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„Amerika wird nicht mehr der Outperformer sein“ (Börse 2025)

Das Jahr 2025 ist noch nicht einmal drei Monate alt, doch es ist schon einiges passiert: Donald Trump ist zurück im Weißen Haus, und mit ihm Strafzölle und eine zunehmende geopolitische Unsicherheit. Die neue Bundesregierung in Deutschland hat ein gigantisches Schuldenpaket geschnürt und versucht, die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. Gleichzeitig erleben wir Verwerfungen am Aktienmarkt – die Magnificent Seven, die in den vergangenen Jahren die Märkte dominierten, zeigen erste Schwächen, während Europa eine überraschende Renaissance erlebt.
Wie navigiert man als Anleger durch diese turbulenten Zeiten? Was bedeuten die geopolitischen Spannungen für unsere Portfolios? Und kann Europa tatsächlich wieder zu einer ernstzunehmenden Kraft an den globalen Finanzmärkten werden?
Thomas Kruse, seit über 30 Jahren in der Finanzbranche tätig und seit der Fusion zwischen Pioneer und Amundi 2017 Investmentchef von Amundi Deutschland, teilt seine Einschätzungen in der aktuellen Episode von „The Portfolio People“ zu den aktuellen Herausforderungen und Chancen für Investoren.
Trump 2.0: Zwischen Rhetorik und wirtschaftlicher Realität
„Unseren täglichen Trump gib uns heute“ – so beschreibt Kruse augenzwinkernd, was morgens regelmäßig auf seinem Smartphone erscheint. Die anfängliche Gelassenheit der Märkte nach Trumps Wahlsieg hat ihn überrascht: „Die Volatilität war bis Ende Februar relativ verhalten, obwohl wir Ankündigungen erster Zollmaßnahmen gegen Mexiko und gegen Kanada hatten.“ Dies hat Amundi genutzt, um Absicherungsstrategien aufzubauen.
Inzwischen steigt die Volatilität an den Märkten, und Kruse differenziert: „Donald Trump kündigt provokativ und laut an, aber teilweise ist es nicht unbedingt das, was er dann auch umsetzt.“
Zunehmend besorgniserregend findet Kruse jedoch die Anzeichen einer wirtschaftlichen Abkühlung in den USA: „Lange Zeit haben wir geglaubt, die Wirtschaft ist robust in Amerika. Jetzt sieht man, dass der Konsument durchaus verunsichert ist.“ Mit Blick auf sinkende Konsumentenvertrauen und einen schwächeren Wirtschaftsausblick für 2025 und 2026 erkennt er zunehmende Anzeichen für eine mögliche Rezession – oder wie es jüngst in einer Schlagzeile hieß: eine „Trumpcession“.
Europas Aufbruch: Mehr als nur Wunschdenken?
Die europäischen Aktienmärkte zeigen seit Jahresanfang eine deutliche Outperformance. Kruse führt dies auf mehrere Faktoren zurück: „Wir haben in Deutschland lange Zeit eine Regierung gehabt, die sich eigentlich mehr gegenseitig blockiert hat. Eine Erwartung war mit Sicherheit Handlungsfähigkeit und Erleichterung für die Wirtschaft in der Breite.“
Das jüngst geschnürte 500-Milliarden-Euro-Paket der neuen deutschen Regierung sieht er positiv: „Das ist sicherlich ein vernünftiger Schritt. Die Infrastruktur haben wir ein Stückchen vernachlässigt in den letzten Jahrzehnten, es ist auch richtig da etwas zu tun.“ Gleichzeitig bleibt er vorsichtig, ob die politischen Mehrheiten für die Umsetzung tatsächlich zustande kommen.
