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Anleihemärkte Steilere US-Zinskurve – Anlass zur Besorgnis?

US-Präsident Joe Biden mit Ehefrau Jill
US-Präsident Joe Biden mit Ehefrau Jill: Die Fed finanziert aktuell das fiskalpolitische Programm der USA, sagt Anlageprofi Ulrich Harmssen. | Foto: imago images/UPI Photo
Ulrich Harmssen 
Foto: Apella AG

Im August des letzten Jahres lagen die Renditen der maßgeblichen 10-jährigen US-Staatsanleihen bei etwas über 0,5 Prozent. Seitdem hat sich diese Rendite fast verdreifacht und liegt nun bei gut 1,3 Prozent.

Schauen wir genauer hin: Werden die Demokraten ihr geplantes 1,9 Billionen US-Dollar schweres Paket als Konjunkturprogramm durchbringen? Der entsprechende Vorschlag der Republikaner sieht „nur“ 618 Milliarden US-Dollar an Hilfen vor. Das Paket der Demokraten sieht unter anderem Konsumschecks im Wert von 1.400 Dollar pro Person und eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Dollar pro Stunde vor.

Wie man es auch dreht und wendet: Diese enormen Ausgaben müssen jedenfalls finanziert werden. Üblicherweise geschieht das, indem das US-Finanzministerium in großem Umfang Anleihen emittiert – was zu einem Angebotsüberhang führen kann und damit zu sinkenden Kursen von US-Staatsanleihen. Mithin steigen die Renditen dieser Papiere.

Unterstellt man weiter, dass durch die geplanten erneuten gewaltigen fiskalpolitischen Programme – das letzte Paket aus dem Dezember 2020 war schon 935 Milliarden Dollar schwer – Wachstum und Inflation in den USA deutlich zulegen werden, ist möglicherweise auch aus dieser Richtung mit einer Normalisierung der Langfrist-Renditen zu rechnen.

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Das aber wäre wohl ein schwerer Schlag für den US-Aktienmarkt. Bislang waren US-Staatsanleihen als Alternative zu Aktien nicht sehr attraktiv – zu Recht hieß es deshalb gebetsmühlenartig „TINA“ (There is no alternative). Kann es also zu einer deutlichen Korrektur an den US-Aktienmärkten kommen? Ja, durchaus möglich!

Allerdings haben wir in der bisherigen Betrachtung die Kreativität der US-Zentralbank völlig außer Acht gelassen. Längst ist die Fed zu einer Geschäftsbank geworden, die Kredite über das Programm „Primary Markets Credit Facility“ direkt an Unternehmen ausreicht. Bisher war der Aufkauf von US-Unternehmensanleihen nur über den Sekundärmarkt möglich.

Im Prinzip finanziert die Fed – aktuell noch indirekt – genau auf diese Art und Weise auch die enormen fiskalpolitischen Programme der USA. Von dort aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zur „Yield-Curve-Control“ (Kontrolle der Zinskurve), den die Bank of Japan bereits umsetzt.

Nebenbei, und nach allem, was man weiß: Dieser Schritt wird bereits auch in den Gremien der Fed diskutiert. Damit ließen sich dann auch die Renditen der US-Staatsanleihen am langen Ende trefflich steuern – und damit auch Gefahren für den US-Aktienmarkt abwenden. Wenn die Zentralbanken sich allerdings zum Ziel setzen, den Großteil der Zinskurve direkt zu kontrollieren, wird der Anleihemarkt endgültig seiner Preisfindungsfunktion beraubt.

Der Mechanismus, der die effiziente Allokation knapper Ressourcen auf die vielversprechendsten Anlagen ermöglichen soll, ist dann schlicht und einfach nicht mehr vorhanden. Allerdings: Geld ist ja in diesen denk- und merkwürdigen Zeiten ohnehin schon länger keine knappe Ressource mehr.


Über den Autor: 
Ulrich Harmssen ist Direktor Investmentfonds beim Maklerpool Apella. 

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