Solvecon-Chefanalyst Folker Hellmeyer
Appell an die Eliten Kontinentaleuropas!

Solvecon-Chefanalyst Folker Hellmeyer
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir Ihnen hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen Ihnen die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Es gilt, die Fehler der Vergangenheit zu erkennen und daraus Handlungsansätze zu definieren und umzusetzen. Auch ist es elementar, einen Plan für Kontinentaleuropa zu entwerfen, der Antworten und Perspektiven für eine sinnvolle Zukunft eröffnet. Ein Katalysator für diese Erkenntnisse liegt in der veränderten US-Politik, die mit dem Begriff eines „gutmütigen Hegemon“ nichts gemein hat.
Ganz im Gegenteil hat die US-Administration öffentlich Europa als „Feind“ klassifiziert, den es zu schwächen gilt. Manch ein transatlantisch verankerter Europäer mag widersprechen und den Begriff „Freundschaft“ bemühen und sentimental den Vorgängern Trumps nachtrauern. Das wäre unsachlich, denn auch diese Präsidenten agierten nach dem Motto „America first“, aber mit einem beschwichtigenden Marketing.
In der Doktrin der US-Außenpolitik gibt es den Begriff „Freund“ nicht, sondern solitär den Begriff „Partner“. Ein Ex-US-Botschafter definierte es mir gegenüber dezidiert. Er betonte, dass die USA nur Partner für ihre Zwecke haben und wir in Europa endlich erwachsen werden sollten. Letzterem stimme ich zu. Die anhaltende politische Pubertät, in der sich die EU seit dem Beitritt des United Kingdom (UK) windet, ist bezüglich der sich dynamisch entwickelnden Welt irritierend.
Ein hochrangiger Vertreter der Zentralbank Chinas sagte mir vor Jahren auf einem Treffen, dass China Europa als Absatzmarkt höher schätze als den US-Markt und dass man an europäischen Unternehmen sehr interessiert sei. Aber Europa fände außenpolitisch nicht statt. Mit wem solle Peking reden? Mit Brüssel, Berlin, Paris, London, Athen, Wien oder Warschau? Er wies damit auf den disharmonischen Chor Europas hin. Diese Disharmonie ist Ausdruck außenpolitischer Impotenz und nicht länger tolerierbar.
Die Welt stellt sich derzeit dynamisch neu auf. Die finanzökonomischen Machtachsen verschieben sich sportlich zu Lasten des „Westens“. Die politische Balance muss sich als Konsequenz zu Lasten des „Westens“ verändern. In dieser Situation als Kontinentaleuropa bestenfalls unterproportional außenpolitisch agieren zu können, unter Umständen solitär als US-Fahnenhalter wahrgenommen zu werden, kommt einem massiven politischen Bedeutungsverlust gleich, dem perspektivisch auch ein ökonomischer Bedeutungsverlust folgt.
Warum ist das so bedenklich? Kontinentaleuropa ist das ökonomische Powerhouse der Welt. Mit zirka 4,6 Prozent der Weltbevölkerung stellt die Eurozone rund 60 Prozent des innovativen Kapitalstocks (Hidden Champions) dieser Welt. Dieser Kapitalstock ist das Lebens- und Zukunftselexier für unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Dieser Kapitalstock ist entscheidend für die politische Stabilität in Kontinentaleuropa.
Gerade der Angriff der USA auf Europa verdeutlicht, dass Kontinentaleuropa eine außenpolitische Verteidigungsfähigkeit haben muss, denn dieser noch so starke Kapitalstock verlangt nach angemessener Verteidigung bei unangemessenen Angriffen. Außenpolitische Gleichschaltung nach Interessenlage der USA stellt keine veritable Option dar.
Ergo muss sich Europa neu definieren. So wie es bei den Unternehmen um „Business of Scale“ geht, verlangt die europäische Struktur „Politics of Scale“, um dem Standort Attraktivität zu sichern. Anders ausgedrückt sind die Stimmen, die derzeit nationalistisch und populistisch laut dröhnen, Verfechter einer Politik von gestern, die überhaupt nicht zu den veränderten strukturellen Rahmenbedingungen der Unternehmen in der globalen Wirtschaft passen.
Wer glaubt, als kleine nationalstaatliche Einheit attraktiv für global aufgestellte Unternehmen zu sein und deren Interessen Sinn stiftend vertreten zu können, um Jobs und Zukunftsfähigkeit für den eigenen politischen Raum zu kreieren, irrt sich gewaltig. Das Brexit-Drama belegt diesen Zusammenhang eindringlich.
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