Ifo-Studie über Einkommensgleichheit
Warum die OECD nicht ganz richtig liegt
Ifo-Wissenschaftler (von links): Paul Hufe, Andreas Peichl, Daniel Weishaar Foto: Ifo-Institut
Laut OECD-Studie hat man in Deutschland mehr Geld, je reicher man geboren wird – vereinfacht ausgedrückt. Drei Wissenschaftler des Ifo-Instituts in München haben die Studie einer Probe unterzogen. Das – etwas relativierende – Ergebnis lesen Sie hier.
Wir sprechen also über einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren. Legt man allerdings der Berechnung der Generationenstatistik die IGE-Messungen der anderen betrachteten Studien zugrunde, dauert es lediglich zwischen zwei und vier Generationen, bis ausgehend von einem geringen Einkommen das Durchschnittseinkommen erreicht würde (vgl. Abb. 2).
Ein grundsätzlicher Einwand (neben der fraglichen Größenordnung) gegen die von der OECD präsentierte Generationenstatistik ist, dass die IGE nur ein Maß der Korrelation zwischen den Einkommen der Generationen ist und kein kausaler Parameter. So würde sich eine hypothetische exogene Einkommenserhöhung für die Väter im unteren Einkommensbereich nicht...
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Wir sprechen also über einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren. Legt man allerdings der Berechnung der Generationenstatistik die IGE-Messungen der anderen betrachteten Studien zugrunde, dauert es lediglich zwischen zwei und vier Generationen, bis ausgehend von einem geringen Einkommen das Durchschnittseinkommen erreicht würde (vgl. Abb. 2).
Ein grundsätzlicher Einwand (neben der fraglichen Größenordnung) gegen die von der OECD präsentierte Generationenstatistik ist, dass die IGE nur ein Maß der Korrelation zwischen den Einkommen der Generationen ist und kein kausaler Parameter. So würde sich eine hypothetische exogene Einkommenserhöhung für die Väter im unteren Einkommensbereich nicht unbedingt auf die Einkommen der Kinder übertragen. Die Berechnung der Generationenstatistik erfordert jedoch einen solchen kausalen Zusammenhang. Diesen zu schätzen, ist schwer bis unmöglich (Kinder müssten randomisiert auf Eltern verteilt werden, vgl. Björklund 2014).
Darüber hinaus (bzw. selbst wenn die IGE ein kausaler Parameter wäre) ist die Generationenstatistik zwar illustrativ, aber aufgrund der dabei getroffenen Annahmen insgesamt dennoch unpassend, um intergenerationelle Mobilität adäquat zu beschreiben:
- Zunächst vermischt die Statistik die Einkommensmobilität (IGE) mit der relativen Differenz zwischen den Einkommen im untersten Dezil und dem durchschnittlichen Einkommen in der betrachteten Gesellschaft. Ist dieser Abstand hinreichend groß, kann es trotz einer möglicherweise geringen intergenerationellen Persistenz der Einkommen mehrere Generationen dauern, bis die Nachfahren niedriger Einkommensbezieher zum Durchschnitt konvergieren.
- Auch die Annahme eines über Generationen hinweg konstanten Abstandes zwischen den Einkommen am untersten Dezil und dem Durchschnittseinkommen ist vor Hintergrund der Ungleichheitsentwicklung in den jüngeren Dekaden nicht zu halten.
- Selbiges gilt für die Annahme einer konstanten Einkommenselastizität über den gesamten Verlauf der Einkommensverteilung. Wie bereits oben angesprochen, ist die Persistenz der Einkommen am unteren Einkommensende unterdurchschnittlich. Durch diese nicht-lineare Veränderung der IGE über die Einkommensverteilung müsste sich auch von Generation zu Generation die „Geschwindigkeit“ ändern, mit derer sich die Nachkommen dem Mittelwert der Einkommensverteilung annähern (vgl. Bratsberg et al. 2007; Schnitzlein 2016).
Alternative Methodische Ansätze
Ungeachtet der methodischen Kritik an den Berechnungen der OECD stellt sich insgesamt die Frage, welche politischen Schlussfolgerungen aus Maßen wie der IGE und der Generationenstatistik gezogen werden können.
Bei der IGE handelt es sich um einen rein korrelativen Zusammenhang, der nichts über die Hintergründe oder die zugrunde liegenden Mechanismen einer hohen oder niedrigen Einkommenspersistenz aussagt. So kann eine niedrige Einkommensmobilität unter anderem durch die genetische Vererbung von Merkmalen oder durch im Rahmen der Sozialisation erlernte Unterschiede in den Fähigkeiten begründet sein. Je nach Sachlage würden sich die daraus entstehenden Schlussfolgerungen im Hinblick auf angemessene Politikmaßnahmen radikal voneinander unterscheiden. Daher ist die IGE selbst bei einer korrekten und konsistenten Berechnung bei der Suche nach geeigneten Politikmaßnahmen zur Herstellung von Chancengerechtigkeit wenig hilfreich. Leider gibt es im hier diskutierten OECD-Bericht nur wenige Ansätze, die Wirkungsmechanismen hinter der berechneten Elastizität zu durchdringen. Zwar führt die OECD eine Dekompositionsanalyse der IGE für einige Länder durch, Deutschland wird in diese Analyse jedoch nicht einbezogen.
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