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Taylor Wessing: „Alle Versicherer werden Chat GPT einsetzen“

Künstliche Intelligenz (KI) kann die Gesellschaften weltweit tiefgreifend verändern – auch negativ, warnen die Forscher des Future of Life Institute mit Büros in den USA und Europa. Bei einem aktuellen Online-Aufruf haben sie bereits mehr als 3.100 Unterschriften gesammelt. Darunter sind auch beispielsweise Apple-Mitgründer Steve Wozniak und Elon Musk, Chef von Space X, Tesla und Twitter.
Dem Appell zufolge dürften weitere Fortschritte zukünftig nur mit hoher Sorgfalt verfolgt werden. „Leistungsstarke KI-Systeme sollten erst dann entwickelt werden, wenn wir sicher sind, dass ihre Wirkung positiv und ihre Risiken überschaubar sind.“ Denn jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um das sogenannte Training neuer KI-Systeme unverzüglich für mindestens ein halbes Jahr zu unterbrechen.
KI oft unsicher, intransparent, kaum vertrauenswürdig

„Dies bedeutet keine Pause bei der KI-Entwicklung im Allgemeinen, sondern lediglich einen Rückzug aus dem gefährlichen Wettlauf zu immer größeren, unvorhersehbaren Black-Box-Modellen mit aufstrebenden Fähigkeiten“, stellen die Initiatoren klar. Die Entwickler sollten sich demnach zunächst einmal um heutige KI-Systeme kümmern. Diese seien oftmals unsicher, intransparent und kaum vertrauenswürdig.
Anforderungen für Einsatz von KI bei Versicherern
Das meint auch Torsten Oletzky, Professor am Institut für Versicherungswesen der Technischen Hochschule Köln. Er sieht zwar kaum Erfolgschancen für das von Musk, Wozniak und Co geforderte KI-Moratorium, berichtet versicherungswirtschaft-heute.de. Und für die Assekuranz sei wichtig, dass die per KI-Hilfe getroffenen Entscheidungen und Ergebnisse nachvollziehbar sind, zitiert ihn versicherungsjournal.de.
Eine „neue Ära der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit“
KI ändert sich gerade fundamental, meint auch Jonas Andrulis. Der Gründer und Geschäftsführer des KI-Unternehmens Aleph Alpha sieht eine „neue Ära der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit“ mit einem ähnlich großen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum wie die Erfindungen Dampfmaschine oder Elektrizität. „Die Frage ist nicht, ob diese Entwicklung stattfindet, sondern nur, ob wir sie aktiv mitgestalten wollen.“
„Wenn wir die KI nicht selbst bauen können, wird unsere Welt fremdbestimmt werden“, sagte Andrulis bei einer öffentlichen Expertenanhörung des Bundestagsausschusses für Digitales (siehe Video oben). Konkret geht es dort derzeit um einen Entwurf für eine EU-Verordnung zur KI-Regulierung. Diese verfolge einen „risikobasierten Ansatz“, lobte bei der Sitzung im vorigen Herbst Joachim Bühler, Geschäftsführer beim Tüv-Verband.
EU-Verordnung soll Künstliche Intelligenz regulieren
Reguliert werde von Brüssel demnach lediglich der Hochrisikobereich, der einen Anteil von 5 bis 15 Prozent habe, sagte Bühler. Dass die neuen Regeln dagegen mehr als die Hälfte der KI-Projekte ausbremst, warnen jetzt die Autoren einer Studie der Münchener Initiative Applied AI, die nach Angaben der Deutschen Presseagentur am Dienstag vom bayerischen Digitalministerium veröffentlicht wird.
„Nahezu alle Versicherer werden 2025 KI einsetzen“
Das neue Gesetz würde zwar nur europaweit gelten, aber weltweit Standards setzen. Das beobachtet auch Deutschlands Assekuranz sehr genau. Denn: „Künstliche Intelligenz bietet für Versicherer viele nützliche Einsatzpunkte“, zitiert Versicherungsmonitor.de aktuell Gunbritt Kammerer-Galahn. „In den nächsten zwölf bis 24 Monaten werden nahezu alle Versicherer diese Technologie einsetzen.“
Doch: „Noch sind allerdings nicht alle rechtlichen und regulatorischen Fragen geklärt“, sagt die Leiterin der Versicherungspraxis bei der Kanzlei Taylor Wessing in Deutschland mit Blick auf die geplante EU-Verordnung zu KI. In den Startlöchern steht hierzulande bereits die Deutsche Familienversicherung. „Wir wollen auch mit Chatbots wachsen“, sagt Vorstandschef Stefan M. Knoll. Dabei setze man auf Erfahrungen mit der Amazon-KI Alexa.
Versicherer in der Schweiz testen bereits Chat GPT

