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Superwahl-Sonntag: Sparkurs in Gefahr

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Das fallende BIP erschwert die Erreichung der ohnehin ambitionierten Sparziele zusätzlich, da die Defizitquoten stets in Prozent des BIP definiert sind. Gleiches gilt auch für die Schuldenquoten. Schrumpft das zugrundeliegende BIP, steigt die Verschuldung in Prozent der Wirtschaftsleistung um mehr als das Defizit.



Verfehlen von Defizitzielen nicht drakonisch ahnden

Wenngleich die bislang aufgelegten Sparprogramme ohne Alternative sind und eine Wachstumsdämpfung in Kauf genommen werden muss, sollte das Verfehlen von Defizitzielen nicht mit zusätzlichen Ausgabenkürzungen sanktioniert werden. Aus unserer Sicht droht ansonsten eine weitere Verschärfung der Schuldenkrise:

  • Die Peripherieländer der Eurozone verbesserten ihre strukturellen Primärbilanzen (Öffentliches Budget bereinigt um Zinszahlungen, Einmalzahlungen und konjunktureller Schwankungen) bereits deutlich. Griechenland weist mittlerweile den größten strukturellen Primärbilanzüberschuss aller OECD-Länder aus. Zusätzlich Ausgabekürzungen sind beim Vorliegen von strukturellen Primärbilanzüberschüssen kontraproduktiv.
  • Die Finanzmärkte reagieren mittlerweile auf Sparmaßnahmen zunehmend skeptisch. Beispiel Spanien: Im Anschluss an die von Premier Rajoy angekündigten zusätzlichen Kürzungen Mitte April stiegen die Risikoaufschläge spanischer Staatsanleihen. Die höheren Zinszahlungen erschweren die Budgetkonsolidierung zusätzlich.
  • Weitere Ausgabenkürzungen führen zu einer höheren Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung. Soziale Unruhen erhöhen den Zulauf zu extremistischen Parteien. Mit dem höheren Stimmengewicht EU-feindlicher Gruppierungen wird die Konsolidierung der Staatsfinanzen unter Umständen unmöglich.

Strukturreformen notwendig

Der Ruf nach einem europäischen Wachstumspakt dürfte nach den griechischen Wahlen noch grösser werden. Impulsgeber war EZB-Präsident Mario Draghi, der striktes Sparen nicht länger als Allheilmittel gegen die Schuldenkrise sieht. Mittlerweile unterstützen eine ganze Reihe von europäischen Spitzenpolitikern diese Forderungen. Wachstumsfördernde Massnahmen müssen aber nicht zwangsläufig höhere Ausgaben bedeuten. Strukturreformen sind im besten Falle ausgabenneutral, können aber wichtige Wachstumsimpulse liefern. Hierzu zählen vor allem Arbeitsmarkt- und Sozialversicherungsreformen:

  • Lockerung des Kündigungsschutzes, insbesondere in Spanien und Italien.
  • Senkung der Lohnnebenkosten und Erhöhung der Lebensarbeitszeit.
  • Investitionen in Bildung und Forschung.

Viele Ökonomen bezweifeln den Erfolg von Strukturreformen. Einerseits kämen die Reformen zu spät, andererseits würden durch Lockerungen des Kündigungsschutzes die Arbeitslosigkeit und die Sozialkosten deutlich steigen, so die Einwände. Um dies zu vermeiden, müssen Strukturreformen als konzertierte Aktion in der gesamten Eurozone vollzogen werden – auch in vermeintlich gesunden Ländern. Trotz Arbeitsmarktreformen ist etwa das Kündigungsschutzgesetz in Deutschland nach wie vor äußerst rigide. Wenn in den zwei größten Volkswirtschaften der Eurozone, Deutschland und Frankreich, neue Wachstumsimpulse generiert werden, profitieren davon auch die angeschlagenen Länder der Peripherie.

Erst wenn die Bevölkerung in Form zunehmender Beschäftigung den Erfolg der Mühen spürt, kann ein nachhaltiger Konsolidierungskurs von Griechenland, Portugal und Spanien gesichert werden.