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UBS Fondsmanager im Interview Schwellenländeraktien stehen am Wendepunkt

Geoffrey Wong, Head Global Emerging Markets und Asia Pacific Equities bei UBS Asset Management
Geoffrey Wong, Head Global Emerging Markets und Asia Pacific Equities bei UBS Asset Management

Wie viele Unternehmen beobachten Sie in den Schwellenländern weltweit, und wie identifizieren Sie gute Aktien?

Geoffrey Wong: Etwa 350 Unternehmen sehen wir uns detailliert an, ausgehend von einer größeren Anzahl, die wir nach Liquidität und Qualität reduzieren. Wir beschreiben uns selbst als fundamentale Bottom-up-Investoren. Unser Ansatz beurteilt den Preis gegenüber dem inneren Wert eines Unternehmens. Das bedeutet, wir betrachten die Fundamentaldaten eines Unternehmens – hauptsächlich die erwarteten Cashflows –, um den inneren Wert dieses Unternehmens zu bestimmen. Dann suchen wir nach Abweichungen zwischen unserer Schätzung des inneren Werts und der aktuellen Marktbewertung, denn sie bieten die Chance, Mehrwert zu erzielen.

Wie entstehen solche Gelegenheiten?

Wong: Ganz einfach, durch das Verhalten der Marktteilnehmer. In der Theorie sind die Märkte effizient, da alle Informationen zu einem Unternehmen allen Investoren gleichermaßen zugänglich sind. Sie sind aber insoweit ineffizient, als die Investoren psychologisch bei kurzfristigen Ereignissen zur Überreaktion neigen und zugleich nicht ausreichend – oder zu spät – auf langfristige Strukturveränderungen reagieren. Wir sehen dies typischerweise, wenn nach einer schlechten Wirtschaftsnachricht ein wahlloser Ausverkauf an den Märkten erfolgt. Dann werden Spreu und Weizen zusammen weggeworfen, und wir erhalten die Gelegenheit, in Unternehmen zu investieren, die aus unserer Sicht solides langfristiges Potenzial zu attraktiven Preisen bieten.

Wie beurteilen Sie die Attraktivität der einzelnen Unternehmen?

Wong: Qualität ist ein wichtiges Kriterium für uns. Aber Qualität kann für verschiedene Investoren unterschiedliche Dinge bedeuten. Bei uns steht Qualität für weitaus mehr als simple Kennzahlen zu Return-on-Equity oder Verschuldungsgrad. Wir nutzen unser Netzwerk von Analysten, um die Branchenstruktur, regulatorische Veränderungen, das Verhalten des Managements in der Vergangenheit, Aspekte aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, Offenlegungsstandards und so weiter zu untersuchen und anschließend in einem Punktwert für jedes Unternehmen zusammenzufassen. Dieses unternehmensinterne Vorgehen verschafft uns Vorteile, besonders in den Schwellenländern, wo die Abwesenheit aktivistischer Investoren dazu führt, dass schlechte Unternehmen jahrelang überleben und Schaden in den Portfolios anrichten können. Hinzu kommt, dass sich Broker-Research meist auf die Gewinne des kommenden Jahres und manchmal sogar des nächsten Quartals konzentriert. Wir führen dagegen eine vollständige Fünf- Jahres-Modellierung der Jahresabschlüsse von Unternehmen durch und erstellen für sie Wachstumsprognosen über weitere zehn Jahre. So sind wir in der Lage, sowohl Zykliker mit vorübergehendschwächeren Gewinnen als auch Wachstumsaktien mit anscheinend hohem aktuellem Kurs-Gewinn-Verhältnis besser zu bewerten.

Was interessiert Sie außerdem an einer Aktie?

Wong: Um langfristig aussichtsreiche Qualitätsunternehmen zu identifizieren, betrachten wir die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur des Unternehmens selbst, sondern der Branche insgesamt. Das bedeutet, einen Blick auf die Entwicklung der Ertragskraft und die Nachhaltigkeit der Gewinne zu werfen. Es bedeutet auch, sich das Führungsmodell und die Offenlegungen des Unternehmens anzusehen. Einige unserer Analysten haben in den Branchen gearbeitet, die sie beobachten. Sie verfügen so über praktische Kenntnisse und ein Netzwerk von Kontakten, die es ihnen ermöglichen, Branchentrends aus der Nähe zu verfolgen. Ein wesentliches Element unseres Prozesses ist die Nutzung unkonventioneller Informationsquellen, um ein möglichst ganzheitliches Bild eines Unternehmens oder allgemeiner Branchentrends zu gewinnen. Dies kann bedeuten, mit den Wettbewerbern der Unternehmen zu sprechen, mit ihren Zulieferern und Kunden oder mit unabhängigen Branchenexperten. Wir versuchen, von außen einen 360-Grad-Blick auf das Unternehmen zu werfen. Zum Beispiel verbringen wir Zeit in abgelegenen Ortschaften, um Motorrad- und Traktorhändler, Bankfilialen, Gaststätten und so weiter zu besuchen. Vor-Ort-Informationen können von dem abweichen, was das Management den Investorenerzählt, und werden von internationalen Investoren, die sich nicht die Mühe machen, diese Art von Analysen durchzuführen, oft nicht eingepreist.