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Tapering-Zweifel EZB wird bei QE keine halben Sachen machen

Lesedauer: 4 Minuten
Mehr als zwei Drittel der Teilnehmer an einer Umfrage von Bloomberg sind der Ansicht, dass die EZB ihre quantitative Lockerung (QE) wie geplant im September 2016 einstellen wird. Die meisten rechnen dabei nicht mit einer sukzessiven Drosselung des Ankaufvolumens, was im Fachjargon „Tapering“ genannt wird. Nach Auffassung der übrigen Volkswirte wird die EZB ihr Programm stückchenweise zurückschrauben, wobei der erwartete Endtermin von Dezember 2016 bis Dezember 2017 reicht.

Der massive Schub durch rekordniedrige Finanzierungskosten, den schwächeren Euro und günstigere Energie heizt Spekulationen an, wie schnell die EZB ihr Inflationsziel erreichen und das 1,1 Billionen Euro schwere QE-Programm stoppen könnte, das erst seit März läuft. Die Risiken im Zusammenhang mit einer geldpolitischen Straffung wurden 2013 ersichtlich: Damals hatte die Federal Reserve in den USA die Bereitschaft zur Drosselung ihres QE signalisiert, was die Volatilität an den globalen Märkten stark anziehen ließ.

„Wenn die Inflation vor dem Sommer 2016 wieder die richtige Richtung einschlägt, könnte man argumentieren, dass im Mai ein gewisses Tapering vorgenommen wird. Aber dann werden sie wahrscheinlich ihr Ziel bei der Bilanzausweitung verfehlen“, sagt Julien Manceaux, leitender Ökonom bei ING Belgium in Brüssel. „Darum glauben wir nicht, dass es vor der Beendigung des Programms ein Tapering geben wird.“

Um die Inflation anzukurbeln, will die EZB ihre Bilanzsumme auf etwa 3,1 Billionen Euro ausweiten, verglichen mit derzeit rund 2,3 Billionen Euro. Dieses Ziel will die Zentralbank auch durch den Ankauf von Staatsanleihen, Schuldpapieren von Institutionen und Wertpapieren aus dem Privatsektor erreichen. Das von der EZB angepeilte Volumen wird nach Einschätzung der befragten Ökonomen 2016 übertroffen werden und bis zum Ende desselben Jahres 3,4 Billionen Euro erreichen.

Hinweise auf das Tempo der Konjunkturerholung im Euroraum werden Daten in dieser Woche liefern: Die Inflationsrate dürfte im April wieder auf null steigen - nach vier Monaten mit fallenden Verbraucherpreisen. Bei der Arbeitslosenquote wird mit dem niedrigsten Stand seit drei Jahren gerechnet und das Wirtschaftsvertrauen sollte das höchste Niveau seit 2011 erreichen, ergaben separate Befragungen.

In der Zentralbank-Umfrage erklärten 46 Prozent der Ökonomen, dass QE ohne Tapering im September 2016 enden wird. Einen schrittweisen Abbau des Kaufvolumens, jedoch denselben Endtermin, erwarten 23 Prozent der Befragten. Keiner der Umfrageteilnehmer rechnet mit einem QE-Stopp vor September 2016.

EZB-Präsident Mario Draghi hat nach der Ratssitzung vom 15. April Spekulationen über ein früheres Ende von QE heruntergespielt. „Ich bin, offen gesagt, recht überrascht, welche Aufmerksamkeit ein früher Ausstieg aus dem Programm erhält“, sagte Draghi. „Es ist als ob man sich nach einem Kilometer fragt, ob man diesen Marathon zu Ende laufen will.“

Dennoch wird Draghi sich wohl auf Fragen zu QE einstellen müssen, wenn die Konjunktur weiter an Dynamik gewinnt. Mehr als zwei Drittel der Befragten erwarten, dass sich der Konjunkturausblick kurzfristig verbessern wird. „Die EZB hat keinen Grund, derzeit Spekulationen um einen vorzeitigen Ausstieg anzuheizen“, sagt Duncan de Vries, Ökonom bei NIBC Bank NV in Den Haag. „Aber mit einer langsam anziehenden Inflationsrate, besseren Daten zur Kreditvergabe und Signalen für eine stärkere Wirtschaftsaktivität ist es eine natürliche Reaktion des Marktes, den Willen der EZB, aggressiv zu handeln, in Frage zu stellen.“

Ökonomen erwarten, dass 70 Prozent der gesamten Aktiva-Käufe auf Staatsanleihen, 15 Prozent auf Covered Bonds, zehn Prozent auf Papiere von Institutionen und der Rest auf forderungsbesicherte Papiere entfallen werden. Die Befragten sehen im Median zudem eine Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent, dass die Notenbank auch Unternehmensanleihen kaufen wird.

Der Rückgang des Euro, der die Exporte verbilligt und dadurch der Konjunkturerholung hilft, sei noch nicht vorbei, sagen 88 Prozent der Befragten. Die europäische Gemeinschaftswährung ist gegenüber dem Dollar seit Mai, als Draghi die Bereitschaft zu mehr Stützungsmaßnahmen signalisierte, um mehr als 20 Prozent gesunken und notierte am Montag bei etwa 1,085 Dollar. Der Euro wird den Tiefpunkt etwa bei der Parität mit der US-Währung erreichen, lautet die Median-Prognose.

EZB-Direktoriumsmitglied und Chef-Ökonom Peter Praet sagte in der vergangenen Woche in Berlin, der Euroraum erlebe „die Anfänge einer zyklischen Erholung, aber noch keine strukturelle“. „Eine eher starke Wirtschaftserholung wird die Diskussionen über ein vorzeitiges Tapering intensivieren“, erwartet Christopher Matthies, Ökonom bei der Sparkasse Südholstein in Neumünster. „Wir gehen nicht davon aus, dass dies die Mehrheitsposition im EZB-Rat sein wird.“

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