Die europäische Aufrüstung als Reaktion auf den angekündigten Bruch mit den USA bewertet Kruse nüchtern: „Ich würde nicht sagen, dass Investments in Rüstungsunternehmen per se moralisch fragwürdig sind.“ Amundi schließe Rüstungsunternehmen nicht grundsätzlich aus, sondern bewerte sie nach normalen ESG-Kriterien. „Die Welt verändert sich momentan.“
Hier gibt es den Podcast auf
China: Neubewertung des Reichs der Mitte
Bemerkenswert findet Kruse die Fortschritte Chinas im Bereich der Künstlichen Intelligenz: „Die Chinesen haben viele Patente im KI-Bereich“. Zudem zeige der Fall Deepseek, dass die Chinesen Wege finden, die Technologie trotz der Hochtechnologie-Blockade der USA zu nutzen. Mit Blick auf die niedrigen Bewertungen chinesischer Aktien (etwa ein Drittel des US-Niveaus) hält er eine selektive Investition für gerechtfertigt.
Den jüngsten „Schock“ der US-amerikanischen Technologiebranche durch Deepseek bezeichnet Kruse als „heilsam“: „Wir waren, was gerade das Thema KI-Investitionen betraf, so ein bisschen in die Richtung unterwegs wie im Jahr 2000.“ Die einsetzende Normalisierung der Bewertungen sieht er positiv. Von 56 Prozent Gewinnwachstum im zweiten Quartal 2024 für die Magnificent Seven komme man jetzt auf etwa 18 Prozent für 2025 – nicht mehr weit entfernt von den 11 Prozent, die für den S&P 500 insgesamt erwartet werden.
„Andernfalls hätte ich vermutet, dass wir durchaus in eine Blase laufen, die dann deutlich heftiger platzt. Jetzt kommen wir vielleicht von der Bewertung, die bei knapp über 30 liegt, langsam runter, ohne dass es zu erheblichen Verwerfungen kommt.“
Europas Renaissance: Mehr als nur ein temporärer Aufschwung?
Die überdurchschnittliche Performance der europäischen Aktien seit Jahresanfang führt Kruse auf mehrere Faktoren zurück: „Die niedrige Bewertung in Europa, die im Bereich der historischen Entwicklung gerade mal beim Median lag“ und „die Fantasie, dass eine neue Regierung auch durchaus Impulse setzt, die der Wirtschaft zugutekommen.“
Für die kommenden Jahre ist er optimistisch: „Ich würde auch so weit gehen, dass ich nicht damit rechne, dass Amerika in den kommenden Jahren per se der Outperformer sein wird, der er in den letzten Jahren gewesen ist.“ Das Wirtschaftsmomentum nehme in Europa eher zu, in Amerika eher ab. Ob sich die 20-Prozent-Performance seit Jahresanfang so fortsetzt, bezweifelt er jedoch.
Dennoch sieht er Potenzial: „Der europäische Wirtschaftsraum ist größer als das, was wir in Amerika haben. Wenn wir eine Einigkeit in Europa hinbekommen würden, wonach wir uns alle ein Stückchen weit sehnen und was in der Globalisierung der Welt nicht unbedingt nötig war – da konnte jedes einzelne Mitgliedsland durchaus seine eigene Politik ein Stück weit verfolgen und auch eigene Deals mit anderen Ländern schließen.“
Zukunftsausblick: Zwischen Hoffnung und Realität
Als größtes Risiko nennt Kruse mögliche Verwerfungen in der Weltwirtschaft durch Trumps Zollpolitik: „Zölle haben eine ganz andere Auswirkung. Du bekommst den Effekt, dass einzelne Länder ihre Wertschöpfungsketten komplett verändern. Das geht nicht von heute auf morgen.“ Die daraus resultierende Inflation sei „das größte Risiko, was wir auch in den nächsten Jahren haben werden.“
Sein Wunsch für die europäische Finanzbranche: „Dass wir in Europa, auch was Kapitalmärkte betrifft, selbstbewusster werden, aufschließen zu den amerikanischen Märkten. Was wir brauchen, ist Kapitalmarkttiefe.“