Teuerung hält an Trotz Rückgang: Inflation in Deutschland bleibt hoch

Die Inflation in Deutschland ist im Januar leicht gesunken – befindet sich mit 4,9 Prozent allerdings nach wie vor auf hohem Niveau. Das geht aus einer vorläufigen Schätzung des Statistischen Bundesamts hervor. Im Dezember lag sie bei 5,3 Prozent.
Viele Expert:innen hatten mit einem stärkeren Rückgang gerechnet. Der Grund: Die von Juli bis Dezember 2020 herabgesetzte Mehrwertsteuer. Dadurch wurden von Juli bis Dezember 2021 Preise mit der höheren Steuer mit denen aus dem Vorjahr verglichen, bei denen noch der niedrigere Satz galt. Das sorgte für eine Verzerrung nach oben.
Diesen Effekt gab es im Januar nicht mehr, weshalb die Inflationsrate eigentlich stärker hätte fallen müssen. „Der Wegfall des temporären Mehrwertsteuereffekts allein hätte die Inflationsrate um etwas mehr als einen Prozentpunkt auf 4,1 Prozent sinken lassen. Dass die heute veröffentlichte Inflationsrate mit 4,9 Prozent für Januar deutlich höher ausfällt, verdeutlicht die anhaltende Wirkung preistreibender Faktoren“, sagt Axel Angermann, Chefvolkswirtschaft des Investmenthauses Feri-Gruppe.
Gestiegene Energiepreise treiben Inflation
Als Grund für den unerwartet geringen Rückgang nennt Angermann die Energiepreise: „Mehr als zwei Prozentpunkte der Inflation im Januar 2022 entfallen auf die weiterhin hohen und zum Jahresbeginn nochmals deutlich gestiegenen Energiepreise, die bereits im vergangenen Jahr um 18 Prozent stiegen.“ Die erneute Anhebung der CO2-Steuer zum Jahresbeginn 2022 wirke hier als zusätzlicher Preistreiber. Zwar sei kaum abzusehen, ob und in welchem Ausmaß die Preise für Strom, Gas und Öl im Laufe des Jahres sinken werden. Angermann ist jedoch skeptisch: „Geopolitische Risiken und strukturelle Angebotsengpässe bei etlichen Rohstoffen lassen kaum erwarten, dass die Preise wieder auf das ursprüngliche Ausgangsniveau zurückkehren.“
Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank, stimmt seinem Kollegen zu: „Vor allem die Haushalte mit Gasheizung müssen aktuell sehr viel höhere Kosten verkraften als noch vor einigen Monaten.“ In Kombination mit der Verteuerung von Elektrizität, Heizöl und Kraftstoffen habe dies den entlastenden Effekt durch den Wegfall der Mehrwertsteuer zu einem guten Teil kompensiert.
Teurere Vorprodukte beschleunigen Inflation zusätzlich
Die hohe Inflation an teurer Energie fest zu machen, greift laut Angermann aber zu kurz: Unabhängig davon sei der Preisauftrieb deutlich höher als in den Jahren vor der Pandemie. „Gründe dafür sind zum einen Nachholeffekte insbesondere in Bereichen, die von der Pandemie besonders betroffen sind, wie etwa Pauschalreisen. Vor allem aber haben die Angebotsengpässe in den vergangenen Monaten eine erhebliche Verteuerung vieler Vorprodukte ausgelöst.“ Diese höheren Kosten würden die Anbieter soweit möglich an die Verbraucher:innen weitergeben – was angesichts einer hohen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage in vielen Fällen gelingen dürfte.
Nach Einschätzung des Feri-Experten wird die Inflationsrate in den kommenden Monaten daher – wenn überhaupt – nur sehr langsam sinken und auch Mitte des Jahres noch deutlich über 3 Prozent liegen. „Ob sie in der zweiten Jahreshälfte dann in Richtung der 2-Prozent-Marke fällt, dürfte neben der Entwicklung der Energiepreise vor allem davon abhängen, ob sich der allgemeine Preisauftrieb verfestigt.“

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Unsicherheit bezüglich weiterer Inflationsentwicklung
Jörg Zeuner, Chefvolkswirt von Union Investment, sieht kurzfristig ebenfalls großen Unsicherheit bezüglich der weiteren Inflationsentwicklung. „Solange die geopolitischen Spannungen anhalten, können sie die schwankungsanfälligen Energiepreise weiter befeuern. Das kann den Rückgang der Inflation weiter verzögern.“ Es gebe aber auch deutliche Anzeichen, die für einen abnehmenden Teuerungsdruck sprechen. „So beginnen sich die Lieferketten zu entspannen, wodurch sich die Knappheit an Vorprodukten schrittweise auflösen dürfte.“ Zudem habe die hohe Inflation in Deutschland bislang nicht zu Lohnsteigerungen in gleichem Maße geführt. „Wir sehen in Deutschland weiterhin keine für die Preisstabilität gefährliche Lohn-Preis-Spirale“, sagt Zeuner.
Druck auf die EZB wird größer
Was bedeutet die weiterhin unerwartet hohe Inflation für die Geldpolitik? „Der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), die Zinsen in absehbarer Zeit anzuheben, ist mit den heutigen Daten vor der Sitzung am Donnerstag kaum geringer geworden“, betont Zeuner. „Da die EZB aber weiterhin davon ausgehen dürfte, dass die Inflation über das Jahr 2022 hinaus in der Nähe des EZB-Ziels von im Mittel zwei Prozent verankert bleibt, wird sie die Zinsen im laufenden Jahr nicht anheben.“
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