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Europäische Spar- und Investitionsunion: Die Ziele der SIU

Eine europäische Spar- und Investitionsunion – mit der SIU hat die EU-Kommission im Frühjahr 2025 eines der spannendsten regulatorischen Vorhaben der letzten Jahre gestartet.
Ziel ist es, aus Sparvermögen Investitionskapital zu generieren. Anleger sollen einen breiteren Zugang zu Kapitalmärkten und Unternehmen bessere Finanzierungsmöglichkeiten erhalten. Damit möchte die EU-Kommission nicht weniger als eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wohlstands in der gesamten EU erreichen.
Neue Chancen für Privatanleger
Um Privatkunden bessere Möglichkeiten zu verschaffen, Ersparnisse in Kapitalmarktinstrumenten anzulegen, setzen die geplanten Maßnahmen sowohl an den Rahmenbedingungen für Investitionen als auch an den Investitionsmöglichkeiten selbst an.
Für den Vertrieb von Finanzinstrumenten spielen die europäischen Mifid-Regularien sowie deren nationale Umsetzung eine besondere Rolle. In Deutschland sind das maßgeblich das WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) und die FinVermV (Finanzanlagenvermittlungsverordnung).
Die SIU knüpft an bestehende Überlegungen der bereits 2023 angestoßenen Retail Investment Strategy (RIS) an. Die EU-Finanzkommissarin Maria Luís Albuquerque hat sich dem Vernehmen nach kritisch zu Finanzinstrumenten mit unzureichendem Preis-Leistungs-Verhältnis geäußert.
Elemente der Retail Investment Strategy aufgegriffen
Damit hat Albuquerque einen wesentlichen Aspekt der europäischen Privatanlegerstrategie (RIS) aufgegriffen: Die RIS strebt an, Product-Governance-Anforderungen auszuweiten. In die Governance sollten Angaben zu Pricing-Prozessen und Kostenbenchmarks einfließen. Auch strebt die RIS eine einheitliche und damit klare und vergleichbare Kostentransparenz an.
Offen ist indessen, inwiefern auch die anderen Themen der RIS weiter fortgeführt werden – insbesondere die erweiterte Angemessenheitsprüfung, neue Marketinganforderungen, eine angepasste Kundenklassifizierung und die – zuletzt immer weiter eingeschränkten – Provisionsverbote.
Die neuen Regelungen der SIU sollen den Investitionsspielraum erweitern: Privatanleger sollen auch in Anlageklassen investieren dürfen, die ihnen bisher verwehrt waren. Die Rede ist dabei von so genannten Savings- and Investment Accounts, die eine neue Produktkategorie darstellen könnten. Sie sollen auch steuerlich gefördert werden.
Die Öffnung lässt erwarten, dass die EU-Kommission von Anlagerestriktionen abkehren will, die bisher als wesentlich für den Anlegerschutzes galten. Offen ist, ob es einen tatsächlichen Strategiewechsel geben wird – ob man also mit Öffnung der Märkte auch stärker auf die Eigenverantwortung der Anleger setzen wird oder ob der Anlegerschutz an anderer Stelle kompensiert werden könnte. Denkbar wären etwa vorgeschaltete Anlageschranken, verpflichtende Beratungen oder spezifische Warn- und Aufklärungspflichten. Eine andere Möglichkeit wäre auch, dass zusätzliche Dokumentations- und Informationspflichten auf den Vertrieb oder auf die Emittenten bei der Marktzulassung eines Finanzprodukts zukommen.
Stärken der Altersvorsorge
Um die Altersvorsorge zu fördern, will die EU-Kommission im Rahmen der SIU neben dem öffentlichen Rentensystem auch die Angebote der betrieblichen und privaten Altersversorgung stärken. Hierzu soll der bestehende Rechtsrahmen für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EBAV) und das Paneuropäische Private Pensionsprodukt (PEPP) auf den Prüfstand kommen. Die Angebote sollen attraktiver und grenzüberschreitend besser zugänglich werden. Ebenso wird darüber nachgedacht, Mitarbeiter automatisch an betrieblichen Altersversorgungssystemen teilhaben zu lassen
Verbraucher sollen zudem ihre Rentenansprüche besser nachverfolgen können. Sie sollen einen Überblick über ihr zu erwartendes Renteneinkommen erhalten – und so ermutigt werden, sich früher und intensiver mit der Altersvorsorge zu beschäftigen.
