Flash-Crash an den Kryptomärkten: Am vergangenen Freitag, dem 10. Oktober 2025, kam es zu einem kräftigen Kurseinbruch. Während die Aktienmärkte abrauschten, fielen auch Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum – von einem Niveau bei rund 126.000 US-Dollar (Bitcoin) beziehungsweise 4.100 US-Dollar (Ethereum) um rund 14 beziehungsweise 18 Prozent. Kleinere Kryptowährungen traf es teils noch härter.
Auslöser war die Ankündigung von US-Präsident Trump, einen 100-Prozent-Zoll auf Waren aus China einführen zu wollen. Mittlerweile haben sich die Kurse wieder leicht gefangen. War der Crash, der auch als „größter Bitcoin-Crash aller Zeiten“ tituliert wurde, nun ein nachhaltiger Rückschlag oder nur eine Atempause?
Dovile Silenskyte, Direktorin für den Bereich Digital Assets Research bei Wisdomtree, sieht trotz der Volatilität fünf strukturelle Kräfte, die digitale Assets ihrer Einschätzung nach weiterhin Aufwind geben.
Institutionelle Akzeptanz entwickelt Eigendynamik
Als wichtigsten Treiber sieht Silenskyte die zunehmende institutionelle Akzeptanz. „Krypto ist heute alles andere als nur ein Randphänomen der Finanzwelt. Es ist inzwischen fester Bestandteil der Portfolios von Staaten, Vermögensverwaltern, Unternehmen und Hedgefonds“, schreibt die Wisdomtree-Expertin in einer Analyse.
Ihre Argumentation unterlegt sie mit Zahlen: Die Zuflüsse in physisch unterlegte börsengehandelte Bitcoin-Produkte (ETPs) haben im vergangenen Jahr mehr als 37 Milliarden US-Dollar erreicht. Das weltweit verwaltete Vermögen liegt bei knapp 148 Milliarden US-Dollar. Börsennotierte Unternehmen besitzen mittlerweile fast 5 Prozent der im Umlauf befindlichen Bitcoin-Menge. „Durch diese Nutzung entsteht eine Eigendynamik: Mit steigender Nachfrage verbessert sich der Zugang, und mit besserem Zugang wächst die Nachfrage weiter“, erklärt Silenskyte.
Makroökonomisches Umfeld hilft mit
Den zweiten Impuls sieht die Krypto-Expertin von makroökonomischer Seite. Sie verweist auf die hohe Verschuldung der USA, die mittlerweile rund 34 Billionen US-Dollar Staatsschulden anhäufen. Bei einem Defizit von mehr als 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts dürfte sich diese Summe absehbar auch noch deutlich steigern.
Zudem könnte der US-Dollar seine Position als weltweite Leitwährung verlieren. Länder wie China und Russland wickelten ihren Handel bereits in anderen Währungen ab oder horteten Gold, so die Research-Expertin. Das Edelmetall ist auch unter Anlegern in Krisenzeiten verstärkt als Absicherung gefragt. Doch auch hier sieht Silenskyte Kryptowährungen im Vorteil: „Bitcoin vereint sowohl die Eigenschaften eines Wertspeichers (wie Gold) als auch das Aufwärtspotenzial von Wachstumswerten (wie Technologie und künstliche Intelligenz).“
Altcoins werden erwachsen: Von Spekulation zu realem Nutzen
Als dritten Treiber des Kryptomarktes sieht Silenskyte den mittlerweile gereiften Markt der Altcoins - also von Kryptowerten jenseits der Ur-Währung Bitcoin. Hier empfiehlt die Expertin, dass Anlegern sorgfältig auswählen sollten: „Die Zeiten, in denen der Anstieg des Bitcoin-Kurses alle Altcoins gleichermaßen beflügelte, sind vorbei“, konstatiert sie.
Silenskyte verweist auf Kryptowerte, die jenseits von Zahlungs- und Wertspeicherfunktionen auch weiterreichende Alltagsanwendungen erlauben:
- Solana unterstütze Anwendungen bei realer Infrastruktur, von Funk- und Sensornetzwerken bis hin zu Gaming-Plattformen.
- Ethereum bilde die Grundlage für mehr als die Hälfte der im Umlauf befindlichen Stablecoins. Die Kryptowährung ist auch führend, wenn es um Umwandlung realer Assets in Token geht. Ethereum bezeichnet sie daher als „das Rückgrat für die institutionelle Akzeptanz“.
- Die Kryptowährung XRP sieht die Expertin als mögliche Alternative zum traditionellen Ssift-Netzwerk für grenzüberschreitende Überweisungen.
Auf solche Entwicklungen würden zunehmend auch Investoren aufmerksam. „Das Kapital konzentriert sich dort, wo die Akzeptanz greifbar ist“, beobachtet Silenskyte.
Krypto profitiert von Regulierung
Nicht zuletzt gebe auch die Regulatorik Rückenwind für Kryptowerte: Der US Genius Act schaffe Regeln für Stablecoins, Europas Mica-Verordnung etabliere ein einheitliches Regelwerk für die EU, das Börsen, Stablecoins und Dienstleister erfasse und auch für Investoren Klarheit schaffe, lobt Silenskyte.
Gleichzeitig konkurrierten die Vereinigten Arabischen Emirate und die Schweiz um Führungsrollen bei Krypto, indem sie regulierte Rahmenbedingungen, sichere Verwahrdienste und Zulassungen für ETPs anböten. „Durch regulatorische Klarheit wird das größte Hindernis für den institutionellen Einstieg beseitigt“, meint Silenskyte.
Tokenisierung und Defi ziehen in die Realwirtschaft ein
Rückenwind für Kryptowerte nimnmt Silenskyte auch vom wachsenden Markt für Decentralized Finance wahr. „Das dezentrale Finanzwesen (Defi) hat sich stark erholt und verfügt nun über rund 150 Milliarden US-Dollar, die in Kredit-, Handels- und Anlagepools aktiv sind“, sagt sie. Zudem würden immer mehr traditionelle reale Vermögenswerte wie Anleihen, Private-Credit- oder Rohstoff-Produkte als digitale Abbildung auf die Blockchain gebrachtt. Silenskyte sricht von einem bald 28 Milliarden US-Dollar schweren Markt.
Ausblick
Trotz aller kurzfristigen Volatilität - und der offensichtlichen Abhängigkeit von politischen Entwicklungen - bleibt die Wisdomtree-Expertin für Kryptowerte optimistisch. „Diese fünf strukturellen Rückenwinde – institutionelle Akzeptanz, makroökonomische Unterstützung, nutzungsorientierte Altcoins, regulatorische Klarheit und Tokenisierung/Defi 2.0 – treiben Krypto gemeinsam in die bislang transformativste Phase“, fasst sie zusammen.
In den kommenden zehn Jahre gehe es laut für Silenskyte mithin nicht darum, ob Kryptowährungen überleben. „Es wird darum gehen, wie schnell sie die globale Finanzwelt umgestalten.“

