Solarexperte Martin Baart
Warum in Schwellenländern oft ein Solarparadoxon herrscht – und welche Chancen sich dadurch bieten

Martin Baart ist Gründer und Co-CEO von Ecoligo. Foto: Ecoligo / Canva
Die Nachfrage nach Energie steigt auch in Schwellenländern – das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ebenfalls. Wenn auch sehr unterschiedlich. Solaranlagen könnten eine gute Möglichkeit sein, beides zu vereinen, ist Martin Baart überzeugt. Welche (Investment-)Chancen sich dadurch in den Schwellenländern bieten, erklärt er in seinem Beitrag.
Und wieder ein Jahr: Die nächste UN-Klimakonferenz, dieses Mal in Dubai, startet gerade Ende November. Die Energiewende und der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen zum Schutz unseres Klimas und damit unserer Lebensgrundlagen wird sicherlich ein sehr beherrschendes Thema werden. Schwellenländer spielen hier eine zunehmende Rolle – sowohl als Leidtragende der derzeitigen Situation angesichts von Dürren und Überschwemmungen, aber ebenso als Lösungsbringer. Nicht zu vergessen aber auch als Energieabnehmer aufgrund des Wachstums in diesen Regionen. Die Nachfrage steigt. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch – wenn auch sehr unterschiedlich.
Situation der Solarnutzung in den Schwellenländern zu selten im Blick
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Und wieder ein Jahr: Die nächste UN-Klimakonferenz, dieses Mal in Dubai, startet gerade Ende November. Die Energiewende und der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen zum Schutz unseres Klimas und damit unserer Lebensgrundlagen wird sicherlich ein sehr beherrschendes Thema werden. Schwellenländer spielen hier eine zunehmende Rolle – sowohl als Leidtragende der derzeitigen Situation angesichts von Dürren und Überschwemmungen, aber ebenso als Lösungsbringer. Nicht zu vergessen aber auch als Energieabnehmer aufgrund des Wachstums in diesen Regionen. Die Nachfrage steigt. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch – wenn auch sehr unterschiedlich.
Situation der Solarnutzung in den Schwellenländern zu selten im Blick
Die Solarindustrie wird zu Recht als einer der wichtigsten Bausteine für die dringend notwendige Energiewende bezeichnet. Weltweit gibt es derzeit deshalb erneut einen massiven Solarboom. In Deutschland beklagen wir einerseits noch die Versäumnisse der Vergangenheit: Es besteht großer Nachholbedarf in der heimischen oder zumindest europäischen Produktion von Photovoltaikanlagen als auch bei der Ausbildung und Anzahl geeigneter Handwerker, die diese Solaranlagen anbringen und warten.
Andererseits: Es passiert aktuell sehr viel. Der angesichts der Weltenlage teils nicht ganz freiwillige Sinneswandel ist da. Politik, Unternehmen und Privatpersonen denken um, um Energiekosten zu reduzieren. Und auch, um die Abhängigkeit Europas von der chinesischen Solarindustrie und natürlich von der Öl- und Gaslieferung diverser Nationen zu verringern. Die Wissenschaft forscht an neuen Solarzellen, die ressourcenschonender und billiger herzustellen und dabei effizienter sind, um die Solartechnologie in noch mehr Anwendungsfällen attraktiver zu machen. Investoren suchen ESG-konforme Investmentmöglichkeiten. Es geht voran.
Was aber schon erstaunlich ist: Nur wenig rückt die Situation der Solarnutzung in den Schwellenländern in den europäischen Blick. Irgendwie klingt das nach einem Paradoxon. Gerade die Schwellenländer Afrikas, Südamerikas und Asiens, die teils perfekte Wetterbedingungen für eine florierende Solarindustrie hätten, kämpfen sehr mit der Energiewende. Einerseits sind sich Expertinnen und Experten weltweit schon seit vielen Jahren einig darüber, dass in der Solarenergie insbesondere Afrikas Zukunft liegt. Andererseits ist gerade dort die Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas weiterhin besonders hoch.
