Inflation, Konsum, Bewertungen Statistisch gesehen gelingt der Fed nur eine Bruchlandung
Die Inflation könnte zunächst länger anhalten als erwartet
Die Inflation ist ein ständiges Thema in allen Bereichen, mit denen wir als Anleger zu tun haben. Wir gehen davon aus, dass die Inflation sich hartnäckiger hält, als im vergangenen Jahr erwartet wurde. Der Inflationsdruck ist so ausgeprägt und umfassend, dass die Teuerung sich auf einem höheren Niveau als im vergangenen Konjunkturzyklus einpendeln könnte. In den Vereinigten Staaten und den meisten Industrieländern ist sie nach wie vor hoch, und auch in den Schwellenländern ist sie erhöht. Absehbar ist, dass die Inflation weiter steigt, sofern sich die Lieferkettenprobleme verschärfen, Engpässe in der Energieversorgung auftreten und der Anstieg der Warenpreise nicht nachlässt.
Inflation könnte sich über 2 Prozent einpendeln
Wir erwarten, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2022 zurückgehen wird. Fraglich bleibt, wie hoch die Inflationsrate liegt, wenn sich das Umfeld, das die Inflation treibt, wieder beruhigt hat. Wird sie eher wie vor der Pandemie aussehen, als die Inflation bei 2 Prozent lag? Oder wie in früheren Konjunkturzyklen, als die Inflation eher bei 3 Prozent lag? Wir nehmen an, dass die Märkte davon ausgehen, dass sie näher bei 2 Prozent liegen wird, während unsere Einschätzung etwas höher ausfällt.
Wie kommen die Verbraucher mit der Inflation klar?
Die Auswirkungen der inflationären Bedingungen, mit denen die Verbraucher in den USA und in anderen Ländern weltweit konfrontiert sind, können je nach Region verschieden ausfallen. Kommt die Inflation in der einen Volkswirtschaft den Verbrauchern durch eine Lohninflationsdynamik zugute, wirkt sie sich in einer anderen zum Schaden der Verbraucher aus, wenn die Reallöhne nicht Schritt halten und damit das Wachstum hemmen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, wie die Unternehmen mit steigenden Preisen für Arbeit, Umweltschutz und anderen Faktoren umgehen, die mit höherer fiskalischer Belastung, höheren Kapitalkosten, höheren Zinssätzen und anderen Faktoren zusammenfallen.
Ersparnisse unterstützen die Kaufkraft
Viele Verbraucher haben aufgrund der fiskalischen Stimuli in den vergangenen zwei Jahren mehr angespart und damit ein höheres Gesamtvermögen. Auf kurzfristige Sicht gehen wir davon aus, dass diese überschüssigen Ersparnisse im Jahr 2022 eingesetzt werden und die Grundlage für ein Wirtschaftswachstum schaffen, das höher ausfallen könnte als im letzten Konjunkturzyklus. Wenn
die Verbraucher diese Ersparnisse allerdings in der zweiten Jahreshälfte 2022 für steigende Benzinpreise, teurere Lebensmittel und Preisaufschläge bei anderen Waren und Dienstleistungen ausgeben müssen, könnte sich ihre Kaufkraft schlechter entwickeln als erwartet.
Schaffen die Notenbanken eine weiche Landung?
Die meisten Zentralbanken in den Schwellen- und Entwicklungsländern und sicherlich auch in den Industrieländern stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Es wird für sie sehr schwierig sein, eine weiche Landung beim Zurückfahren der expansiven Geldpolitik hinzulegen. Die eine Zentralbank könnte die Zinsen früher anheben, als sie es vielleicht sollte, und damit genau die Rezession auslösen, die sie zu verhindern versucht. Die andere Zentralbank könnte zu lange abwarten und damit die Kontrolle über die Preisentwicklung verlieren. Sie würde dann den Rückstand aufholen und die Zinsen wohl aggressiver anheben müssen, was ebenfalls eine Rezession auslösen könnte. Die Frage für die folgenden Monate lautet daher: Wird die Inflation so weit zurückgehen, dass die Zentralbanken wieder in sicheres Fahrwasser kommen?
Die Notenbanken stecken in der Klemme
Die Zentralbanken, die sich ihres Einflusses auf den Markt sehr bewusst sind, stehen im Zentrum aller Überlegungen. Wir sind der Meinung, dass sie geduldig bleiben wollen, doch angesichts der sich verschärfenden finanziellen Bedingungen im laufenden Jahr werden sie wahrscheinlich zu Fehlern neigen.
Wir treten deshalb für ein aktives Management festverzinslicher Anlagen ein. Ein Blick in die US-Geschichte zeigt: Um ein prominentes Beispiel für den Beginn eines Zinserhöhungszyklus mit weicher Landung zu finden, müssen wir in die 1990er-Jahre zurückgehen. Die nachfolgenden Zinserhöhungszyklen bremsten die Konjunkturentwicklung entweder zwei bis vier Jahre später aus oder führen innerhalb weniger Jahre zu einer Rezession. Die Notenbanken stehen vor einer sehr schwierigen Aufgabe, weil die hohe Inflation die Lage deutlich verkompliziert.
