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SYZ Asset Management „Trump und Co. pokern um die Wirtschaftsmacht“

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Die Politik bestimmt die Wirtschaft

Die Weltwirtschaft gleicht derzeit einem großen Pokertisch, an dem mehrere Spiele mit hohen Einsätzen gespielt werden. Das wichtigste wird zwischen den USA und China ausgetragen. Beide Seiten sind bereit, die Einsätze zu erhöhen, um die andere Partei dazu zu zwingen, Farbe zu bekennen. Für Donald Trump ist dieses Spiel eine Möglichkeit, vor den Halbzeitwahlen Stärke und Härte zu zeigen, indem er eine weitere Runde von Zöllen für chinesische Güter im Wert von 200 Milliarden US-Dollar vorschlägt. Zugleich behauptet er aber laut und deutlich, dass er den freien Handel verteidige.

Chinas Taktik scheint darin zu bestehen, leise und ruhig aufzutreten, um die eigene Position zu verteidigen, ohne konfrontativ zu erscheinen. Das Land hebt die eigenen Zölle erst nach den USA an – auf eine rein reziproke Weise –, bevorzugt Alternativen zu US-Importen und schaut unterdessen mit unschuldiger Miene zu, wie der Yuan gegenüber dem US-Dollar fällt.

Dies ist aber nicht das einzige Spiel, in dem derzeit geblufft wird. In Europa gleichen die (nicht stattfindenden) Verhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union (EU) ebenfalls einem Pokerspiel. Hier übt die EU maximalen Druck aus, während die britische Premierministerin Theresa May versucht, einen Spagat zu vollziehen – mit einem „hart-weichen Brexit-Deal“, der weder für die Brexit-Befürworter in Großbritannien noch für die EU akzeptabel ist.

Zugleich laufen aber auch noch einige kleinere Pokerspiele: In der Türkei geht es zwischen Erdogan und dem Devisenmarkt darum, ob die Zentralbank die Zinssätze anheben sollte. In Mexiko hat der gewählte Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO) die Anleger offenbar überzeugt, dass er nicht der marktfeindliche linksextreme Regierungschef ist, den viele gefürchtet hatten – Bluff oder kein Bluff?

Wachstum weiterhin erfreulich

Die von den laufenden Pokerspielen verursachten Unsicherheiten sind ein Risiko für die globalen Aussichten, da die negative Stimmung das positive Wachstum belasten könnte. Unter der turbulenten Oberfläche ist das Wachstum im Großteil der Weltwirtschaft allerdings immer noch ganz gut, da die Binnennachfrage die Aktivität in den Industrieländern unterstützt. Während die Produktions- und Beschäftigungslücken weltweit allmählich schrumpfen, tendiert die Inflation, unterstützt von den Öl- und Rohstoffpreisen, leicht aufwärts. Abgesehen von einigen sehr spezifischen Fällen ist der Inflationsdruck jedoch nach wie vor sehr mild und rechtfertigt kein Eingreifen der Zentralbanken.

Ohne große Inflation wird die Haltung der Zentralbanken von ihrem Vertrauen auf die Wachstumsaussichten bestimmt. Die Federal Reserve (Fed) ist zuversichtlich genug, um die Normalisierung der kurzfristigen Zinssätze fortzusetzen, die Europäische Zentralbank (EZB) jedoch nicht. Sie ist entschlossen, die Zinssätze so bald nicht anzuheben.

Gemäß den Echtzeitschätzungen des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist die US-Wirtschaft im Frühjahr annualisiert um 3 Prozent oder möglicherweise mehr gewachsen. Dieses kräftige Wachstum war sehr endogen, denn die privaten Konsumausgaben wurden durch die niedrige Arbeitslosigkeit gestützt und die Unternehmensinvestitionen durch Steuersenkungen und die Erwartung, dass sich der aktuelle Zyklus fortsetzt. Darüber hinaus sind die längerfristigen Inflationserwartungen nach wie vor gut verankert, obwohl die jährlichen Inflationsraten zuletzt angezogen haben. In einem solchen Umfeld ist die Aufgabe der Fed geradezu einfach: Es gibt keinen Grund, die Zinserhöhungen im Augenblick nicht fortzusetzen, solange die Wachstumsdynamik stark bleibt. Und ohne zugrunde liegende Inflation ist es nicht nötig, die Geldpolitik aggressiv und schneller zu straffen. Die Fed ist nicht mehr hinter den Entwicklungen zurück, und eine Zinserhöhung in Verbindung mit Aufwärtskorrekturen der Wachstums- und Zinsprognosen wurde als völlig gerechtfertigt angesehen. Deshalb bewegten sich die Finanzmärkte kaum.

In der Eurozone ist die Situation weniger eindeutig: Die Unternehmensinvestitionen haben im Laufe der ersten Jahreshälfte abgebremst, da die Unternehmen mit Gegenwinden wie einem stärkeren Euro und Zolldrohungen der USA konfrontiert sind und das Geschäftsklima durch Unsicherheiten über die Entwicklung des Welthandels untergraben wird. Sinkende Arbeitslosenquoten und günstige Kreditkonditionen unterstützen dagegen den Binnenkonsum. Dies zeigte sich auch in der Erholung des Dienstleistungssektors im Juni. Diese unsichere Situation, in einem Umfeld, in dem die Inflation ebenfalls an Dynamik verliert, ist der Grund für das vorsichtige Signal der EZB im Juni. Interessanterweise ist der Konjunkturzyklus in europäischen Ländern außerhalb der Eurozone, zum Beispiel in der Schweiz oder in Schweden, immer noch stark und wird von der Abschwächung ihrer Währungen unterstützt.

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