Gleichzeitig ist der Energiebedarf in den Schwellenländern enorm hoch. Aufgrund des Wachstums in den meisten dieser Länder steigt die Nachfrage und damit leider auch die Kosten für jegliche Art von Energie. Neben Großkonzernen sind in vielen Ländern kleinere und mittlere Firmen der Jobmotor: Unternehmen, die oft nur regional oder national aktiv sind und Geschäftsmodelle oder Produkte für ihre Region anbieten.
In den nächsten drei Jahren werden nach Angaben der International Energy Agency mehr als 70 Prozent des zusätzlichen Bedarfs an Strom aus China, Indien und Südostasien kommen. Strom aus fossilen Energiequellen ist aber sehr teuer und für kleinere und mittelständische Betriebe ein immenser Kostenpunkt. In einigen Fällen sind die Kosten sogar fünfmal so hoch wie in Europa.
Bau von Solaranlagen scheitert am Kapital
Die Solarindustrie stellt eine wichtige Lösung in diesem Dilemma dar. Solaranlagen bieten aufgrund der klimatischen Verhältnisse und im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien wie Biogas oder Windkraft eine effiziente und günstigere Möglichkeit der Stromerzeugung. Und das lokal direkt vor Ort – dezentral und flexibel einsetzbar.
Die Finanzierung von Solaranlagen für gewerbliche und industrielle Endkunden ist jedoch oft ein Problem. Unternehmen in Schwellenländern möchten oder können ihr Kapital nicht außerhalb ihres Kerngeschäfts investieren oder beim Bau, der Instandhaltung oder Versicherung der Solaranlagen involviert sein. Für die Investitionssumme zwischen 0,5 und 5 Million US-Dollar für eine Solaranlage gewähren lokale Banken zwar teilweise Darlehen, aber bei diesen sind nicht nur die Zinsen sehr hoch, sondern es wird auch eine Tilgung in maximal fünf Jahren verlangt. Damit ist die Finanzierung einer Solaranlage oft nicht umsetzbar, da die Zins- und Tilgungslast nicht aus den Einsparungen der Stromkosten bedient werden kann.
Privates Kapital ist hier aktuell eine Möglichkeit, um einzelne Anlagen zu realisieren. Natürlich löst das noch nicht das gesamte Problem, aber vielleicht ist der Weg der kleinen, aber leichter umzusetzenden und praktikablen Schritte der richtige, um Unternehmen in den Schwellenländern eine günstige Energieversorgung zu ermöglichen und damit auch unabhängiger von den großen Energiekonzernen zu machen.
ESG-Investmentfonds mit Fokus auf Schwellenländer gibt es inzwischen einige. Aktuell sind allerdings derzeit eher Abflüsse aus ESG-Fonds generell zu verzeichnen. Viele Anlegerinnen und Anleger sind vermutlich durch die Greenwashing-Skandale oder auch aus einer generellen Skepsis heraus, welche Industrien wirklich nachhaltig wirtschaften und welche Energiequellen als nachhaltig eingestuft werden, etwas kritischer geworden.
Einzelprojektförderung als Teil der Lösung
Ein alternatives Finanzierungsinstrument, um Solarprojekte in den Schwellenländern zu realisieren, ist deshalb eine Direktinvestition mittels Crowdinvesting. Im Vergleich zu ETFs oder aktiven Fonds können Anleger direkt sehen, wofür sie ihr Kapital einsetzen. Es handelt sich um konkrete Projekte, wie beispielsweise Solaranlagen oder andere Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und um CO2-Emissionen zu reduzieren. Es gibt bereits eine Vielzahl von fertiggestellten Solaranlage-Projekten weltweit – unter anderem in Vietnam, Kenia, Costa Rica, Chile, Nigeria und den Philippinen die alle über Direktinvestitionen finanziert wurden.
