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BGH-Urteil: Sparkassen drohen hohe Zinsnachzahlungen (2024)

Prämiensparverträge waren besonders in den 1990er und frühen 2000er Jahren bei Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sehr beliebt. Die Produkte hießen „Vorsorgesparen“, „Vermögensplan“ oder „Bonusplan“. Diese Sparprodukte boten neben einem variablen Zinssatz eine nach Laufzeit gestaffelte Prämie. Je länger regelmäßige Sparbeiträge eingehen, umso höher fällt die Prämie aus.
Viele dieser Verträge enthielten jedoch Klauseln, die es den Kreditinstituten erlaubten, die Zinsen einseitig zu ändern. Der BGH erklärte das bereits vor 20 Jahren für rechtswidrig. Im Zuge der Niedrigzinsphase machten Sparkassen jedoch davon Gebrauch und senkten die Zinsen teilweise auf minimale Sätze von 0,001 Prozent ab. Verbraucherschützer kritisierten dies als unrechtmäßig.
Das BGH-Urteil: Ein Sieg für die Verbraucher
Im Juni 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschieden, dass die entsprechenden Zinsanpassungsklauseln unwirksam sind. Sparkassen hätten die Zinsen nicht einseitig zu ihren Gunsten ändern dürfen (Az. XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23). Stattdessen legte das Gericht einen Referenzzins fest, der sich an der Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere mit 8 bis 15 Jahren Restlaufzeit orientiert. Damit wurde die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigt. Es ist das erste Mal, dass das oberste deutsche Zivilgericht einen konkreten Zinssatz festlegt.
Für betroffene Sparkassenkunden bedeutet dies, dass ihnen rückwirkend höhere Zinsen zustehen. Verbraucherschützer rechnen in vielen Fällen mit Nachzahlungen im vierstelligen Bereich. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) rechnet bundesweit mit mehreren tausend Betroffenen. Allein die Verbraucherzentrale Sachsen vertritt in Musterfeststellungsklagen die Ansprüche von rund 6.000 Kunden.
Handlungsbedarf für Sparkassen und Kunden
Das BGH-Urteil ist rechtlich bindend für die verklagten Sparkassen, die Saalesparkasse und die Ostsächsische Sparkasse Dresden. Es dürfte aber auch Signalwirkung für andere Sparkassen haben, da es sich um weit verbreitete Standardverträge handelt.
Sparkassen sind nun angehalten, auf betroffene Kunden zuzugehen und Zinsnachzahlungen zu leisten. Einige Institute wie die Ostsächsische Sparkasse Dresden haben sich bereits mit einem Großteil der Kunden verglichen. Carsten Biesok, Direktor Recht der Sparkasse Dresden, betont, dass seine Sparkasse bereits mit mehr als der Hälfte der betroffenen Kunden Vergleiche geschlossen habe.
Verbraucher sollten prüfen, ob sie Inhaber eines Prämiensparvertrags sind und können bei Bedarf ihre Sparkasse auffordern, die Zinsen neu zu berechnen.
Wichtige Hinweise zur Verjährung
Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt weist auf wichtige Fristen bezüglich der Verjährung hin. Ute Bernhardt von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt erklärt, dass ein Anspruch auf Zinsnachzahlungen nur zeitlich begrenzt geltend gemacht werden könne. Die Ansprüche auf Zinsnachzahlungen verjähren drei Jahre nach Beendigung eines solchen Vertrages.
Dies ist besonders relevant für Kunden der Saalesparkasse, die bereits Anfang 2018 viele Verträge gekündigt hat. Für diese Verträge ist die Verjährung bereits Ende 2021 eingetreten. Eine wichtige Ausnahme gilt jedoch für Kunden, die sich an der Musterfeststellungsklage gegen die Saalesparkasse beteiligt haben. Bernhardt erläutert: „Dort ist die Verjährung durch die Klage gehemmt worden. Das heißt, die Verbraucher haben jetzt noch sechs Monate Zeit, ihre Ansprüche gegenüber der Saalesparkasse durchzusetzen.“
Reaktionen und Ausblick
Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen kommentiert gegenüber dem ZDF: „Wir haben mehr gewollt, aber unterm Strich bleibt bestehen, dass die Sparkasse viel zu wenig Zinsen ausgezahlt hat an ihre Kunden und dass sie jetzt ganz erheblich Nachzahlungen leisten muss.“
Auch die Finanzaufsicht BaFin begrüßt das Urteil. Thorsten Pötzsch, BaFin-Exekutivdirektor, sagt: „Die endgültigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind eine wichtige Klarstellung für den kollektiven Verbraucherschutz.“