LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in UnternehmenLesedauer: 6 Minuten

Stimmen zur US-Zinssenkung „Die Panik hat die Fed selbst erreicht“

Seite 2 / 3

„Das letzte Mal, dass die Fed in einer außerordentlichen Sitzung die Leitzinsen gesenkt hat, war am Tag nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers“, sagt Franck Dixmier, Anleihechef bei Allianz Global Investors. Die Situation heute sei aber eine völlig andere. „Aktuell haben wir es mit einem Angebotsschock zu tun, der durch eine Unterbrechung von Lieferketten infolge der in China ausgebrochenen Coronavirus-Epidemie entstanden ist“, so Dixmier. Da die Krise immer globaler werde, könne ein Nachfrageschock folgen.

„Die Finanzmärkte, die in den letzten Jahren aufgrund der Interventionen der Zentralbanken und der reichlich vorhandenen Liquidität Risiken vergessen haben, haben panisch reagiert“, so Dixmier. Dies werde dadurch verstärkt, dass viele Investoren in risikoreiche Anlagen gedrängt wurden, ohne sich der Konsequenzen voll bewusst zu sein. „Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir aber davon aus, dass dies lediglich eine Korrektur ist: Die Aktienmärkte hatten ihre Höchststände erreicht, insbesondere in den Vereinigten Staaten, und befanden sich am Ende des Zyklus“, urteilt Dixmier.

Intervention von Zentralbanken seien in dieser Phase aber nutzlos und sogar schädlich. Die Aufgabe der Fed sei, Preisstabilität und Vollbeschäftigung zu sichern. Beides sei gewährleistet. „Gefährdet die erhöhte Volatilität der letzten Tage die Finanzstabilität? Das kann bezweifelt werden“, so der Anleiheexperte. Ein Nachfrageschock müsse außerdem durch die Finanzpolitik in den Ländern aufgefangen werden. Ein Angebotsschock sei schwieriger zu bewältigen, aber durch eine Zinssenkung nicht zu beheben. „In der Zwischenzeit verbrennt die Fed Munition, die sie im Falle einer schweren Rezession vielleicht noch benötigt“, so Dixmier.

Ob die Zinssenkung Ruhe in die Märkte bringen wird, fragt sich auch Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit. „Die US-Zentralbank – wie auch mittlerweile alle anderen Zentralbanken der Welt – verfolgt seit geraumer Zeit eine Geldpolitik, mit der sie ein Sicherheitsnetz unter die Finanzmärkte und Konjunkturen spannen will“, analysiert Polleit. Eine Rezession solle mit allen Mitteln verhindert werden. Die Politik des Kredit- und Geldmengenvermehrens zu immer niedrigeren Zinsen habe längst zu einer Überdehnung des Geld- und Kreditsystems geführt.

„In der Tat ließe eine erneute Rezession befürchten, dass die Produktions- und Beschäftigungsstrukturen, die weltweit seit der letzten Krise 2008/09 quasi an der Nadel des billigen Geldes hängen, ins Wanken geraten und möglicherweise umstürzen“, schreibt Polleit. Mit oder ohne Coronavirus-Effekt sei eine Abkehr von der Geldpolitik des Zinssenkens und Geldvermehrens daher ohnehin nicht in Sicht. „Und wenn die befürchteten Negativeffekte des Coronavirus sich als überzogen herausstellen sollten, dann kommt die erneute Lockerung einem noch kräftigeren Tritt auf das geldpolitische Gaspedal gleich, der sich wohl kaum wieder zurücknehmen lässt“, so der Volkswirt. Für Anleger bedeute das vor allem, dass die Kaufkraft des Geldes weiter schwinden werde.

Tipps der Redaktion