Ein konkretes Beispiel: Abyssinia Group ist einer der größten Stahlproduzenten Ostafrikas zur Fertigung von Produkten für die Automobil-, Bau- und Transportbranche. Das Unternehmen produziert jährlich mehr als 350.000 Tonnen Stahl und unterstützt aktiv die Kenia Vision 2030, wonach für alle Kenianer und Kenianerinnen eine hohe Lebensqualität in einer sauberen und sicheren Umwelt zu schaffen. Über die Crowdinvesting-Kampagne wird eine Solaranlage mit 6 Megawatt Peak finanziert, die damit 132.967 Tonnen CO2-Emissionen über ihre Lebensdauer einspart.
Wenn Crowdinvesting-Plattformen und Projekte entsprechend aufgesetzt sind, eröffnet diese Investitionsform anders als bei konventionellen Anlageformen Anlegern die Möglichkeit, über ihr Kapital direkt ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Die Idee ist, dass viele Anleger und Anlegerinnen mit kleineren Geldbeträgen in ein konkretes, für sie fassbares und selbst auszusuchendes Projekt investieren, von dem sie überzeugt sind.
Typischerweise beteiligen sich viele Anleger an der Finanzierung eines Projektes mit Einzelinvestments bis zu 25.000 Euro. Im Gegenzug erhalten sie bei Energieprojekten für den gewährten Kredit typischerweise eine Verzinsung. Nicht zu verwechseln ist das Ganze mit dem Crowdfunding. Hier unterstützen zwar auch eine Vielzahl von Menschen ein Projekt finanziell. Dabei handelt es sich aber eher um Spenden, wofür die Unterstützer vom Projektinitiator eine nicht-finanzielle Gegenleistung erhalten.
Idealismus trifft Realität
Es handelt sich bei Crowdinvesting meist um Nachrangdarlehen. Die Anleger erhalten also die Verzinsung und Rückzahlung des investierten Betrages zu festgelegten Zeitpunkten, wenn alle anderen, vorrangigen Darlehensgeber, wie zum Beispiel Banken, bedient wurden. Dessen sollten sich Investoren also bewusst sein.
Crowdinvesting war zudem lange Zeit nicht reguliert. Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz 2015 änderte sich das. Seitdem wächst der Sektor deutlich. So hat sich der Markt mit einem investierten Volumen in Deutschland von 68,1 Millionen Euro auf 327,8 Millionen Euro 2020 fast verfünffacht, so der Crowdinvest-Marktreport Deutschland 2020. Auch wenn für viele Anleger und Anlegerinnen bei solchen Projekten die Begeisterung für die Idee im Vordergrund steht: Sie müssen – wenn ein Solarprojekt völlig scheitern sollte – mit einem Totalverlust rechnen. Die Quote ist von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich – hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Viele Crowdinvesting-Plattformen bieten eine große Auswahl an Projekten mit hohen Volumina, deren Finanzierungsphase möglichst schnell abgeschlossen werden soll. Der Grund: Das Geschäftsmodell basiert üblicherweise auf Provisionen, die die Plattform erhält, sobald Anleger investieren. Wenn keine neuen Projekte nachkommen, hat die Plattform keine Einnahmen – ein volatiles Geschäftsmodell.
In der Konsequenz kann es Projekte geben, die nicht immer alle Due Diligence Kriterien erfüllen. Aber: Crowdinvestments können eine Win-Win-Story sein – für Unternehmen in Schwellenländern, Anleger und Plattformen gleichermaßen. Wichtig ist, dass sich der Markt weiter professionalisiert und transparenter wird.
Neben den großen Paketen, die auf der anstehenden COP 28 wahrscheinlich geschnürt werden, ist es meiner Meinung nach wichtig, den Blick vermehrt auch auf die kleinen Einheiten, die flexibel und schnell agieren können, zu richten. Hier könnte es die schnellsten Ergebnisse zur Energiewende geben – „nur“ das Kapital fehlt noch. Aber vielleicht ändern kleine und große ESG-Investoren, soweit natürlich regulatorisch überhaupt möglich, hier auch ihre Anlageziele und -strategie und schaffen so automatisch damit auch mehr Transparenz in der Geldanlage – mit kleinen konkreten erfolgreichen Projekten und Investitionen für Anleger und Unternehmen, die Großes bewirken können – für den weltweiten Klimaschutz.
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