Aktuell testet auch der Versicherer Zurich, wie man KI im Betriebsalltag einsetzen kann. Sie biete den Gesellschaften „eine enorme Effizienz“ bei Routineaufgaben wie dem Filtern von Informationen aus langen Dokumenten, zitiert die britische Tageszeitung Financial Times aktuell Ericson Chan. Der Experte für digitale Unternehmensprozesse verantwortet bei der Zurich IT-Betrieb und -Dienstleistungen.
Laut dem studierten Computerwissenschaftler Chan sollten Programme wie das derzeit viel diskutierte Chat GPT bei dem international tätigen Versicherungskonzern „keinen Entwickler ersetzen“. Es könne aber als „Co-Pilot“ die Arbeit der Menschen viel effizienter machen. Konkret lasse man Kollege Computer beispielsweise Schadensmeldungen nach speziellen Suchbegriffen durchforsten.
Chat GPT verändert herkömmliche Berufsbilder
Die Abkürzung GPT in dem Produktnamen des kalifornischen High-Tech-Unternehmens Open AI steht für Generative Pretrained Transformer. Hierbei handelt es sich um eine KI-Anwendung, die auf riesige Textmengen zurückgreifen kann, um auf deren Basis konkrete Fragen zu beantworten: Die Software durchforstet große Datenmengen nach Mustern und zieht daraus Schlussfolgerungen.
Allerdings sind die so getroffenen Detailangaben nicht unbedingt immer auch korrekt. Nichtsdestotrotz könnte der Chatbot zukünftig beispielsweise personalintensive Callcenter ersetzen, die auch für Versicherer ein großer Kostenblock sind. Deren Experten könnten mehr Routineaufgaben an die Technik abgeben und sich stattdessen stärker auf schwierige Sonderfälle konzentrieren.
Die neue Technik habe damit das Potenzial, viele herkömmliche Berufsbilder zu verändern, erklärt Patrick Glauner. Der promovierte Philosoph arbeitet aktuell als Professor an der Technischen Hochschule Deggendorf und beschreibt die möglichen Folgen für deutsche Versicherer in der aktuellen Ausgabe des Digital Insurance Podcast (siehe auch eingebetteter Podcast oben).
Helvetia nutzt Chat GPT für neuen Kundenservice
Aktuell hat beispielsweise Helvetia mitgeteilt, als weltweit erster börsennotierter Versicherer Chat GPT für den direkten Kundenkontakt in der Schweiz auszutesten. „Der Service nutzt die KI, um Kundenfragen zu beantworten“, berichtet das Unternehmen. Die Software greift auf Inhalte von Internetseiten der Helvetia Schweiz zurück – beispielsweise auf Produkteseiten oder Ratgeberbeiträge.
„Noch hat der Service experimentellen Charakter; langfristig soll er den Zugang zu Versicherungs- und Vorsorgeprodukten vereinfachen.“ Zuvor aber werten Forscher der Hochschule Luzern aus, wie die Kunden ihre digitale Assistentin Clara finden. Die Helvetia stellt allerdings klar: „Der Chatbot ersetzt in keiner Weise ein individuelles Beratungsgespräch mit einer Fachperson.“