Einfachere Finanzierung für Unternehmen
Als klares Ziel der SIU sollen EU-Unternehmen außerdem bessere Finanzierungsmöglichkeiten erhalten, insbesondere in den Schlüsselsektoren der digitalen Technologien, Energie, Bildung und Verteidigung. Hierdurch soll ein Multiplikationseffekt für die gesamte Wirtschaft entstehen, der sich auch auf andere Branchen ausbreitet.
Konkrete Ansatzpunkte sind, die Eigenkapitalanforderungen für Versicherungsunternehmen zu überprüfen, das Thema der unternehmerischen Vorsicht bei Pensionsfonds anzupassen, die Verbriefungsregelungen oder auch die Zusammenarbeit der Kommission mit der Europäischen Investmentbank (EIB) zu überarbeiten.
Daneben sollen bestehende Hindernisse fallen, wie fragmentierte Märkte, komplexe Rechtsvorschriften und hohe Transaktionskosten – was Eigenkapitalinvestitionen fördern soll.
Eine Reihe von Maßnahmen zielt speziell auf institutionelle Anleger wie Versicherungsunternehmen, Banken und Pensionsfonds ab. Auch Risikokapitalinstrumente wie die Europäischen Risikokapitalfonds (EuVECA) sollen attraktiver werden.
Ansätze einer Bankenunion
Ebenso will die EU-Kommission Eigenkapitalinvestitionen von Banken im Rahmen von Legislativprogrammen durch verbesserte Eigenkapitalanforderungen günstiger machen. Hierzu wird die europäische Kommission Leitlinien veröffentlichen.
Zur Förderung von Verbriefungen konzentriert sich die Kommission auf Vereinfachungen für Banken und Versicherer hinsichtlich der geltenden Sorgfaltspflichten und Transparenzanforderungen.
Ferner richtet die Kommission einen Fokus auf die Stärkung der europäischen Banken, die grenzüberschreitend tätig sind – und die bei der Emission von Wertpapieren und durch den Finanzvertrieb die Funktionsweise der Kapitalmärkte vertiefen und deren Liquidität verbessern.
Vor diesem Hintergrund greift die Kommission die Ansätze einer Bankenunion auf. Ebenso mahnt sie, die laufende Reform des Krisenmanagements, der Einlagensicherung und des Europäischen Einlagenversicherungssystems (EDIS) abzuschließen.
Abbau grenzüberschreitender Hindernisse
Um die nationalen Märkte besser zu verbinden, sollen sich ferner regulatorische, aufsichtsrechtliche und politische Hindernisse für grenzüberschreitende Transaktionen von Marktinfrastrukturen, Vermögensverwaltung und Mittelverteilung reduzieren. Die SIU will dabei das gesamte Finanzwesen der EU erfassen, sowohl die Kapitalmärkte als auch den Bankensektor.
Hierzu sollen Hindernisse für grenzüberschreitende Handels- und Nachhandelsmarktinfrastrukturen im Sinne einer Kapitalmarktunion ebenso fallen wie Beschränkungen für den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds innerhalb der EU und Hindernisse für Vermögensverwalter in Gruppenstrukturen.
Konkret sollen dazu Vorschriften über Zentralverwahrer, Finanzsicherheiten, Abwicklung und Handelsmarktstrukturen erarbeitet werden.
Einheitliche Standards statt zentraler Behörde
Eine einzelne Aufsichtsbehörde für die Kapitalmärkte scheint man derzeit nicht zu favorisieren. Es sollen jedoch die bestehenden europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) gestärkt werden, um eine einheitliche Aufsichtspraxis innerhalb der EU zu erreichen.
Die EU-Kommission plant, die SIU kurzfristig umzusetzen – wobei eine vollständige Umsetzung nicht vor dem zweiten Halbjahr 2025 zu erwarten ist. Bereits 2027 soll es eine Halbzeitbilanz geben.
Damit steht für die nächsten Monate und Jahre eine regulatorisch sehr dynamische Zeit bevor.

Über den Autor:
Philippe Lorenz ist Rechtsanwalt bei KPMG Law im Bereich Financial Services und berät nationale und internationale Mandanten im Finanzaufsichtsrecht und dem damit verbundenen Gesellschafts- und Vertragsrecht sowie in Compliance-Fragen.