Solvecon-Chefanalyst Folker Hellmeyer
Irrlichternde US-Geopolitik belastet die Weltkonjunktur
Fürchtet einen weltwirtschaftlichen Schaden wegen der aktuellen US-Geopolitik: Solvecon-Chefstratege Folker Hellmeyer Foto: R. Mundzeck
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält an seiner Wachstumsprognose für die Weltkonjunktur für das Jahr 2018 bei 3,9 Prozent fest. Gleichzeitig verweist der IWF auf die markanten Risiken für die Weltkonjunkturlage, die sich in der Handelspolitik im Rahmen der von den USA ausgelösten Zollkonflikte ergeben. Diese Blickweise des IWF greift zu kurz, da die Handelspolitik der USA Mittel ihrer Geopolitik ist.
rgo stellt die US-Geopolitik das Primärrisiko im Rahmen diverser hybrider Auseinandersetzungen für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft dar.
Der schwerwiegendste Angriff der USA ist nicht in der Zollpolitik zu sehen, sondern in der Attacke auf das globale Organigramm, das die Basis für die Globalisierung und die arbeitsteilige Weltwirtschaft darstellt. Dabei zielen die USA allen voran auf die Welthandelsorganisation. Sollten diese Angriffe von Erfolg gekrönt sein, ergäbe sich für die Weltwirtschaft ein erhebliches Rückschlagpotential, da Vertrauen in das multilaterale Organigramm elementare Grundlage für den globalen Investitions- und den Produktionszyklus darstellt.
Die Ursachen der aktuellen US-Haltung sind in zwei Feldern angesiedelt.
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rgo stellt die US-Geopolitik das Primärrisiko im Rahmen diverser hybrider Auseinandersetzungen für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft dar.
Der schwerwiegendste Angriff der USA ist nicht in der Zollpolitik zu sehen, sondern in der Attacke auf das globale Organigramm, das die Basis für die Globalisierung und die arbeitsteilige Weltwirtschaft darstellt. Dabei zielen die USA allen voran auf die Welthandelsorganisation. Sollten diese Angriffe von Erfolg gekrönt sein, ergäbe sich für die Weltwirtschaft ein erhebliches Rückschlagpotential, da Vertrauen in das multilaterale Organigramm elementare Grundlage für den globalen Investitions- und den Produktionszyklus darstellt.
Die Ursachen der aktuellen US-Haltung sind in zwei Feldern angesiedelt.
- Mit Beginn der intensiven Globalisierung nach dem Fall des Kommunismus (1990) haben US-Unternehmen Produktionsstätten aus Gewinnoptimierungsgesichtspunkten in aggressiver Form aus den USA in die sich entwickelnden Länder aus eigenem Antrieb mit Unterstützung der Regierung im Rahmen der Proklamation der Dienstleistungsgesellschaft verlagert. So wurde Deutschland in dieser Phase wegen des Festhaltens an der Struktur der Produktion aus den USA und dem UK milde belächelt und als „Old Europe“ abgekanzelt. Diese politisch gewollte US-Strukturveränderung und die darin innewohnende makroökonomische Fehlsteuerung sollen durch die Aggression gegen Konkurrenten und das Organigramm mindestens nivelliert, möglicherweise neutralisiert und im besten Fall umgekehrt werden.
- Die finanzökonomische Machtachsenverschiebung zu Gunsten der aufstrebenden Länder unter Führung Chinas, die heute einen Anteil an der Weltwirtschaft von circa 67 Prozent nach circa 20 Prozent im Jahr 1990 halten, stellt machtpolitische Fragen bezüglich des Status der USA. Das obwaltende neokonservativ geprägte US-Establishment besteht weiter auf dem US-Führungsanspruch. Damit verbindet sich der Politikansatz, die zwei wesentlichsten Länder China und Russland international zu isolieren und zu destabilisieren. Die aktuelle Form der Handelspolitik ist dabei ein elementares Instrument neben der hybriden Auseinandersetzung über den Regime-Change Ansatz und dem Versuch, das mittlerweile globale Infrastrukturprojekt „One Belt – One Road“ mit der Seidenstraße zu stören oder herauszufordern.
Aktuell stellt man sich am Finanzmarkt und in der Wirtschaft die Frage, wie weit die Eskalation seitens der USA getrieben werden kann. Aus dieser Fragestellung generiert sich die an den Märkten messbare Risikoaversion und die in der Realwirtschaft in zarten Ansätzen erkennbare Zurückhaltung im Investitionssektor.
