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Tipps vom Rechtsanwalt Was Anwender zu Haftung und Werbung mit DIN 77230 wissen sollten

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Die Verwendung von Formulierungen wie „Auszugsweise Abbildung der DIN-Norm 77230“ oder „Finanzanalyse nach DIN in Auszügen“ kann in Verbindung mit einem entsprechenden Hinweis auf Einschränkungen möglich sein. Allerdings müssen die Anwender auch hier einige wesentliche Punkte beachten:

  • Die Bezugnahme auf die Norm muss zunächst natürlich inhaltlich richtig sein. Wer die DIN-Norm 77230 überhaupt nicht anwendet, darf auch nicht behaupten, er wende sie teilweise an.
  • Wird bei der Finanzanalyse nur einen Baustein aus der DIN angewandt, dürfte es wohl kaum zulässig sein, mit der Formulierung „in Auszügen“ zu werben: Sie suggeriert mehr als eben nur einen kleinen Teil der Norm.
  • Legt der Berater seiner Analyse mehrere Teile der Norm zugrunde, kann er in seiner Werbung hierauf hinweisen, wenn er bei den angesprochenen Kundenkreisen den durch den Begriff DIN blickfangartig entstehenden Eindruck vermeidet, die ganze DIN-Norm komme zur Anwendung.

Im letzteren Fall kann das durch einen Hinweistext geschehen, der die Einschränkung näher erläutert. Derartige richtigstellende Hinweise im Kleingedruckten, die leicht zu übersehen sind, genügen allein jedoch nicht, die durch die blickfangmäßige Herausstellung begründete Irreführungsgefahr zu beseitigen. Anders ist dies zum Beispiel dann, wenn – wie bei der Werbung für Mobilfunkverträge – durch ein „Sternchen“ (*) oder eine sonstige Anmerkung hinter der Formulierung auf nicht zu übersehende Einschränkungen aufmerksam gemacht wird.

Es muss also eine für den Durchschnittsverbraucher erkennbare Verbindung zwischen dem Hinweis auf die DIN-Norm und dem Text, in dem die nur eingeschränkte Anwendung dargelegt wird, bestehen. Es genügt nicht, den Hinweis an irgendeiner Stelle zu platzieren. Wird in einer Printwerbung ein Sternchen-Hinweis benutzt, müssen die dazugehörigen Erläuterungen zwar nicht unbedingt auf der gleichen Seite erfolgen. Zumindest muss jedoch bei dem Sternchen Hinweis die betreffende Seite angegeben werden. Der Hinweis auf eine Internetfundstelle genügt hier allerdings nicht.

Bei einer Online-Werbung dagegen kann die Information auch über einen Link erfolgen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Angaben auf der ersten Internetseite als vollständig erscheinen, der Verbraucher also keinen Anlass hat, nach weiteren Informationen Ausschau zu halten. Wenn also ein Berater seinen Kunden eine Finanzanalyse mit partieller Anwendung der DIN 77230 online anbietet, muss darauf geachtet werden, dass die Kunden die Analyse nicht starten können – zum Beispiel durch das Anklicken eines Buttons –, ohne dass sie darauf hingewiesen wurden, dass die Norm nicht vollständig zur Anwendung kommt. Neben dem Button sollte daher zumindest ein unmissverständlicher Hinweis etwa in Form des erwähnten Sternchens unter Verlinkung mit dem entsprechenden Informationstext erfolgen.

Da die Gestaltungsmöglichkeiten vielfältig sind, kann es hier geboten sein, sich rechtlich beraten zu lassen, um wahrheitsgemäß und abmahnsicher die eigene Dienstleistung zu bewerben.

Fazit und Ausblick

Wer den Markt beobachtet und die einschlägigen Pressemeldungen verfolgt, kann Folgendes feststellen: Neben der (noch?) großen Gruppe der „Nichtanwender“ der DIN-Norm 77230 gibt es eine steigende Zahl von Anwendern, die für sich das Potenzial erkannt haben und die Vorteile entsprechend nutzen möchten. Diese Gruppe der Anwender wiederum gliedert sich in „DIN-konforme-Anwender“ und „Nicht-DIN-konforme-Anwender“.

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Auch wenn die DIN-Norm 77230 den Begriff „Basis“ trägt, darf der Anwender die doch hohe Komplexität des Regelwerks nicht unterschätzen. So ist es nicht verwunderlich, dass zurzeit in erster Linie Einzelmakler und kleinere Finanzdienstleister eine DIN-konforme Finanzanalyse anbieten können respektive werden. Softwarehersteller bieten bereits erste DIN-Finanzanalyseprogramme am Markt an. Aufwendige technische und vertriebliche Implementierungen, mit entsprechenden Auswirkungen auf den Beratungs- und Verkaufsprozess, entfallen bei dieser Anwendergruppe weitestgehend.

Bei den großen Banken und Versicherungsgesellschaften sieht dies anders aus. Die Umstellung auf eine umfängliche, DIN-konforme Analyse stellt gleichermaßen sehr hohe Anforderungen an die IT und die Abteilungen, die mit dem Vertrieb und der Aus- und Weiterbildung der Beraterinnen und Berater zu tun haben. Für die Entscheider in diesen Unternehmen bedeutet dies, es entweder ganz sein zu lassen, einen langwierigen Umstellungsprozess in Kauf zu nehmen oder eine einfachere, aber nicht ganz DIN-konforme Lösung zu suchen.

Selbstverständlich sollten bei einer „Finanzanalyse nach DIN in Auszügen“ die wesentlichen Aspekte und Inhalte der Norm berücksichtigt werden. Es handelt sich dabei vornehmlich um die existenziellen und hoch priorisierten Finanzthemen des Privathaushalts, zum Beispiel

  • allgemeines Haftungsrisiko,
  • Sicherung des Einkommens bei Arbeitskraftverlust,
  • Schuldenrisiko,
  • Liquiditätsreserve und
  • Altersvorsorge

Für einen durchschnittlichen Privathaushalt (Gehaltsempfänger, Mieter, keine speziellen Risiken aus Luft-/Wassersport etc.) bedeutet dies, dass auch mit einer abgespeckten Finanzanalyse ein nahezu DIN-konformes Ergebnis erzielt werden kann.

Vor einer „Rosinenpickerei“, bei der sich der Berater ausschließlich auf die provisionstechnisch lukrativen Finanzthemen konzentriert, sei an dieser Stelle aber ausdrücklich gewarnt. Dies ist und darf nicht im Sinne der DIN-Norm und des Verbrauchers sein! Auch wenn die Verfechter der DIN-konformen Anwendung der Norm trotzdem aufschreien werden und juristische Schwarzmalerei betreiben, gibt es durchaus praktikable und rechtssichere Lösungsmöglichkeiten.

Ohne es zu bewerten, kann sich jeder Marktteilnehmer selbst die Frage stellen: Ist es besser, die DIN-Norm auszugsweise anzuwenden – oder eben gar nicht?

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