Volkswirt Klaus Bauknecht
Der Sozialstaat bremst die Wirtschaft
Klaus Bauknecht arbeitet als Volkswirt bei der IKB Deutsche Industriebank. Foto: IKB Deutsche Industriebank
In Krisen hilft staatliche Unterstützung. Fließen Gelder jedoch zu lange, bleiben Fortschritte auf der Strecke. Hier sagt IKB-Chefvolkswirt Klaus Bauknecht, warum die öffentliche Hand der Wirtschaft mit zu viel Katastrophenmanagement schadet.
Seit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg wünschen sich viele Experten einen höheren Grad an Resilienz. Ziel ist es, Schocks und Krisen für Märkte, Lieferketten und die Gesellschaft insgesamt zu dämpfen und so die Wertschöpfung der Wirtschaft stabil zu halten. Resilienz bedeutet, auf gravierende Risiken ausreichend reagieren zu können. Der Staat kann die Resilienz von Gesellschaft und Wirtschaft durch Hilfsmaßnahmen stärken. Solch eine Politik ist vor allem in Krisenzeiten notwendig, wenn Wirtschaft und Gesellschaft ohne Eingreifen des Staates nachhaltige Disruptionen erleiden könnten.
Das Eingreifen des Staates wird wiederum durch ausreichend expansive Geldpolitik gestärkt. Geldpolitik...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Seit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg wünschen sich viele Experten einen höheren Grad an Resilienz. Ziel ist es, Schocks und Krisen für Märkte, Lieferketten und die Gesellschaft insgesamt zu dämpfen und so die Wertschöpfung der Wirtschaft stabil zu halten. Resilienz bedeutet, auf gravierende Risiken ausreichend reagieren zu können. Der Staat kann die Resilienz von Gesellschaft und Wirtschaft durch Hilfsmaßnahmen stärken. Solch eine Politik ist vor allem in Krisenzeiten notwendig, wenn Wirtschaft und Gesellschaft ohne Eingreifen des Staates nachhaltige Disruptionen erleiden könnten.
Das Eingreifen des Staates wird wiederum durch ausreichend expansive Geldpolitik gestärkt. Geldpolitik in Kombination mit Fiskalpolitik kann kurzfristig die Resilienz von Gesellschaft und Wirtschaft in Krisen stärken. Dies gelang bei den letzten Verwerfungen ganz gut – Deutschland und Europa haben Finanz-, Euro- und Corona-Krise relativ gut überstanden, weil jeweils eine schnelle wirtschaftliche Erholung folgte. Gerade während der Pandemie hat die Fiskalpolitik Effektivität bewiesen – vor allem deshalb, weil der deutsche Staat nicht nur die Nachfrageseite der Wirtschaft stützte, sondern auch die Angebotsseite – und so eine schnelle konjunkturelle Erholung ermöglichte. Die Kurzarbeiterregelung beispielsweise verhinderte nachhaltige Schäden auf der Angebotsseite und stärkte kurzfristig die Resilienz der Wirtschaft.
Übertreibungen in der Krisenpolitik können jedoch auch neue Risiken mit sich bringen. Das zeigt sich aktuell bei der Inflationsentwicklung. Sie resultiert nicht zuletzt aus vorherigen Krisen und sorgt für erneuten Handlungsbedarf bei Staaten und Notenbanken, die wiederum ein ganzes Arsenal von Entlastungen und Transferzahlungen angestoßen haben. Da sie jedoch beim Status quo ansetzen und keine neuen Realitäten im Fokus haben, dämpfen sie notwendige Anpassungen, was im aktuellen Umfeld für eine höhere Inflation über einen längeren Zeitraum sorgen könnte.
Resilienz durch Festhalten an bestehenden Strukturen zu erreichen, mag helfen, schnell aus einer Krise herauszukommen. Neutralisieren die Maßnahmen jedoch notwendige Anpassungsprozesse infolge einer Krise, gerät die Resilienz einer Volkswirtschaft in Gefahr. Der Begriff Krise wird zudem seit Jahren inflationär benutzt. Infolgedessen werden die gut gemeinten und im Einzelfall erfolgreichen Stützungsmaßnahmen selbst zu einem Risikofaktor, da sie die Resilienz der Wirtschaft schwächen, indem sie notwendige Anreize für erforderliche Anpassungen verhindern.
Sicherlich hat es in den letzten 15 Jahren viele Krisen gegeben. Die Frage ist jedoch, ob es sich um einmalige Entwicklungen handelte, oder eher um eine grundsätzlich höhere Volatilität der Weltwirtschaft, der nicht durch einzelne Überbrückungsmaßnahmen begegnet werden kann. Die Frage ist also, ob diese zahlreichen Krisen nicht neue Realitäten geschaffen haben. Ist das der Fall, sind nicht nur Stützungsmaßnahmen notwendig, sondern auch Anpassungsanreize.
Aktuell werden allerdings eher flächendeckende Hilfsmaßnahmen ausgeschüttet, um Unternehmen und Haushalte kurzfristig zu stützen. Staaten und Notenbanken setzen alles daran, Unternehmensausfälle zu verhindern und die Kaufkraft der Haushalte zu stabilisieren. Das bremst den notwendigen Anpassungsprozess der Wirtschaft und führt am Ende zu einer immer höheren Einmischung des Staates.
Real verfügbares Einkommen in Deutschland
Veränderung in Prozent zum Vorjahr
Resilienz ist dann gegeben, wenn Veränderungen als Opportunität und nicht als Risiko gesehen werden. Das fördert die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft. Allerdings leben wir in einer risikoscheuen Gesellschaft, die Veränderungen und Anpassungen zunehmend negativ beurteilt. Wirtschaftliche Akteure haben folglich ein hohes Interesse daran, Unsicherheit auszuschließen. Sie sprechen deshalb von Jobgarantien und Mindestlohn und fordern staatliche Absicherungen und Eigenkapitalzusagen. Leider reduzieren solche Maßnahmen nicht die eigentliche Unsicherheit, sondern verschieben die Verantwortung nur auf andere Akteure – meistens auf den Staat. Das mag in Zeiten hoher Unsicherheit kurzfristig notwendig sein, wenn Investitionen ausbleiben.
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