Volkswirt Johannes Mayr
Volkswirt Johannes Mayr
Der angenehme Weg über ein Herauswachsen aus der Verschuldung wird allerdings durch das wohl auch strukturell höhere Zinsniveau in den kommenden Jahren deutlich erschwert. Auf dem aktuellen Niveau liegen die Kapitalmarktzinsen in den meisten westlichen Ländern bereits über der Durchschnittsverzinsung der Staatsschulden und werden diese schrittweise über das nominale Wachstumstempo drücken.
Gleichzeitig scheint ein über mehrere Jahrzehnte positiver Primärsaldo angesichts der strukturell steigenden Ausgaben für die Sozialsysteme, die Energiewende und Klimaschäden sowie für Verteidigung und Industriepolitik politisch kaum umsetzbar. Hierfür spricht auch, dass sich alle politischen Selbstbeschränkungen in der Haushaltspolitik wie etwa die Maastricht-Regeln als nicht glaubwürdig und weitestgehend erfolglos erwiesen haben.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Der angenehme Weg über ein Herauswachsen aus der Verschuldung wird allerdings durch das wohl auch strukturell höhere Zinsniveau in den kommenden Jahren deutlich erschwert. Auf dem aktuellen Niveau liegen die Kapitalmarktzinsen in den meisten westlichen Ländern bereits über der Durchschnittsverzinsung der Staatsschulden und werden diese schrittweise über das nominale Wachstumstempo drücken.
Gleichzeitig scheint ein über mehrere Jahrzehnte positiver Primärsaldo angesichts der strukturell steigenden Ausgaben für die Sozialsysteme, die Energiewende und Klimaschäden sowie für Verteidigung und Industriepolitik politisch kaum umsetzbar. Hierfür spricht auch, dass sich alle politischen Selbstbeschränkungen in der Haushaltspolitik wie etwa die Maastricht-Regeln als nicht glaubwürdig und weitestgehend erfolglos erwiesen haben.
Realistisch wird sich die Mehrheit der Staaten deshalb zumindest teilweise auch heterodoxer Maßnahmen zur Schuldenreduktion bedienen. An erster Stelle steht dabei eine zumindest teilweise Entschuldung über das „Weginflationieren“ von Schulden beziehungsweise eine erhöhte Inflationssteuer. In einigen Ländern werden Ad-hoc-Maßnahmen wie Privatisierungen und Schuldenrestrukturierungen dies ergänzen. Im Euro-Raum dürfte sich der Weg zu einer Vergemeinschaftung der Staatsverschuldung fortsetzen.
Damit der Druck auf die Politik in diese Richtung nicht zu groß wird, ist vor allem in Europa eine Abkehr von der derzeitigen Vollkaskomentalität auf der Ausgabenseite unabdingbar. Auf der Einnahmenseite müssen Konzepte zur Erhöhung des Steueraufkommens und Begrenzung der Steuervermeidung geprüft werden. So schmerzhaft diese Eingriffe kurzfristig auch sind, versprechen die orthodoxe Stabilisierung der öffentlichen Schuldenquoten und die Sicherung der Rolle von Staatsverschuldung als Anker des Finanzsystems langfristig erhebliche Wohlfahrtsgewinne.
Aus Investorensicht scheint klar, dass sich die Risikoprämien für viele Staatsanleihen mittelfristig erhöhen werden. Das gilt auch deshalb, da die Notenbanken in Zeiten einer strukturell höheren Inflation nicht mehr in allen Phasen von Wirtschaft und Kapitalmarkt als Käufer der letzten Instanz bereitstehen können. Die jüngste Korrektur der Laufzeitprämien an den Anleihemärkten in den USA und Europa gibt hier einen Vorgeschmack.
Auch deshalb lohnt es sich bei der Suche nach bonitätsstarken Anleihen zur Risikosteuerung nicht blind auf alte Sicherheiten zu vertrauen, sondern den Blick regional und sektoral zu weiten. Denn nicht alle Staaten dürften künftig als risikolose Schuldner betrachtet werden. Das gilt gerade auch in Europa, solange eine weitere Vergemeinschaftung noch nicht ausgemachte Sache ist.
Und auch in zyklischer Perspektive muss die Eignung von Staatsanleihen als Baustein im Portfolio stets kritisch geprüft werden. Denn nicht in allen Marktphasen können diese ihre Puffereigenschaft etwa für Aktienrisiken ausspielen. Das hat die Entwicklung seit Anfang 2022 eindrucksvoll gezeigt. Ein ausgewogenes und dynamisch über Kredit- und Durationsrisiken gesteuertes Portfolio von Unternehmensanleihen ist dabei eine bedenkenswerte Alternative.
Über den Autor
Neue Artikel der Denker der Wirtschaft