Thorsten Polleit Bargeldabschaffung erinnert an George Orwells „Big Brother“
Die Folgen
Ohne Bargeld ist die finanzielle Privatsphäre der Bürger perdu. Es ist dann nicht mehr weit bis der Staat weiß, was der Bürger kauft, und was er nicht kauft: Der Staat kann, weil ihm die Banken ergeben sind, dann ausnahmslos alle Geldtransaktionen seiner Bürger, die erzwungenermaßen elektronisch über die Bankkonten abgewickelt werden müssen, bespitzeln, nichts bleibt ihm verborgen. In letzter Konsequenz kann er dann auch bestimmen, wer was wann kaufen darf, und wer wann wohin reisen darf.
Bislang gebietet das Bargeld dem unbändigen Expansionsdrang des Staates noch etwas Einhalt. Denn wenn der Staat allzu aggressiv vorgeht – wenn er zum Beispiel die Steuerschraube immer weiter anzieht –, können sich die Bürger seinen Drangsalierungen teilweise durch die Anonymität der Bargeldzahlungen entziehen. Wird aber das Bargeld abgeschafft, wird auch noch das letzte bisschen Zurückhaltung fallen, dass der Staat gegenüber seinen Bürgern übt. Wer dem Staat erlaubt, das Bargeld per Handstreich abzuschaffen, der übergibt gewissermaßen dem Fuchs den Schlüssel für den Hühnerstall.
Dass der Staat der Zwangsmonopolist des Geldes ist, ist ein zentrales Problem. Versagt der Geldmonopolist seinen Bürgern das Bargeld, haben sie keine Möglichkeit, auf andere Geldanbieter, die ihrem Wunsch nach Münzen und Noten nachkommen können, auszuweichen. Gäbe es einen Währungswettbewerb, könnte ein jeder die Geldart frei nachfragen, die er zu halten wünscht – ob in Form von Bargeld oder Giroguthaben. Die einen würden Bargeld, die Anderen elektronische Überweisungen wählen. Der Zwangsgeldmonopolist will jetzt aber die noch verbliebene Wahlmöglichkeit zwischen seinem Bargeld und seinem elektronischem Geld abschaffen.
Wen die angestrebte Bargeldabschaffung an George Orwells „Big Brother“-Dystopie erinnert, der ist nicht notwendigerweise paranoid. Aber diejenigen, die das Bargeldverbot auf die leichte Schulter nehmen oder es gar einfordern, weil sie es als fortschrittlich ansehen, sind an Naivität kaum zu übertreffen. Ihnen kommt nicht in den Sinn, dass das Abschaffen des Bargeldes unter den herrschenden Bedingungen totalitär wirkt; dass es eine Maßnahme ist, die die Nationalsozialisten und auch die Sozialisten der DDR, wäre es ihnen technisch möglich gewesen, nur allzu gern vollzogen hätten. Und zwar weil sich dadurch die verblieben Freiheitsgrade der Bürger und Unternehmen dramatisch verringern lassen – zu Gunsten des staatlichen Allmachtstrebens.
Wer diese Folgeabschätzung nicht teilt, der möge zumindest bedenken, dass ein negativer Marktzins großen Schaden in der Volkswirtschaft anrichtet. Er entmutigt Sparen und Investieren, führt zu Kapitalverzehr: Der Gegenwartskonsum geht zu Lasten der künftigen Einkommen, Produktion und Beschäftigung leiden. Ja, die Politik des Negativzinses ist geradezu ein Frontalangriff auf die Marktwirtschaft – auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche System also, das für friedvolle und produktive Kooperation zwischen den Menschen sorgt, national wie international.
Die Übelstände, die man mit einer Bargeldabschaffung aus der Welt zu vertreiben vorgibt, werden absehbare andere, noch viel größere Übelstände heraufbeschwören. In der Auseinandersetzung um das Für und Wider des Bargeldes gilt es daher von Benjamin Franklin zu lernen: „Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ Franklins Einsicht verpflichtet alle, die die Freiheit des Individuums erhalten beziehungsweise zurückerobern wollen, auf eine (Mindest-)Forderung: das staatliche Zwangsgeldmonopol zu beenden.
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