Idee gegen die Schuldenkrise „Staatsschulden streichen – Baron Münchhausen wäre begeistert“

Einige wenige Experten sprachen bereits vor der großen Finanzkrise 2008/2009 von der „vollständigen Monetarisierung der Staatsschulden“ und waren damit ihrer Zeit deutlich voraus. Unter dem damals für die allermeisten Investoren neuen Begriff verbirgt sich der Erwerb von Staatsanleihen durch die Notenbank. Was früher undenkbar war, wird heute als „Quantitative Easing“ (QE) bezeichnet. Etwas umg...
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Einige wenige Experten sprachen bereits vor der großen Finanzkrise 2008/2009 von der „vollständigen Monetarisierung der Staatsschulden“ und waren damit ihrer Zeit deutlich voraus. Unter dem damals für die allermeisten Investoren neuen Begriff verbirgt sich der Erwerb von Staatsanleihen durch die Notenbank. Was früher undenkbar war, wird heute als „Quantitative Easing“ (QE) bezeichnet. Etwas umgangssprachlicher ausgedrückt und dabei gut auf den Punkt gebracht: Die Zentralbanken drucken Geld und betreiben damit eine Staatsfinanzierung durch die Notenbankpresse.
Die Vorstellung, der Staat braucht mehr Geld und die Notenbank erschafft dieses Geld aus dem Nichts, erinnert manch einen Betrachter an die Märchenfigur des Barons Münchhausen. Dem Baron sind nämlich Dinge gelungen, die andere erst gar nicht versuchen würden. Beispielsweise gelang es Münchhausen der Gefangenschaft durch einen Ritt auf der Kanonenkugel zu entfliehen oder über eine riesige Bohnenpflanze zum Mond hinauf zu klettern.
Ja, er war – zumindest nach eigenen Erzählungen – sogar dazu in der Lage, sich am eigenen Schopf mitsamt seinem Pferd aus dem Sumpf zu ziehen. Hierin könnte eine Parallele zum heutigen Finanzsystem gesehen werden: Denn der aktuell immer häufiger zu hörende Vorschlag, die massive Staatsschuldenlast zu senken, indem etwa die Europäische Zentralbank einen (Groß-)Teil der von ihr erworbenen Anleihen einfach wegstreicht, wirkt auf den ersten Blick genial einfach, bei genauerer Betrachtung dann aber doch überaus tollkühn.
Steigende Zahl von Anhängern
Im Zuge der aktuell sehr aufgeblähten Haushaltsdefizite und der ausufernden Staatsschulden gewinnt das Thema Schuldenerlass mehr und mehr an medialer Beachtung. Riccardo Fraccaro, enger Vertrauter des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte und Mitglied seiner Regierung, hat erst jüngst einen Schuldenerlass für die von der Corona-Pandemie neu geschaffenen Staatsschulden vorgeschlagen. Ein solches Ansinnen aus der italienischen Politik mag nicht überraschen. Etwas anders sieht dies schon bezüglich einer Gruppe von hundert europäischen Volkswirten aus – unter ihnen der französische Starökonom und bekannte Buchautor Thomas Piketty („Das Kapital im 21. Jahrhundert“) – die im Februar 2021 in einem offenen Brief für eine Streichung aller von der EZB gehaltenen Staatsanleihen plädierten.
Darüber hinaus haben sich auch renommierte Investoren, wie zum Beispiel Mark Dowding, Chief Investment Officer der auf Anleihen spezialisierten Londoner Investmentfirma Bluebay, für einen Schuldenerlass mittels Auslöschen von Staatsanleihen durch die weltweit führenden Zentralbanken ausgesprochen. Hierzu hat Dowding einen Gastbeitrag in der Financial Times veröffentlicht, der in sich schlüssig argumentiert ist. Rein technisch betrachtet wäre es demnach möglich, die Schuldenlast auf diese Art und Weise zu senken.
Schuldenschnitt – technisch möglich und schlüssig
Auf den ersten Blick ist die Argumentation für einen Staatsschuldenerlass auch durchaus nachvollziehbar. Ein derartiger großer Schuldenschnitt würde keinem wehtun, da lediglich die Notenbanken enteignet würden, die anschließend weniger Eigenkapital in ihren Bilanzen stehen hätten. Private Investoren würden nicht geschädigt werden. Gleichzeitig würde dieser Schritt eine Normalisierung der Geldpolitik ermöglichen.
Mit niedrigeren Staatsschulden könnten die Zentralbanken ihre QE-Programme – also den Kauf von Staatsanleihen im Sekundärmarkt – beenden und die Zinsen wieder erhöhen, ohne dass dadurch ein Kollaps des Finanzsystems ausgelöst würde. Die (Finanz-)Welt wäre wieder zurück in der Zeit vor der Finanzkrise 2008/2009. Die wachsende soziale Ungleichheit der letzten zehn Jahre, die auch durch die Vermögenspreisinflation, ausgelöst vom niedrigen Zinsumfeld, verursacht worden ist, könnte damit unter Kontrolle gebracht werden. Die Argumentation klingt zunächst schlüssig. Der Schuldenerlass scheint machbar und vielleicht sogar vernünftig.