Hohe Bewertungen schmelzen ab
Wir wägen die Risiken, die Anleger stets im Blick haben sollten, mit den Bewertungen sowohl auf dem Aktien- als auch auf dem Anleihemarkt ab, denn diese haben einen großen Einfluss auf die zu erzielenden Renditen. Angesichts eines sich im Vergleich zu 2021 verändernden Margen- und Volatilitätsprofils werden auch die Bewertungen angepasst werden müssen.
Cashflows entscheiden über den Anlageerfolg
Die Renditen werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein anderes Profil haben als in den vergangenen Jahrzehnten. Während die Zinsen sehr niedrig sind, bewegten sich die Aktienbewertungen zu Jahresbeginn 2022 auf historischen Höhen. Zukünftig ist mit niedrigeren Renditen zu rechnen, was mit unseren langfristigen Kapitalmarkterwartungen übereinstimmt. Alle Finanzanlagen leiten ihren Wert aus Cashflows ab, doch wir erwarten, dass diese sich nicht mehr so reichlich einstellen wie in der Vergangenheit. Anleger dürften zukünftig demnach für Unternehmen, die über solide Cashflows verfügen, einen Aufschlag gegenüber anderen bezahlen. Doch unabhängig davon, wie Risikoanlagen, darunter festverzinsliche Wertpapiere, Investment-Grade-Anleihen, Hochzinsanleihen, Schwellenländeranlagen und andere Anlageklassen, derzeit im Hinblick auf ihre verschiedenen Risiken betrachtet werden, ist die Frage nach ihrer fairen Bewertung keineswegs leicht zu beantworten.
Wo stehen die Schwellenländer im aktuellen Umfeld?
Die US-Notenbank strafft ihre Geldpolitik und der US-Dollar wertet angesichts dieser Tatsache auf. Zugleich belasten geopolitische Sorgen; sei es in Bezug auf Russland und die Ukraine oder die Verlangsamung des Wachstums in China.
Wir sehen eine Vielzahl von Faktoren, die Schwellenländer-Anleger vor Herausforderungen stellen. Parallelen zur Zeit um 1900 fallen auf: Wir sind Zeuge eines grundlegenden Übergangs, bei dem sich zuvor stark von (ausländischem) Kapital abhängige Unternehmen zu Konzernen entwickeln, die ihr für das Wachstum nötige Kapital aus ihren Cashflows erzielen. Oft genug durch den wachsenden Binnenkonsum in den Ländern, in denen sie tätig sind. Dieser Prozess ähnelt dem, den die USA und andere entwickelte Volkswirtschaften vor mehr als einem Jahrhundert durchliefen.
Die verbesserte Ertragslage lockt
Für uns als Investoren interessant: Das Erwirtschaften zunehmend höherer freier Cashflows rechtfertigt eine Verringerung des Bewertungsabschlags, den die Schwellenländer bislang im Vergleich zu den entwickelten Ländern aufweisen. Die Ertragslage in den Schwellenländern verbessert sich.
Wir erwarten, dass China im Laufe der Zeit langsamer wachsen wird. Die konjunkturelle Entwicklung hat sich bereits abgeschwächt, nachdem die Volkswirtschaft im internationalen Vergleich ein mittleres Einkommensniveau erreicht hat und in den kommenden Jahren vielleicht sogar darüber hinauskommt. Zukünftig ist zu erwarten, dass das Land mit einem jährlichen BIP-Plus von 2 bis 4 Prozent wie eine entwickelte Wirtschaft wachsen wird.
Insgesamt fällt der Blick auf die Schwellenländer in der ersten Jahreshälfte 2022 wenig zufriedenstellend aus. Sie können weder höhere US-Zinsen und einen stärkeren US-Dollar, noch ein wirtschaftsschwaches China gebrauchen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Greenback weiterentwickelt. Doch zum derzeitigen Zeitpunkt bräuchten die Schwellenländer eine US-Notenbank, die in ihrem Zinserhöhungszyklus bereits weiter vorangekommen ist, als derzeit zu beobachten.
Einen weiteren wichtigen Faktor, der über Wohl und Wehe der Schwellenländer entscheidet, sehen wir in der Covid-19-Krise. Hier kommen die Impfkampagnen im Allgemeinen nur langsam voran.
Die wichtigsten Erkenntnisse
Die kommenden Monate werden höchstwahrscheinlich eine Phase mit weiterhin erhöhter Volatilität sein. Die Schwankungen an den Märkten könnten dabei stärker ausfallen als in den meisten Jahren ohne Rezession, die wir in vergangenen Konjunkturzyklen erlebt haben. Diese Art von Umfeld erwarten wir sowohl an den Anleihe- als auch an den Aktienmärkten. Durationen halten wir in einer Reihe von Portfolios daher knapp, wobei Anlagen mit kurzen und mittleren Laufzeiten besonders im Fokus stehen.