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Cleverer Move, zig Jahre zu spät Unfaire Unwucht: Das Generationenkapital kann das Demografie-Dilemma nicht lösen

Von Lesedauer: 7 Minuten
Viele Alte, wenige Junge
Viele Alte, wenige Junge: In Deutschland sterben jedes Jahr „einmal Kassel“ mehr Menschen, als geboren werden. Aus diesem Grund fehlen der Wirtschaft Arbeitskräfte und den Sozialsystemen Beitragszahler. | Foto: Christin Jahns mit Canva-KI

Kassel stirbt aus! Jedes Jahr! Das hast du nicht mitbekommen? Fairerweise lautete die Nachricht auch etwas anders.

Die Stadt Kassel bleibt noch ein paar Jahre bestehen. Dennoch sterben in Deutschland jedes Jahr „einmal Kassel“ mehr Menschen, als geboren werden. Fachlich sauberer: die Fertilitätsrate reicht nicht, um die Mortalität auszugleichen. Da kann man sich Kassel schon besser merken.

Eine sinkende Bevölkerung bedeutet aber nicht nur weniger Sitze im EU-Parlament und weniger „Ich-hab‘s-passend-Bezahler“ in der Schlange an der Supermarktkasse. Langfristig fehlen der Wirtschaft Arbeitskräfte und den Sozialsystemen Beitragszahler.

Demografischer Wandel: Warum die Gesellschaft altert

Sebastian Zimmermann
Sebastian Zimmermann © SJB Fondsskyline

Es geht also im Kern erstmal gar nicht nur darum, dass wir Kassel weniger werden, sondern dass wir als Gesellschaft altern. Das Durchschnittsalter liegt in Deutschland bei 48 Jahren. Uff. Die meisten haben also schon länger gearbeitet, als sie noch arbeiten werden. Warum aber erinnert unsere Altersverteilung eher an eine Muttertagsvase aus dem Werkunterricht der 2b als an eine Pyramide?

Hier kommen Industrialisierung und Sozialgesetzgebung ins Spiel. Je besser es der Bevölkerung geht, umso mehr kann sie für später zurücklegen, braucht also keine große Kinderschar mehr als Altersabsicherung. Die Einführung grundlegender Sozialsysteme im Kaiserreich und deren Ausbau in der Wirtschaftswunderzeit haben dies beschleunigt. Durch die beiden Weltkriege fehlten zudem viele Väter und Mütter für zukünftige Generationen.

Der letzte große Knick nach unten kam dann mit der Antibabypille. Seit deren Einführung wurden deutlich weniger Kinder geboren, die dann natürlich auch ihrerseits weniger Kinder bekamen. Familien sind insgesamt kleiner geworden.

Mehr Rentner, weniger Beitragszahler

Statistiker haben für die UN berechnet, dass es nicht bei Kassel bleiben wird. Wenn sich der Trend so fortsetzt, dann weisen zum Ende des Jahrhunderts nur noch fünf Länder weltweit eine positive Bevölkerungsentwicklung auf. Bis auf Niger sind das alles Ministaaten wie Samoa. Die Weltbevölkerung könnte also ab spätestens 2080 anfangen zu schrumpfen.

Doch nicht nur die deutsche Bevölkerung insgesamt schrumpft jedes Jahr um ein Kassel. Auch der Arbeitsmarkt verliert jedes Jahr rund ein halbes Kassel. Die Politik regt sich derweil über Fachkräftemangel auf, wobei es doch insgesamt ein Arbeitskräftemangel sein wird, auf den wir schnurstracks zusteuern.

Denn genau jetzt, in den 2020ern, gehen auch noch die Babyboomer, also die in den 20 Jahren vor der Pille geborenen, nach und nach in Rente. Damit fehlen dann innerhalb von circa fünf Jahren nicht nur ein Haufen Einzahler in die Rentenkasse, sondern die wollen von einem Tag auf den anderen auch noch Geld aus dem Topf. Das ist so, als ob bei jedem Tor von Leverkusen den Bayern eins abgezogen wird.

 

Aktienrente: Vor- und Nachteile des Generationenkapitals

Dann einfach mehr Bayern-Fans nach Kassel: Migration! Pro Jahr Kassel Leute neu ins Land zu holen, hilft aber auch nur bedingt. Dann bleibt zwar die Zahl der Einwohner gleich, aber wir müssten schon Kassel Säuglinge ins Land holen, damit die Altersstruktur nicht immer weiter kippt. Also auch hier wieder keine einfache Lösung.

Wird also schwierig mit der Rentenkasse. Und weil sich das erst seit dem Pillenknick vor 50 Jahren abzeichnet, wird nun fix die Generationenrente eingeführt. Denn die Renten werden schon jetzt zu einem ordentlichen Teil aus Steuern gezahlt, das soll nicht weiter ausufern.

