Solvecon-Chefanalyst Folker Hellmeyer
Unruhe an den Finanzmärkten
Folker Hellmeyer, Chefanalyst bei Solvecon Invest Foto: Solvecon
Das Jahr 2018 ist gekennzeichnet von einer Vielzahl von Herausforderungen und Konflikten. Im Oktober führte die Konfluenz zu einer markanten Anpassung der Bewertungen an den Aktienmärkten. Die sich aufdrängende Frage nach der Trendfähigkeit der aktuellen Abwärtsbewegung an den Aktienmärkten gilt es, zu beantworten. Eine Bestandsaufnahme.
Die geo- und handelspolitischen Auseinandersetzungen zwischen den USA einerseits und Russland und Syrien andererseits spielten eine untergeordnete Rolle. Diese Konflikte waren und sind seit geraumer Zeit voll diskontiert.
Der sich zuspitzende Handelskrieg zwischen den USA und China hatte und hat eine beachtliche Erhöhung der Risikoaversion an den Märkten zur Folge. Um sich dem Problem anzunähern, bedarf es einer Bewertung. Wir unterstellen, dass die Trump Administration auf alle Importe aus China die Zölle um 10 Prozent anhebt. Die chinesischen Importe im Wert von circa 140 Milliarden US-Dollar aus den USA werden ebenfalls mit einer Belastung von 10 Prozent berücksichtigt. Damit ergäbe...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die geo- und handelspolitischen Auseinandersetzungen zwischen den USA einerseits und Russland und Syrien andererseits spielten eine untergeordnete Rolle. Diese Konflikte waren und sind seit geraumer Zeit voll diskontiert.
Der sich zuspitzende Handelskrieg zwischen den USA und China hatte und hat eine beachtliche Erhöhung der Risikoaversion an den Märkten zur Folge. Um sich dem Problem anzunähern, bedarf es einer Bewertung. Wir unterstellen, dass die Trump Administration auf alle Importe aus China die Zölle um 10 Prozent anhebt. Die chinesischen Importe im Wert von circa 140 Milliarden US-Dollar aus den USA werden ebenfalls mit einer Belastung von 10 Prozent berücksichtigt. Damit ergäbe sich ein Zollaufkommen von 64 Milliarden US-Dollar, das primär die US-Unternehmen und die US-Verbraucher (50 Milliarden US-Dollar), aber auch die Wirtschaftssubjekte Chinas belastete (14 Milliarden US-Dollar).
Dieses Volumen von 64 Milliarden US-Dollar pro Jahr ist mit Nebeneffekten bezüglich der Weltwirtschaft mit einer Belastung von circa 0,1 Prozent zu bewerten. Um eine sinnvolle Korrelation in aktuellen Daten herzustellen, werfen wir einen Blick auf die öffentliche Neuverschuldung der USA per Berichtsmonat August, die sich auf 214 Milliarden US-Dollar stellte. Das ist eine entscheidendere Größe für die Weltwirtschaft, die aber auch Fragen bezüglich der Qualität des US-Aufschwungs stellt.
Der Handelskrieg zwischen USA und China ist eine überschaubare Größe, die das positive Gesamtbild der Weltwirtschaft und der daraus diskontierbaren Cash-Flows nicht gefährdet. Wenn etwas gefährdet wird durch die daraus resultierenden Folgen (auch US-Dollar-Aufwertung), dann sind es die Terms of Trade der USA, also die Attraktivität des Investitionsstandorts USA. So wird BMW jetzt ein neues Werk in China (iX3) und nicht in den USA bauen, um den chinesischen Zöllen gegenüber den USA auszuweichen. US-Unternehmensverbände nehmen eine kritische Haltung gegenüber der Politik Trumps ein. Ein Verbund von mehr als 60 US-Branchenverbänden wehrt sich gegen die Handelspolitik von Trump.
Die verhängten Zölle seien Steuern für amerikanische Verbraucher und Unternehmen und kosteten diese monatlich bisher 1,4 Milliarden US-Dollar. Die Gruppe wirft der Regierung vor, die Kosten, die durch die Zölle für Amerikaner entstehen, herunterzuspielen. Mit öffentlichen Diskussionsveranstaltungen und einer Anzeigenkampagne will sie Wähler dazu bewegen, Druck auf ihre Wahlkreiskandidaten auszuüben. Die Gruppe nennt sich „Zölle schaden dem Kernland“. Ihr angeschlossen haben sich Verbände, die einige der größten Konzerne des Landes vertreten wie die Ölriesen Exxon Mobil und Chevron sowie den Einzelhändler Target. Auch für Trump gilt, dass man keine Politik gegen den Kapitalstock des eigenen Landes machen kann, wenn man für das Land positive Entwicklungen forcieren will. Die normative Kraft des Faktischen lächelt Trump hintersinnig an.
Der Handelskonflikt der USA mit der EU ist derzeit auf Eis gelegt. Hinter den Kulissen ist man fleißig. Wir hoffen inständig, dass die EU nicht den Fehler macht, sich wie Mexiko und Kanada in einem Freihandelsabkommen außenpolitisch manipulieren zu lassen. Der starke Kapitalstock, also unsere Unternehmen, unsere „Hidden Champions“ müssen weiter die globale Wirtschaft nach unseren eigenen Interessen und nicht denen der USA bewirtschaften dürfen, denn die entscheidenden Wachstumsregionen liegen im Osten. Die aufstrebenden Länder stehen heute für 68% der Weltwirtschaft und für 88% der Weltbevölkerung. Sie haben nicht die westlichen Schuldenprobleme. Der Anteil der USA an der Weltwirtschaft ist seit 1980 von circa 30 Prozent auf 15 Prozent gesunken. Kontinentaleuropa sollte seinen Fokus auf die belastbaren Märkte von heute und wesentlicher von morgen legen.
In Europa belastet das Thema Italien. Die EZB wird Italien ohne ein Rettungsprogramm der EU nicht zur Seite springen, sollte das Land oder seine Banken in finanzielle Turbulenzen geraten, verlautet es aus Kreisen der EZB. Italien solle nicht auf die Notenbank zählen, wenn es darum gehe, Investoren zu beruhigen oder den Geldhäusern unter die Arme zu greifen, heißt es von Verantwortlichen laut Reuters. Die EU-Regeln verbieten es der EZB, einem Land zur Hilfe zu kommen, es sei denn, es hat einem Rettungsprogramm der EU-Partner zugestimmt. Dann könnten beispielsweise italienische Staatsanleihen erworben werden, um Renditeanstiege zu nivellieren. Das sieht das 2012 beschlossenes geldpolitisches Notfallwerkzeug OMT vor. Aus Sicht der Insider kann eine Schuldenkrise nach wie vor abgewendet werden, wenn die italienische Regierung zu einem Kurswechsel bereit sei.
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