer gewissen Größe immer schwieriger wird. Logischerweise raten wir als Value-Investoren noch zu warten.

Worauf müssen Anleger im kommenden Jahr achten? Wie ist ihr Ausblick?

Rauchenstein: Das aktuelle Zinsniveau, mit Ausnahme der hochverzinslichen Anleihen, ist für Anleger weithin zu unattraktiv, um sich damit zu beschäftigen. Die Knappheit von vielen täglich gebrauchten Rohstoffen wird weiter anhalten, denn die fehlenden Ersatzinvestitionen benötigen Jahre, bis sie Früchte tragen. Will ein Investor seine Kaufkraft real erhalten, muss er sich also zwangsläufig mit dem Thema Aktien beschäftigen. Wie oben beschrieben, fokussieren sich wieder mehr Marktteilnehmer auf Bewertungen. Für uns gehören deshalb Value- und Rohstoffaktien klar in ein Portfolio.

 

 

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