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Aktualisiert am 20.03.2020 - 17:44 Uhrin AnalysenLesedauer: 8 Minuten

Stimmen zur EZB-Sitzung „Dann wäre der Weg für höhere Leitzinsen frei“

Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" am ZEW Mannheim

Die Mehrheitsmeinung im EZB-Rat ist weiterhin, dass die Eurozone auf die Stimulanz durch Negativzinsen und Anleihekäufe bis auf weiteres nicht verzichten kann. Nur eine wirklich kräftige Konjunkturerholung könnte ein Umdenken bringen und die ist derzeit noch nicht in Sicht. Die geldpolitische Musik spielt ohnehin in diesem Jahr nicht bei den Zinsentscheidungen, sondern bei der Generalüberprüfung der Strategie. Das Ergebnis der Überprüfung wird darüber entscheiden, ob die Negativzinsen in etwa zwei Jahren enden können oder zum dauerhaften Markenzeichen der Euro-Geldpolitik werden.

Silvia Dall'Angelo, Senior-Volkswirtin bei Hermes Investment Management:

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Die offizielle Ankündigung der EZB hinsichtlich ihrer bevorstehenden Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie – die erste seit 2003 – war wahrscheinlich der aufregendste Aspekt eines ansonsten recht ereignislosen Meetings. Präsidentin Lagarde schlug vor, dass die EZB in die Fußstapfen der US-Notenbank treten und einen integrativen Prozess einführen sollte, an dem Experten, Akademiker, aber auch Interessenvertreter der Zivilgesellschaft beteiligt wären. Sie sagte zudem, dass der Umfang der Überprüfung weitreichend sei, weil sie beeinflusst, wie Inflation, geldpolitische Instrumente und Kommunikation gemessen, wie Überlegungen zum Klimawandel integriert und, was entscheidend ist, wie das Inflationsziel erreicht werden soll.

Jenseits der Oberfläche stellen sich für die EZB größere – und dringendere – Fragen: Sind der Geldpolitik auf dem derzeitigen Niveau die Optionen ausgegangen? Ist die Geldpolitik unter den gegenwärtigen Umständen – wo die Ursachen für eine niedrige Inflation wahrscheinlich eher struktureller als konjunktureller Natur sind – noch wirksam? Oder ist es an der Zeit, einen neuen Ansatz zu entwickeln, der andere politische Entscheidungsträger einbezieht und die bestehende institutionelle Struktur sprengen könnte?

Gleichzeitig trat der geldpolitische Kurs in den Hintergrund, da es bei dem gestrigen Treffen keinen Grund für Anpassungen gab. Die EZB schätzte sogar ein, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen seit dem letzten Treffen zaghaft verbessert haben, was sich in leicht positiveren Aussichten für die externe Nachfrage und nachlassenden internationalen Handelsspannungen widerspiegelt. Darüber hinaus hat sich die Inflation in jüngster Zeit etwas gefestigt, da die Kerninflation im November-Dezember auf 1,3 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit April 2017 gestiegen ist. Zugegeben, die Situation sieht immer noch fragil aus, und die Risiken für die Aussichten werden nach wie vor als eher abwärtsgerichtet beschrieben. Aber Anzeichen für eine zaghafte Verbesserung verbunden mit einer lockeren Geldpolitik im Autopilot-Modus (die EZB bestätigte, dass ihr Programm zum Ankauf von Vermögenswerten mit einem monatlichen Umfang von 20 Milliarden Euro fortgesetzt wird) bedeuten, dass sich die EZB vorerst auf die Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie konzentrieren kann.

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