Weiterhin nicht zu hohe KGVs Warum die Tech-Branche eine Premium-Bewertung verdient
Schwankungen sind ein fester Bestandteil der Aktienmärkte. In diesem Sommer waren sie allerdings besonders ausgeprägt. Gründe für den zwischenzeitlichen Ausverkauf waren unter anderem Sorgen um die Aussichten für die US-Wirtschaft und die vehemente Auflösung von Yen-Carry-Trades. „Darüber hinaus fürchteten die Marktteilnehmer aber auch, dass die enormen Summen, die in künstliche Intelligenz geflossen sind, letztlich keine entsprechenden Erträge abwerfen“, sagt Daniel Morris, Chef-Marktstratege bei BNP Paribas Asset Management.
Viele Unternehmen haben massiv in KI investiert. Sie erwarten, dass die Technologie ihr Geschäft radikal verändert. „Wir wissen nicht, inwieweit das der Fall sein wird“, gibt Morris zu bedenken. Er verweist aber auf die Erfolgsbilanz der US-Technologieunternehmen bei den Investitionsrenditen: „Die Investitionsausgaben sind in den letzten zehn Jahren gestiegen und die Gewinne haben sich weitgehend im Gleichschritt entwickelt.“
Cloud-Anbieter investieren massiv
Der Experte geht davon aus, dass die großen US-amerikanischen Cloud-Service-Anbieter im Gesamtjahr 2024 zusammen mehr als 150 Milliarden US-Dollar ausgeben könnten. „Wenn wir andere große Unternehmen einbeziehen, die KI-Infrastrukturen aufbauen, könnte sich die Summe auf über 200 Milliarden US-Dollar belaufen. Das wäre ein Wachstum von mehr als 50 Prozent gegenüber 2023.“
Diese Investitionen fließen in Sektoren mit erheblichem Wachstumspotenzial wie Übersetzungen und Programmierung. „Die Nutzung der zugrunde liegenden Modelle erfordert jedoch erhebliche Investitionen in Rechenzentren. Deren Wachstum wird sich aufgrund der KI-Investitionen voraussichtlich beschleunigen“, sagt Morris und verweist auf Prognosen der IT-Unternehmensberatung Gartner. Ihnen zufolge könnten KI-Server im Jahr 2024 den Großteil der gesamten Serverausgaben von Hyperscalern ausmachen – einer Art von Großrechenzentren, die massive Rechenressourcen bieten. „Gartner hat kürzlich seine Wachstumsprognose für die Investitionen in Rechenzentren im Jahr 2024 von 10 Prozent im April auf aktuell 24 Prozent mehr als verdoppelt“, erläutert Morris (siehe Grafik).
Grafik: Investitionen in Datenzentren legen deutlich zu
Die höchsten Renditen dürften jedoch die Unternehmen erwirtschaften, die über die Infrastruktur hinaus KI-gestützte Anwendungen entwickeln, die sich auf breiter Ebene durchsetzen.
Hohe Bewertungen, aber auch starke Gewinne
Auch wenn ein robustes Gewinnwachstum erwartet wird – die Konsensschätzungen für den technologielastigen US-Index Nasdaq 100 gehen von einem durchschnittlichen Plus in Höhe von 17 Prozent in den nächsten drei Jahren aus – erscheinen die Bewertungen von Tech-Aktien derzeit relativ hoch.
„Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 26x liegt nahe am oberen Ende der Bewertungen der vergangenen 20 Jahre – auch wenn es niedriger ist, wenn man die extremen Niveaus während der Technologieblase der späten 1990er-Jahre mit einbezieht. Im Jahr 2000 lagen die Bewertungen beim 48-fachen, bei Ausreißern waren sie sogar mehr als doppelt so hoch“, zieht Morris den Vergleich.
Dieser Anstieg der Bewertungen spiegelt aus seiner Sicht die zunehmende Fähigkeit der im Index enthaltenen Unternehmen wider, Gewinne zu erwirtschaften. „Die Eigenkapitalrendite ist von 16 Prozent auf dem Höhepunkt der Technologieblase auf heute fast 26 Prozent gestiegen – das rechtfertigt eine höhere Bewertung.“
Technologiesektor verdient Premium-Bewertung
Das soll nicht heißen, dass die Bewertungen keine Herausforderung darstellen, betont Morris. Aber: „Wir sind immer noch in der Lage, für unsere aktiv verwalteten Technologiefonds attraktive Investments zu finden. Das gilt selbst in hoch bewerteten Branchen wie Halbleiter, E-Commerce und Software.“
Auf Indexebene hält der Experte die Bewertungen im Nasdaq nicht für extrem, insbesondere angesichts des Potenzials für Gewinnwachstum und freien Cashflow.
„Zugegebenermaßen sehen die Gesamtbewertungen jetzt vielleicht weniger überzeugend aus als in den letzten Jahren“, schränkt Morris ein. „Wir sind jedoch der Meinung, dass der Technologiesektor eine Premium-Bewertung verdient, da das Umsatzwachstum schneller und die Cashflow-Generierung stärker ist als bei vielen Unternehmen auf dem breiten Markt.“