Über Geld spricht man immer noch nicht
Entgelttransparenzgesetz bleibt ohne Wirkung
Andreas Peichl und Julia Schricker (v.l.): Die beiden Forscher am Ifo-Institut analysieren das Entgelttransparenzgesetz. Foto: ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.
Das Entgelttransparenzgesetz soll Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern senken und Durchblick in Lohngefüge schaffen. Klappt das? Andreas Peichl und Julia Schricker vom Ifo-Institut in München haben da so ihre Zweifel.
Die Erfahrungen, die die Personalleiter im ersten Jahr nach Inkrafttreten mit dem Gesetz gesammelt haben, scheinen die gedämpften Erwartungen vom Dezember 2017 zu bestätigen: Eine Wirkung des Entgelttransparenzgesetzes blieb weitestgehend aus – im Negativen wie im Positiven.
Den Befragungsergebnissen vom November und Dezember 2018 zufolge machten nur in knapp 10 Prozent aller befragten Unternehmen Beschäftigte von ihrem Auskunftsanspruch Gebrauch und dort zum überwiegenden Teil auch nur vereinzelt (vgl. Abb. 1a). Interessanterweise spielt es bezüglich der Häufigkeit der gestellten Anfragen keine so große Rolle, ob das betreffende Unternehmen tatsächlich unter das Entgelttransparenzgesetz...
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Die Erfahrungen, die die Personalleiter im ersten Jahr nach Inkrafttreten mit dem Gesetz gesammelt haben, scheinen die gedämpften Erwartungen vom Dezember 2017 zu bestätigen: Eine Wirkung des Entgelttransparenzgesetzes blieb weitestgehend aus – im Negativen wie im Positiven.
Den Befragungsergebnissen vom November und Dezember 2018 zufolge machten nur in knapp 10 Prozent aller befragten Unternehmen Beschäftigte von ihrem Auskunftsanspruch Gebrauch und dort zum überwiegenden Teil auch nur vereinzelt (vgl. Abb. 1a). Interessanterweise spielt es bezüglich der Häufigkeit der gestellten Anfragen keine so große Rolle, ob das betreffende Unternehmen tatsächlich unter das Entgelttransparenzgesetz fällt (bei mehr als 200 Beschäftigten) oder nicht.
Doch auch in den wenigen Fällen, in denen Mitarbeiter Auskunft über das Gehalt eines Kollegen bzw. einer Kollegin verlangten, hatte dies eher selten Auswirkungen. So führte nur rund jede siebte Auskunft zu einer Anpassung des Gehalts (vgl. Abb. 1b). In der Summe kam es also nur in rund 1,3 Prozent (9 Prozent * 14 Prozent) der Unternehmen zu Gehaltsanpassungen. Und überraschenderweise scheinen diese auch noch überwiegend auf freiwilliger Basis zu geschehen – denn der Anteil der Gehaltsanpassungen in Folge der Auskunftspflicht ist unter den kleinen und damit unter den nicht von Gesetzeswegen dazu verpflichteten Unternehmen am höchsten.
Dies passt auch dazu, dass die Häufigkeit von Auskunftsanfragen bzw. Gehaltsanpassungen in den verschiedenen Größenklassen mit der tatsächlichen Existenz von Lohnunterschieden in den Unternehmen korrespondiert. Den Befragungsergebnissen zufolge sind Lohnunterschiede für vergleichbare Tätigkeiten in kleinen Unternehmen am häufigsten und nehmen mit steigender Mitarbeiterzahl ab (vgl. Abb. 2).
Die positiven Effekte des Entgelttransparenzgesetzes sind also bislang überschaubar. An manchen Stellen scheint jedoch ein Hoffnungsschimmer durch, denn, obwohl vom Auskunftsanspruch bislang selten Gebrauch gemacht wurde, achten nun seit Inkrafttreten des Gesetzes mehr Unternehmen bei Neueinstellungen auf eine gerechtere Entlohnung – allerdings sind dies nur rund 3 Prozent. Das betrifft bislang nur einzelne Gehälter, das vorherrschende Gehaltsgefüge als solches – insbesondere was geschlechterspezifische Unterschiede angeht – blieb davon bislang unberührt.
Die Befürchtungen, dass das Gesetz Unfrieden unter den Mitarbeitern stiften oder einen großen bürokratischen Aufwand sowie hohe Kosten für die Unternehmen verursachen würde, scheinen sich ebenso wenig bewahrheitet zu haben. Nur 4 Prozent der Personalleiter berichteten, dass das Gesetz zu Unruhe in der Belegschaft geführt habe, und für knapp 90 Prozent der Unternehmen hielt sich auch der bürokratische Aufwand im Zusammenhang mit dem Entgelttransparenzgesetz in Grenzen, nur 1 Prozent sah sich dadurch einer so hohen Belastung ausgesetzt, dass es zu Beeinträchtigungen kam.
- Seite 1 − Die Wirkung blieb bislang aus
- Seite 2 − 10 Prozent machten Gebrauch
- Seite 3 − Erklärung für Wirkungslosigkeit
- Seite 4 − Definition von Gleichwertigkeit
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