Zu bedenken ist dabei, dass die innenpolitische Stabilität eines Landes grundsätzlich mit der wirtschaftlichen Stabilität und Erhaltung der Prosperität korreliert ist. Durch die Globalisierung und die daraus intensiv gestaltete arbeitsteilige Weltwirtschaft gibt es keine autarken Nationalökonomien. Die auf Kurzfristigkeit getrimmten Lieferketten verschärfen noch einmal die Abhängigkeiten im internationalen Geflecht der Weltökonomie. Die global tätigen Unternehmen kennen vor diesem Hintergrund keine nationalen Verpflichtungen, sondern agieren im Interesse ihrer global aufgestellten Eigentümer. War BASF 1990 noch ein deutsches Unternehmen mit einigen internationalen Produktionsstätten, ist BASF heute ein global aufgestelltes Unternehmen mit Sitz in Deutschland. Gerade die Debatte, dass Unternehmen im Rahmen des Brexits Produktionsstätten verlagern, verdeutlicht, dass Loyalitäten aus der Mikroökonomie für national organisierte Makroökonomien grundsätzlich unausgeprägt sind.
Diesbezüglich wirft die aktuelle Zoll- und Handelspolitik in den USA Fragen ob ihrer Zielorientierung und Durchhaltbarkeit auf. Werden die Bedingungen für die US-Unternehmen in Tiefe und Breite durch die in das Auge gefassten oder schon umgesetzten Zölle verbessert oder eingeschränkt? Die Einlassungen der Arbeitgeberverbände, auch der US-Automobilindustrie, fallen in ihrer Ablehnung dieses Politikansatzes bei überschaubaren Ausnahmen (Stahlbranche) eindeutig aus. Auch die hoch verschuldeten US-Verbraucher würden durch die verteuerten Importe in ihrem diskretionären Einkommen zusätzlich neben den zu erwartenden Zinserhöhungen belastet. Die mangelnde Vertragstreue der USA in Verbindung mit der Infragestellung des globalen Organigramms macht den Investitionsstandort USA nicht notwendig attraktiver (Beispiel KIK). Diese Hintergründe implizieren unter rationalen Gesichtspunkten, dass dieser Politikansatz auf Dauer nicht durchhaltbar ist, wenn man die eigene ökonomische und politische Stabilität und geopolitisch noch potente Rolle nicht riskieren wollte.
Die internationale Reaktion auf die US-Handelspolitik fällt eindeutig aus. Der Rest der Welt rückt näher zusammen, denn dieser Rest der Welt stellt gut 85 Prozent des Welt-BIP. Auch für die exportstarke EU stellt sich die Frage, wie man sich aufstellen will, zu Gunsten der 15 Prozent oder zu Gunsten der 85 Prozent. Die aufstrebenden Länder (67 Prozent des Welt-BIP) reüssieren laut IWF mit knapp 5 Prozent Wachstum. Vereinfacht gesagt, liegt die Zukunft im Osten, in der Landbrücke, in der Seidenstraße!
Dass gerade jetzt das Freihandelsabkommen der EU mit Japan unterzeichnet wurde, war dem nicht geschuldet. Das aktuelle Bemühen in der Achse Peking - Brüssel – Berlin war jedoch nicht Ausdruck von Zufälligkeit. Eine im Hintergrund erkennbare Annäherung zu Russland ist nicht eine Frage des „ob“, sondern des „wann“.
Fakt ist, dass die aktuelle Form der US-Geo- und Handelspolitik dazu führt, dass sich neue Ententen bilden, denn die USA sind kein Garant für Zuverlässigkeit, ganz im Gegenteil.
Die Wahrscheinlichkeit, dass diese US-Politik Katalysator einer Isolierung der USA sein wird, liegt bei mehr als 50 Prozent. Die Erkenntnis, dass weder makroökonomisch noch geopolitisch ein hoher Fruchtstand für die USA erzielbar ist, sollte im Laufe des zweiten Halbjahres mindestens zu einer leichten Entspannung der aktuellen Konfliktsituation führen und tendenziell die irrlichternde US-Geo- und Handelspolitik in der jetzigen Ausprägung nivellieren.
Rationalität zu unterstellen, ist vor dem Hintergrund der jüngeren Erfahrungen mit der US-Regierung ein Stück weit ambitioniert. Entsprechend lehrt die Demut, dass Restrisiken bleiben. Sie liegen bei 25 Prozent für das positive Grundszenario.
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