Da verlor die Aktie vom Chiphersteller Nvidia zuletzt doch tatsächlich innerhalb von drei Tagen über 600 Milliarden US-Dollar an Wert. Der Anfang vom Ende, Dramarama! So zumindest wurde es in vielen Börsenbriefen kommentiert. Kein Wort davon, dass der Wert zuvor um Billionen gestiegen war, und auch jetzt kein Wort davon, dass am nächsten Tag schon wieder ein Zuwachs von 250 Milliarden US-Dollar zu Buche stand. Passt halt nicht zur Story von der Übermacht der Tech-Werte, den viel zu hohen Bewertungen und überhaupt ist’s wie damals mit der New Economy Blase.

Bewertung von Techwerten: nicht günstig, aber auch nicht zu hoch 

Aber sehen wir uns das doch mal genauer an. Sind Tech-Aktien wirklich teurer? Ist ihr Anteil am Index zu hoch?

Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), sind die meisten Techunternehmen nicht teurer als vor drei oder vier Jahren. Das bedeutet also, dass nicht nur die Kurse gestiegen sind, sondern eben auch die Gewinne. Und jedem, der sich über den hohen Anteil von Amazon, Apple oder Microsoft aufregt, sei gesagt, dass unsere Deutsche Telekom damals knapp die Hälfte des ganzen Dax ausgemacht hat. Aber nicht die Hälfte der Gewinne erwirtschaftet hat.

Die Bewertungen sind nicht günstig, aber sie sind eben auch nicht in schwindelerregende Höhen gestiegen. 2000 war Cisco Systems dreimal teurer als heute Nvidia. Und deren Auftragsbücher sind für eineinhalb Jahre voll.

Risikofaktoren liegen an anderer Stelle 

Das Risiko kommt also nicht von der Bewertungsseite, sondern von möglichen Faktoren, die den Gewinn runterziehen könnten. Bleiben wir hierzu bei Nvidia. Die anderen Techunternehmen bestellen hier aktuell Chips und Platinen für 100 Milliarden US-Dollar, allein für KI. Wenn die Apples, Amazons und Microsofts nun aber feststellen, dass man mit diesem Investment nur ein paar Millionen Profit machen kann und eben keine Milliarden, dann werden sie ihre Bestellungen bei Nvidia zukünftig reduzieren.

Zum Vergleich die Bieterschlacht um die UMTS-Lizenzen im Jahr 2000: Nach zig Milliarden Kosten und einigen Pleiten von Unternehmen, die sich hier übernommen hatten, konnten die verbliebenen erst Jahre später Geld damit verdienen, die Technologie war einfach noch nicht so weit. Insofern lohnt es sich, hier ein Auge drauf zu haben.

 

Alphabet fährt mit Robotertaxis auf 

Gleichzeitig sehen wir aber auch Chancen im Tech-Sektor, die noch gar nicht in den Aktienkursen drin stecken. Bei selbstfahrenden Autos denken alle an Tesla, die Älteren vielleicht sogar an K.I.T.T. Tatsächlich hat aber hier Waymo die Nase vorn: In einigen US-Metropolen sind deren Robotertaxis bis zu 10.000-mal am Tag im Einsatz. Gehört übrigens zu Alphabet, dem Mutterkonzern von Google.

Dem gehört auch Youtube. Jenes Youtube, was bei einem Verbot der chinesischen Hampelplattform TikTok in den USA – das Republikaner als auch Demokraten wegen Spionagevorwürfen unterstützen – den größten Konkurrenten für seine Kurzvideos verloren hätte. Und da der durchschnittliche US-Jugendliche drei bis vier Stunden täglich tiktokt, wären das schon astronomisch mehr Werbedollars für Youtube. Ein Teil schaut dann auch bei Facebook Katzenvideos, sodass auch hier beim Mutterkonzern Meta die Kassen klingeln.

Diese Faktoren werden beim Aktienkurs von Alphabet oder Meta aber gar nicht oder nicht genug berücksichtigt. Genauso wenig wie die immer noch laufenden Lizenzzahlungen von Apple oder Samsung an Nokia für deren Handytechnikerfindungen von vor zig Jahren.


Über den Autor

Sebastian Zimmermann ist Leiter Investment und Research der Vermögensberatung SJB Fondsskyline 1989 e.K. in Korschenbroich