Stimmen zum Flash-Crash am deutschen Rentenmarkt Ist die Rally bei Bundesanleihen vorbei?
Was war passiert?
Von 0,1 auf über 0,6 Prozent stieg die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen innerhalb von nur sechs Handelstagen – was sich aus Sicht von Aktienanlegern erst einmal nicht weiter dramatisch anhört, ist aus Sicht von Anleiheinvestoren ein historisches Ereignis. Einen solch großen Renditesprung in so kurzer Zeit gab es zuletzt vor knapp 25 Jahren. Für Bewegungen in dieser Größenordnung braucht es normalerweise Wochen oder Monate.
Wie kam es dazu?
Die Renditen von Staatsanleihen sinken seit Jahren und markierten in den vergangenen Monaten immer wieder neue Tiefststände. Vor knapp einem Monat sackten zehnjährige Bundesanleihen auf ein Rekordtief von 0,049 Prozent ab. Diese Entwicklung ist gleichbedeutend mit einer Kursrally am Rentenmarkt, bei der die Anleihekurse immer neue Höhen erklimmen. Begleitet wurde diese Entwicklung durch die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in den vergangenen Jahren: Am 4. September 2014 senkte die EZB den Leitzins zum vorerst letztem Mal auf 0,05 Prozent. Als die EZB am 9. März dann auch noch begann, für monatlich 60 Milliarden Euro europäische Staatsanleihen aufzukaufen, setzte sich bei Investoren endgültig der Glaube fest, dass bei einer Wette auf steigende Kurse bei eben diesen Papieren eigentlich gar nichts mehr schiefgehen kann. Und wie so oft, wenn die meisten Anleger in die gleiche Richtung rennen, steigt die Gefahr, dass das Pendel in die andere Richtung ausschlägt.
Gab es Warnungen?
Ja. In letzter Zeit gab es einige Mahner, die vor einer Trendumkehr am deutschen Rentenmarkt gewarnt hatten. Prominentes Beispiel: Bill Gross. Vor rund zwei Wochen sprach der „King of Bonds“ von einer einmaligen Gelegenheit bei zehnjährigen Bundesanleihen auf fallende Kurse zu wetten.
Auch Heinz-Werner Rapp, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Feri warnte seine Kunden Mitte April in einem Brief vor einer scharfen Korrektur bei deutsche Staatsanleihen.
Wie geht es jetzt weiter?
Für Analysten der französischen Bank Société Générale ist der weltweite Ausverkauf an den Märkten für Staatsanleihen, ausgelöst durch einen Kursrutsch bei den deutschen Bundesanleihen, nur ein „schwarzer Schwan“ – ein überaus unwahrscheinliches Ereignis, dass es statistisch eigentlich nicht geben dürfte, sich aber rückblickend dennoch erklären lässt. Der Crash sei mehr ein technisches Ereignis und ändere nichts an dem längerfristigen Ausblick für weiter fallende Renditen.
Auch Vermögensverwalter Bert Flossbach geht nicht von weiter fallenden Anleiheindizes und damit weiter steigenden Zinsen aus. „Ich erwarte keine Trendwende bei den Zinsen“, sagt er in der Welt am Sonntag. Das Anleiheangebot bleibe weiter knapp, Deutschland werde in den kommenden Monaten nicht mehr Schulden machen, als in den vergangene Jahren und Anleihekaufprogramm der EZB laufe noch bis September 2016. Auf der anderen Seite glaubt Flossbach aber auch nicht, dass die Renditen ihr bisheriges Tief von Mitte April noch einmal unterschreiten. „Selbst wenn wir noch einmal in solche Regionen kommen sollten, werden sich viele Investoren an die vergangenen Tage erinnern. Sie werden es nicht noch einmal überreizen.“ Auch die Investment-Chefs von Oddo Asset Management, Nicolas Chaput und Laurent Denize, sehen vorerst keine Trendumkehr am deutschen Rentenmarkt: Es sei davon auszugehen, dass dem jüngsten Kursrutsch „von gegenläufigen technischen Kräften im Zusammenhang mit den Käufen der EZB Einhalt geboten wird“, schreiben Sie in einem aktuellen Kommentar. „Wir sollten nicht vergessen, dass die Liquiditätsüberschüsse, die heute bei 297 Milliarden Euro liegen, weiter steigen werden: Bei Anleihen mit kurzen Laufzeiten kann es also zu keinen großen Abweichungen kommen.“