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Sparer müssen tapfer sein Der feine Unterschied zwischen Zinsen und Dividenden

Georg Graf von Wallwitz
Georg Graf von Wallwitz
Niemand wusste über die Notwendigkeit, seine Emotionen zu kontrollieren, besser Bescheid, als die Römer. Der Gleichmut wird dort besungen wie sonst nirgendwo in der Antike. Gewiss finden sich auch bei den Griechen schöne Gedanken zu diesem Thema (insbesondere bei Thukydides), aber Verzweiflung oder Überschwang sind bei den Griechen sozial durchaus akzeptabel - was für die Römer überhaupt nicht zutrifft. Daher ist man bei der römischen Literatur am besten aufgehoben, wenn man mal tapfer sein muss. Und wer müsste in diesen Tagen tapferer sein als die Sparer, die feststellen müssen, dass sie praktisch keine Zinsen mehr erhalten für ihr Geld?

Das Thema bewegt in den sparenden Nationen die Menschen wirklich. Denn sie haben ein Leben lang gearbeitet in der Aussicht, am Ende der Zeit eine Summe zu haben, von der sich leben lässt oder die doch zumindest die Rente aufbessert und den kleinen Luxus nebenher erlaubt. Und da wir heute so zählebig sind und es sich nicht mehr abschätzen lässt, wie lange unser Erspartes halten muss, leben wir also besser vom Zins als vom Kapital. Nun aber ist der Zins verschwunden. Was also tun? Die offensichtlichste Möglichkeit, mit dieser Situation umzugehen, ist den Gürtel enger zu schnallen, die Urlaubspläne zu kürzen und allgemein sparsamer zu leben.

Es werden schon wieder Zeiten mit Zinsen kommen, in denen wir dann wieder freigiebiger sein können. Den Appell zur Sparsamkeit, so gerne wir ihn an andere richten, hören wir aber selbst nicht gern. Die zweite Möglichkeit besteht darin, das Kapital aufzuzehren - auf die Gefahr hin, dass am Ende nicht mehr viel oder gar nichts davon übrig bleibt. Das ist auch nicht schön, denn die Erben sehen es nicht gern und wer weiß, wie viel man am Ende noch braucht?

Und weil das beides so unangenehme Möglichkeiten sind, machen wir uns auf die Suche nach einer Alternative. Dabei stoßen viele Sparer (im Kleinen wie im Großen: Versicherungen, Pensionskassen geht es nicht anders als den Durchschnittsrentnern) auf die ganze Palette der Versuchungen, die der Kapitalmarkt bereithält. Erst kaufen sie Unternehmensanleihen anstelle von Pfandbriefen.

Sie kaufen nachrangig besicherte Anleihen von Banken, als habe es das Jahr 2008 nie gegeben. Aber irgendwann werfen auch diese Papiere kaum noch etwas ab und der Zinshunger ist noch immer nicht gestillt. Also Aktien. Der Sirenengesang der Aktie wurde zuletzt wieder von Thomas Piketty angestimmt, in seinem Buch über das Kapital im 21. Jahrhundert. Darin hat er noch einmal auf den Umstand hingewiesen, dass das Kapital (das heißt die Aktie) die Tendenz hat, deutlich höher verzinst zu werden als die Wachstumsrate der Wirtschaft insgesamt. Dadurch kommt über die Zeit ein immer größerer Teil des ökonomischen Kuchens bei den Kapitalbesitzern (Aktionären) an und die Gesellschaft wird immer ungleicher.

Gelegentlich kommen Kriege dazwischen und machen uns alle wieder etwas gleicher, und gelegentlich kommt es zu einer Revolution, wenn die Ungleichheit unerträglich wird und die Armen nichts mehr zu verlieren haben. Aber so lange das Kapital nicht abgeschafft wird, kommt doch immer wieder seine alte Eigenschaft hervor: Es akkumuliert, rentiert, vermehrt sich, komme was wolle. Und Aktien sind in der Tat eine wunderbare Sache, wenn und solange ihre Eigentümer (Aktionäre, Kapitalisten) auf das Kleingedruckte achten.
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