Altersvorsorge in Deutschland „Steuerfinanzierter Renten-Kapitalstock sinnlos“
Bei der Rente gehe es „darum, sich mit eigener Arbeit eine gute eigenständige Absicherung im Alter zu schaffen“, heißt es im Ergebnispapier der Sondierungen für die erste Ampelkoalition auf Bundesebene. Die beteiligten Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wollen demnach das Mindestniveau der gesetzlichen Rente bei 48 Prozent halten. Außerdem soll das gesetzliche Renteneintrittsalter nicht steigen, was Rentenexperten wie beispielsweise der promovierte Volkswirt Jochen Pimpertz vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vorschlagen.
„Um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der Gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen“, heißt es von den Ampelkoalitionären weiter. Konkret soll die Deutsche Rentenversicherung als größter Träger finanzielle Reserven künftig unter Auflagen auch am Kapitalmarkt anlegen dürfen. In einem ersten Schritt soll die Körperschaft des öffentlichen Rechts „im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro“ erhalten.
„Renten-Kapitalstock sinnlos“
Dieses steuerfinanzierte Renten-Vermögen hält Joachim Ragnitz jedoch für sinnlos: „Das ist keine geeignete Maßnahme zur Sicherung der Nachhaltigkeit der Rentenfinanzen“, sagt der stellvertretende Leiter der Dresdener Niederlassung des Ifo-Instituts. Denn es würden dadurch insbesondere Erwerbstätige zusätzlich belastet. „Wenn der Fonds später aufgelöst wird, bekäme jeder zukünftige Rentner bloß etwa einen Euro pro Monat. Letzten Endes kommt diese Idee kurzfristig nur den Verkäufern von Wertpapieren zugute, denn die Rentenkasse soll die 10 Milliarden Euro am Kapitalmarkt anlegen.“
Hallo, Herr Kaiser!
Der tiefere Sinn eines solchen Kapitalstocks liegt laut Ragnitz darin, Renten zu finanzieren. „Derzeit haben rund 41 Millionen Versicherte in Deutschland einen Anspruch auf spätere Rentenzahlungen. Mit einem Kapitalstock von nur 10 Milliarden Euro kann man also jedem Rentner einmalig etwa 240 Euro auszahlen. Selbst wenn man unterstellt, dass die Rentenversicherung mit dem ihr anvertrauten Geld eine überdurchschnittlich hohe Rendite erwirtschaften könnte, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der keinem Rentner wirklich etwas nützt.“
Um die gesetzliche Rente tatsächlich zu stabilisieren, müsste der Staat laut Ragnitz einen weitaus höheren Kapitalstock aufbauen. Doch das sei aufgrund der derzeitigen Struktur der nach dem Umlageverfahren organisierten Staatsrente schwierig. Eingenommene Beiträge werden nämlich sofort für heutige Rentner ausgegeben. Das mache den Schwenk zur Kapitaldeckung so schwierig. Denn die Generation der aktuellen Steuer- und Beitragszahler sei dann immer doppelt belastet: Mit den Zahlungen für heutige Rentner und für den Aufbau des Kapitalstocks für ihre zukünftige Rente.
Fazit: „Angesichts der aktuellen demographischen Situation kann man das System nicht mehr umstellen“, steht für Ragnitz fest. „Das hätte man – wenn man es gewollt hätte – schon vor 20 oder 30 Jahren angehen müssen. Wichtigste Aufgabe ist es jetzt, die unausweichlichen Belastungen aufgrund des Renteneintritts der geburtenstarken Jahrgänge fair zwischen Rentnern sowie Steuer- und Beitragszahlern aufzuteilen.“ Nach Ansicht des langjährigen Wirtschaftsforschers ist es inzwischen zu spät, um einen „grundlegenden Systemwechsel in der Rentenversicherung“ zu starten.