Trump-Ideen Abhängige Notenbanken gefährden Preisstabilität und Wachstum
Die Notenbanker der Federal Reserve (Fed) sind aktuell damit beschäftigt, den richtigen Zeitpunkt für eine erste Zinssenkung auszuloten. Anderswo diskutiert man über die Unabhängigkeit der Fed. Die jüngsten Kommentare des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump geben Anlass zur Sorge, dass eine Trump geführte Administration mehr Einfluss auf die Zinspolitik anstreben und die Unabhängigkeit der Federal Reserve in Frage stellen könnte.
Trumps Instinkt soll helfen
Ex-Präsident Donald Trump fordert ein Mitspracherecht des US-Präsidenten bei Notenbankentscheidungen. Auf einer Pressekonferenz in Florida erklärte Trump, weshalb die Fed in ihrer Arbeit nicht ohne seinen guten Instinkt auskomme: „Ich denke, dass ich in meinem Fall eine Menge Geld verdient habe, ich war sehr erfolgreich, und ich denke, dass ich einen besseren Instinkt habe als in vielen Fällen die Leute, die bei der Federal Reserve sind oder der Vorsitzende.“
Darüber, wer das beste Bauchgefühl für den richtigen Zeitpunkt von Zinsentscheidungen hat, kann spekuliert werden. Ob das Bauchgefühl die richtige Grundlage für geldpolitische Entscheidungen ist, darf aber bestritten werden. Vor allem wenn, wie im Fall von Donald Trump, der Bauch eine grundsätzliche Vorliebe für niedrige Zinsen hat.
Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist die Basis für eine von wahltaktischen Überlegungen, politischen
Interessen und haushaltspolitischen Bedürfnissen freie Geldpolitik. Dies stärkt das Vertrauen in die
Preisstabilität; niedrige langfristige Inflationserwartungen tragen zu attraktiven Finanzierungsbedingungen und einem stabileren Wachstum bei.
„Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist wichtig für die Preisstabilität, und Preisstabilität ist wichtig für ein beständiges langfristiges Wachstum", so der internationale Währungsfonds (IWF), der sich zuletzt auf Basis von umfangreichen Studien wiederholt für die Unabhängigkeit von Zentralbanken aussprach. Den jüngsten Erfolg bei der Senkung der Inflation führt der IWF auf die erfolgreiche Arbeit unabhängig agierender Zentralbanken zurück, die im Vergleich zur Hochinflationsphase in den 1970er Jahren klaren Gesetzen zum Schutz ihrer Autonomie unterliegen.
Historisch sind die USA ein gebranntes Kind
Historisch betrachtet sind die USA ein „gebranntes Kind“. Die lockere Geldpolitik der US-Notenbank unter ihrem damaligen Präsidenten Arthur Burns, der von Richard Nixon ins Amt gebracht worden war, wird heute als wesentliche Ursache für die sehr hohe und persistente Inflation in den USA in den 70er Jahren angesehen.
Burns und seine Kollegen hatten dem Druck Nixons nachgegeben, angesichts der explodierenden Kosten des Vietnam-Kriegs und der wirtschaftlichen Probleme eine lose Geldpolitik zu implementieren.
Während Länder wie die USA, Italien oder Großbritannien zeitweise Inflationsraten weit über 10 Prozent verzeichneten, beschränkten die unabhängigen Zentralbanken in Deutschland und der Schweiz den Preisauftrieb auf ein wesentlich niedrigeres Niveau, wie die folgende Abbildung zeigt.
Grafik: Jährliche Inflationsraten im internationalen Vergleich seit 1960
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Republikanische Kreise scheinen die Lehren der Vergangenheit zu vergessen. Ehemalige Trump-Mitarbeiter und Unterstützer haben im Frühjahr ihre Vision für eine Reform der Notenbank in einem zehnseitigen Dokument dargelegt. Es wurde unter anderem gefordert, dass der Präsident bei Zinsentscheidungen konsultiert und Fed-Maßnahmen der Prüfung durch das Finanzministerium unterworfen werden sollen.
Der offensichtliche Weg zur Ausübung der Kontrolle führt über das Ernennungsverfahren. Denn die Zentralbank der Vereinigten Staaten ist als „independent agency“ eine quasi-staatliche Einrichtung mit einem vom Präsidenten ausgewählten und vom Senat genehmigten Gouverneursrat. Der Fed-Chef wird vom Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt. Um die Geldpolitik zu beeinflussen, könnte Trump versuchen, einen Fed-Chef zu ernennen, der bereit ist, die Loyalität zu ihm über die Unabhängigkeit der Fed zu stellen.
Zunehmender Einfluss auf Fed wäre schlechte Nachricht
Dies scheint Trump mit der Ernennung von Powell nicht gelungen zu sein. Dessen Amtszeit endet allerdings im Jahr 2026. Darüber hinaus könnte der Kongress die Fed theoretisch durch einen einfachen Gesetzgebungsakt grundlegend ändern oder gar auflösen. Denn das Federal Reserve Zentralbanksystem entstand 1913 durch den Federal Reserve Act, der als „simple act of congress“ erlassen wurde. Die Unabhängigkeit der Federal Reserve ist nicht so stabil wie die der Europäischen Zentralbank (EZB).
Die Satzung der EZB kann nur durch den einstimmigen Beschluss aller Mitgliedsstaaten geändert werden. Dabei besteht das Verbot für die Mitglieder des EZB-Rates, Anweisungen von ihren Regierungen entgegenzunehmen.
Sollten sich nach der Wahl die Hinweise darauf konkretisieren, dass das Weiße Haus seinen Einfluss auf die US-Notenbank auszuweiten versucht, wäre dies eine schlechte Nachricht für die Kapitalmärkte. Gerade angesichts der angespannten Haushaltslage und vor dem Hintergrund der aggressiven Steuersenkungspläne Trumps dürften die Märkte Angriffe auf die Unabhängigkeit der Zentralbank rasch in höhere Inflationserwartungen und höhere Prämien für Inflationsrisiken übersetzen.
Die langfristigen Renditen würden vermutlich strukturell steigen, was auch die Aktienmärkte in Mitleidenschaft ziehen könnte. Würde Trump eine Weichwährungspolitik einschlagen, die zu einer verbesserten US-Handelsbilanz über einen schwachen US-Dollar führen soll, dann würde die
exportabhängige Wirtschaft in Deutschland besonders darunter leiden. Obwohl gute Hoffnungen bestehen, dass Trump nicht in das Weiße Haus einziehen wird, sollten Anleger die Entwicklung genau im Auge behalten.
Über den Autor:
Jan Viebig hat die Position des Investmentchefs (Chief Investment Officer) bei der französischen Fondsgesellschaft Oddo BHF inne.