Grundsätzlich ein cleverer Move, allerdings zig Jahre zu spät.

Und auch nicht unbedingt fair. Denn alle jene, die nach 2039 in Rente gehen, bekommen trotzdem weniger. Sie zahlen noch mehr ein und dürfen dann auch die Zinsen auf die aufgenommenen Schulden für die Generationenrente bezahlen.

Nicht falsch verstehen, es wird endlich gegengesteuert und auch am Kapitalmarkt angelegt, der Schritt ist schon richtig. Aber auch hier macht es der demografische Wandel nicht einfacher. Denn wir brauchen ja steigende Aktienkurse, wenn das mit der Aktienrente klappen soll. Aber immer mehr Rentner bedeutet halt auch weniger Bedarf an neuen Autos, Kühlschränken und Leverkusen-Schals.

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Lösungen für das Demografie-Dilemma

Kein Problem, exportieren wir halt einfach nach China und Indien?! So einfach ist auch das nicht, denn wenn Arbeitskräfte rarer werden, wird auch weniger produziert und gedienstleistet.

Also doch Zuwanderung, damit mangelndes Wachstum unsere Aktienrente nicht kaputt macht? Und sich jemand um uns kümmert, wenn wir alt sind.

Und es gibt noch mehr Lösungen.

Länger arbeiten zum Beispiel. Da bekommen Arbeitgeberpräsidenten und Industrievertreter feuchte Träume.

Oder weniger Rente für die jetzt Jungen. Die bekommen davon eher Albträume und wollen dann nicht mal mehr halbtags arbeiten. Wofür auch, kann man schon verstehen.

Oder jetzt schon Rentenkürzungen, dann gibt’s aber Roll-Ins mit Gehhilfen. Auch nachvollziehbar.

Keiner will also was abgeben, aber keiner will auch mehr leisten. Das erinnert stark an ein klassisches Gefangenendilemma. Es wird also auf einen Kompromiss aus all diesen und noch mehr Ideen hinauslaufen, anders geht’s nicht. Und am Ende haben alle weniger, weil’s halt auch einfach weniger zu verteilen gibt. Damit werden wir uns abfinden müssen.

Warum private Altersvorsorge so wichtig ist

Mit diesem Wissen gilt es nun zu überlegen, wie man das persönlich abmildern kann. Die Antwort lautet: Selbst vorsorgen, jetzt weniger Konsum und mehr sparen, damit man dann später mehr hat. Leider ist dies für viele Menschen gar keine Option, dessen sind wir uns bewusst. Umso mehr ist es die Aufgabe derer, die investieren können, dies auch gefälligst zu tun.

 

Wenn unsere Wirtschaft aber doch unter der Alterung leidet, machen dann Aktien überhaupt Sinn?

Unsere mutige Prognose: Babyöl wird vielleicht weniger laufen als Schrundensalbe, Bobbycars schlechter als Rollatoren, der Konsum ändert sich. Florida hat auch längere Ampelphasen als andere Staaten, eben wegen des höheren Anteils an Rentnern dort. Bei Selfies von 15-Jährigen die Pickel auf Insta wegzuretouchieren ist ja schön und gut, aber Technologie kann schon etwas mehr.

Aktienauswahl entscheidend für die Altersvorsorge

Es kommt also darauf an, was für Aktien(fonds) man in Zukunft kauft. Das war übrigens auch schon immer so. Zusätzlich beobachten wir schon jetzt, dass immer mehr Junge die Zeichen der Zeit erkannt haben und sich bei Youtube eben nicht nur Schminktipps holen, sondern sich auch in Finanzdingen informieren. Und dann Aktien, Fonds und ETFs kaufen. Ihre Eltern haben noch Lebensversicherungen und Bausparverträge abgeschlossen.

Und wenn wir mal über die Industrieländer hinausschauen, gibt es dort ja auch noch so geschätzte 160+ Länder auf der Welt. In denen es oft nicht mal ansatzweise ein Rentensystem gibt. Hier müssen wir Menschen privat vorsorgen. Und je weiter sich die Mittelschichten in China, Indien und anderen Schwellenländern entwickeln, werden auch hier, trotz aller beschriebener Probleme, junge Menschen investieren (müssen). Vieles spricht also für eine steigende Nachfrage nach Aktien und Fonds.

>> Wie viel Kapital du mit einem Sparplan auf einen ETF oder Fonds über verschiedene Zeiträume aufbauen kannst, findest du mit unserem Sparplan-Rechner ganz einfach raus.

Über den Autor

Sebastian Zimmermann ist Leiter Investment und Research der Vermögensberatung SJB Fondsskyline 1989 e.K. in Korschenbroich.

 

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