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„Das Thema Robo Advisory hat sich vollkommen überholt“ (Interview)

Er trägt Anzug und Krawattennadel wie ein Banker alter Schule, doch er denkt bisweilen wie ein Startup-Gründer aus dem Silicon Valley. Stefan Schmitt ist Chef von Inno Invest und erklärt im Podcast „The Portfolio People“, warum die Zukunft der Vermögensverwaltung weder rein digital noch ausschließlich traditionell sein wird.
„Ich bin mit der These mitgegangen. Und musste mich revidieren“, gibt Stefan Schmitt unumwunden zu, als es um die oft prophezeite digitale Revolution in der Vermögensverwaltung geht. Als die ersten Robo-Advisor 2014 auf den Markt kamen, schien das Ende der traditionellen Vermögensverwaltung besiegelt. Doch die Realität sieht anders aus: „Der Markt ist die Wahrheit. Und wenn der Markt sagt, Robo-Advisor haben keine hohen Margen und es kommen sehr kleine Volumen rein, dann kann ich 10.000 Kunden onboarden. Das bringt mir nichts, wenn ich kein Geld verdiene.“
Diese ernüchternde Erkenntnis kommt von jemandem, der es wissen muss. Inno Invest betreibt selbst einen Robo-Advisor, doch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. „Das Thema Robo Advisory hat sich vollkommen überholt“, konstatiert Schmitt. Stattdessen sieht er die Digitalisierung als ergänzendes Element: „Vielleicht im täglichen Ansehen des Portfolios über die App oder über das Smartphone, vielleicht im Risikomanagement. Aber ich glaube nicht, dass Digitalisierung so einen großen Impact auf klassisches People-Business haben wird.“
Die wahre Revolution findet woanders statt
Laut Schmitt findet die wirkliche Transformation ganz woanders statt: Bei generierender KI. "Mit KI meine ich nicht den Chatbot, der die Fragen beantwortet oder die Texte schreibt, sondern ich meine mit KI echte denkende KI."
Inno Invest setzt auf diese Technologie: „Wir haben zum Beispiel eine Strategie, die investiert selbstständig. Die macht das Research selbst, die generiert die Signale selbst, die baut aus den Signalen einen echten Trade, setzt das Limit und platziert den Trade an der Börse.“ Das sei keine Science-Fiction, sondern gelebte Praxis mit "sehr viel Kundenvolumen" und „guter Performance“.
Ein Kardinalfehler vieler Vermögensverwalter liegt laut Schmitt in ihrer IT-Strategie: „Der größte Irrtum ist, dass viele Vermögensverwalter [...] sehr viel auf externe Dienstleister setzen, um ihre IT-Infrastruktur zu entwickeln. Anstatt Tech-Einheiten selbst und die Infrastruktur inhouse aufzubauen.“
Diese Abhängigkeit rächt sich besonders in einer Branche, die vor massiven Konsolidierungen steht. „Wenn ich mich von einem externen Dienstleister abhängig mache, in einem Feld, was sehr stark zukünftig skaliert werden muss, wo viel unterschiedliche Geschäftsmodelle zusammengefügt werden müssen [...] muss ich Herr der Infrastruktur sein.“
Hier gibt es den Podcast auf
Ein Unternehmen mit DNA aus zwei Welten
Inno Invest ist das Produkt dieser Einsichten. "Die Inno Invest ist ursprünglich mal gestartet mit einer klassischen Vermögensverwaltung für Privatkunden, vermögende und Unternehmerfamilien. Wir haben irgendwann gesagt, wir wollen einen Robo-Advisor zusätzlich bauen und so haben wir angefangen, unsere eigene Wealth-Management-Plattform zu bauen."
Heute ist das Unternehmen weit mehr als nur eine Vermögensverwaltung. Mit acht angebundenen Depotbanken und einer vollständig digitalisierten WPHG-Prozesslandschaft bietet Inno Invest eine breit aufgestellte Infrastruktur. „Die Kombination aus Vermögensverwaltung und Haftungsdach [...] macht uns einzigartig, auch weil wir uns auf Inhaberstrukturen verständigt haben, sodass wir nicht extern was vergeben müssen“, so Schmitt.
Das Geschäftsmodell funktioniert: Das Haftungsdach-Segment wachse jedes Jahr um 40 bis 50 Prozent. Das ambitionierte Ziel: „Bis 2028 wollen wir 250 Vermittler im Haftungsdach haben und das drittrelevanteste Haftungsdach in Deutschland und Österreich sein.“
Der Mann hinter der Vision
Stefan Schmitt selbst ist ein Mann der Gegensätze. "Ich habe nachweislich bestimmt in 30 oder 40 Poesiealben geschrieben, dass ich mal Bankdirektor werden will", erzählt er über seine Kindheit in einer Bankerfamilie. Mit 29 Jahren hatte er dieses Ziel erreicht: „Da hatte ich dann meine zwei Filialen, die ich gemanagt hatte.“
Er selbst beschreibt sich als „starken Analytiker“ und „verbissenen Hund“. Er sagt: „Wenn ich einmal mich an etwas verbissen habe, dann ziehe ich es auch durch.“
Die Krawatte als Statement
Auf LinkedIn sorgt Schmitt regelmäßig für Diskussionen, besonders wenn es um Dresscodes geht. „Als ich gesagt habe, Männer tragt endlich wieder Krawatte [...] kam das dann bei vielen oder bei einigen so an, dass man sie unterdrückt und gegen Diversifizierung sei. Dabei hat das damit gar nichts zu tun.“
Für ihn sind Anzug und Krawatte mehr als nur ein Kleidungsstück: „Ich trage das nicht, weil ich es tragen muss, sondern ich finde einen Anzug genauso bequem wie eine Jogginghose. [...] Und ich finde zu einem guten Anzug gehört eine Krawatte dazu.“ Sein stilistisches Vorbild? „Guck dir James Bond an. So wie Daniel Craig aussieht, so sollte man eigentlich auch im Businessleben aussehen.“
Das deutsche Dilemma
Ein Thema treibt Schmitt besonders um: die mangelnde Aktienkultur in Deutschland. „Ich glaube, das ist ein ganz starkes Kulturthema und die Angst vor Verlusten und mangelndes Vertrauen.“ Die Lösung sieht er in radikalen Reformen: „Es muss zwingend mehr Impulse geben Richtung privater Vorsorge und privatem Vermögensaufbau. [...] Ich würde etwa den Steuerfreibetrag einfach auf 10.000 Euro hochsetzen. Die Leute sollen ein Vermögen aufbauen.“
Am Ende des Gesprächs wird Schmitt grundsätzlich: „Ich würde gern zu mehr Unternehmertum, Freigeist und Selbstverwirklichung aufrufen. Die Private Banker haben so viele Chancen, überproportional zu verdienen, wenn sie sich selbstständig machen würden.“
Seine Vision für die deutsche Finanzlandschaft ist klar: "Ich möchte, dass das Thema Vermögensverwaltung eher wie in anderen Ländern mehr diversifiziert wird und mehr Selbstständigkeit erfährt, als es heute der Fall ist."
Seine Botschaft ist klar: Weder die reine Digitalisierung noch das sture Festhalten an Traditionen werden die Zukunft bestimmen. Erfolg haben wird, wer wie Schmitt bereit ist, beide Welten zu verstehen und intelligent zu verbinden – mit oder ohne Krawatte.