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Chinas „Terrific Ten“: DieKI-Revolution und der OpenAI-Moment

Im Januar hat Deepseek mit seinem neuen KI-Modell ein Beben in der Tech-Branche ausgelöst, im Februar lud Präsident Xi Jinping führenden Vertreter der Big-Tech seines Landes zu einem bemerkenswerten Treffen: Steht China vor seinem eigenen „OpenAI-Moment“? Vieles spricht dafür, meint Yan Taw Boon, Leiter Thematic Asia bei Neuberger Berman. Wie jüngste KI-Innovationen den „Terrific Ten“ – wie Chinas Big-Tech-Player genannt werden – weiteren Schub verleihen dürften – und warum selbst Trumps Chip-Exportverbote Chinas Tech-Sektor kaum bremsen dürften, erklärt er in seinem Marktkommentar.
Am 17. Februar hatte Chinas Präsident Xi Jinping zu einem vielversprechenden Treffen geladen. Die Gäste: Vertreter der größten Technologie-Riesen des Landes, darunter Alibaba, BYD Company, Meituan, Tencent und Xiaomi – fünf Unternehmen einer viel gepriesenen Gruppe, die zusammen als Chinas „Terrific Ten“ bekannt ist.
Zu Chinas „Terrific Ten“ gehören folgende Unternehmen, ihre engsten US-amerikanischen Pendants jeweils in Klammern: Alibaba (Amazon, Microsoft); Tencent (Amazon, Microsoft); Meituan (Amazon); Xiaomi (Apple); JD.com (Amazon); NetEase (Microsoft); Baidu (Google); BYD (Tesla); Geely (Tesla); und SMIC (Nvidia).
Das Treffen ist umso bemerkenswerter, vor dem Hintergrund, dass Chinas Technologiesektor seit Ende 2020 unter Druck steht. Damals hatte die Regierung umfassende Vorschriften eingeführt, die den milliardenschweren Eigenkapitalwert der Unternehmen geradezu vernichten würde. Wenn Xi Jinping nun die Vertreter der Big-Techs umwirbt, spricht das dafür, dass er es mit der der Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft und der Wiederherstellung des Vertrauens der Investoren ernst meint.
Entsprechend überschwänglich war die Reaktion des Marktes: Der Hang Seng Tech Index erholte sich von seinem bisherigen Jahrestiefstand am 13. Januar um satte 35 Prozent. Damit übertraf er die Zugewinne des Nasdaq 100, der nur 1,5 Prozent zulegte. Die Magnificent Seven büßten in dem Zeitraum sogar rund 4,9 Prozent ein.
Konjunkturmaßnahmen und KI-Innovation: Weiterer Boost für Big-Tech
Die erneute Unterstützung für Chinas Technologiesektor geht mit einer Reihe von Konjunkturmaßnahmen einher. Diese haben zur Stabilisierung wichtiger Sektoren wie Immobilien und Banken beigetragen und schaffen eine potenziell stabilere Grundlage für die Entwicklung der Gesamtwirtschaft sowie des Technologiesektors. Darüber hinaus dürften die „Terrific Ten“ von den jüngsten Innovationen in den Bereichen KI und Robotik profitieren. Immerhin liefern Drohnen in Shenzhen mittlerweile Bubble Tea und Fastfood aus. Bei der Spring Festival Gala – eine der meistgesehenen Shows im chinesischen Fernsehen – wurde das Milliardenpublikum von tanzenden Robotern begeistert.
Und dann gibt es selbstverständlich noch Deepseek. Das chinesische KI-Startup sorgte im Januar mit der Vorstellung eines leistungsstarken Big-Language-Model für Aufsehen im globalen Tech-Ökosystem, da es weitaus weniger Rechenleistung benötigt und zu einem Bruchteil der Kosten bestehender GenAI-Modelle erhältlich ist.
China vor eigenem „OpenAI“-Moment
Zusammenfassend spricht vieles dafür, dass Chinas Technologiesektor kurz vor seinem eigenen „OpenAI-Moment“ steht, der zwischen 2023 und 2024 einen transformativen KI-Investitionsboom im US-amerikanischen Technologiesektor auslöste. Alibaba hat beispielsweise signalisiert, dass es in den nächsten drei Jahren mehr für Investitionen, einschließlich in KI-Infrastruktur, tätigen wird als in den vergangenen zehn Jahren zusammen. Da westliche KI-Modelle in China bisher nicht der Allgemeinheit zur Verfügung standen, dürfte der Durchbruch von Deepseek auch zu erheblichen Produktivitätssteigerungen in anderen Sektoren führen – etwa im Gesundheitswesen, im Einzelhandel oder in der fertigenden Industrie.
Inwiefern könnte jedoch ein Verbot der Trump-Regierung für den Export von in den USA hergestellte Chips, den Fortschritt des Landes im Bereich KI behindern? Aus unserer Sicht liegt die Vermutung nahe, dass Trump seine Verbotsankündigungen eher als Verhandlungstaktik gegenüber Präsident Xi einsetzt. Darüber hinaus haben sich westliche und chinesische Technologie-Ökosysteme bereits voneinander abgekoppelt. Weitere Beschränkungen dürften daher nur begrenzte Auswirkungen haben.
Attraktiver Einstiegszeitpunkt in Chinas Terrific Ten dank günstigen Bewertungen?
Für Investoren zahlt es sich sicherlich aus, die neuen technologiebezogenen politischen Diskussionen in China zu verfolgen, die aus den bevorstehenden jährlichen politischen Treffen im März hervorgehen werden. Während Investoren darüber diskutieren, ob die „Magnificent 7“ der USA ihr beeindruckendes Momentum aufrechterhalten können, werden Chinas „Terrific 10“ immer noch zu Bewertungen gehandelt, die deutlich unter denen ihrer US-amerikanischen Megakapital-Pendants liegen.
Angesichts der potenziellen Entwicklung der Technologie in China dürfte die aktuelle Diskrepanz einen attraktiven Einstiegszeitpunkt für langfristig aktive Investoren bieten.

Foto: Neuberger Berman
Über den Autor:
Yan Taw (YT) Boon ist Head of Thematic - Asia und Portfoliomanager für die thematischen Research-Portfolios von Neuberger Berman, darunter der Next Generation Connectivity und InnovAsia Fund. YT Boon ist seit 2013 bei Neuberger Berman und war zuvor unter anderem im Global Equity Research Team als Aktienanalyst für den asiatischen Technologie- und Telekommunikationssektor tätig.