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Unicredit-Chefvolkswirt über Gewinner und Verlierer der Zinserhöhung

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Die Verlierer

Die Kehrseite der Medaille könnten die europäischen Unternehmen zu spüren bekommen. Zwar profitieren auch sie von einem stärkeren Euro, da sich ihre Rohstoffrechnung verbilligt. Gleichzeitig werden aber die Ausfuhren teurer. Allerdings dürfte eine weitere graduelle Aufwertung durch die schrittweise Normalisierung des europäischen Leitzinsniveaus verkraftbar sein. Kritisch würde es, wenn der Euro plötzlich in die Höhe schießt und dadurch die Kalkulationsgrundlagen von Unternehmen ins Wanken geraten. Der Schlüssel liegt hier allerdings nicht in Europa, sondern in den USA. Sollte QE3 folgen und die Federal Reserve erneut die Liquiditätsschleusen öffnen, würde der US-Dollar stark an Wert verlieren. Ein solches Szenario halten wir aber zumindest in diesem Jahr (mittlerweile) für unwahrscheinlich.

Ein weiterer möglicher Transmissionskanal einer Zinserhöhung ist die Belastung für die öffentlichen Haushalte in Europa. Steigen die Geldmarktzinsen, verteuert sich die kurzfristige Refinanzierung der Staaten.1 Allerdings existiert für die gesamte Zinslast kein Automatismus. Im Zuge der monetären Straffung könnten sich die Inflationserwartungen reduzieren. Dadurch gehen die nominalen Kapitalmarktzinsen zurück und ein insgesamt entlastender Effekt für die Fiskalpolitik tritt ein.

Für wesentlich entscheidender halten wir eine andere Wirkungskette, die über die europäischen Immobilienmärkte läuft. Hier dominieren auch mehr als zwölf Jahre nach Einführung des Euro nationale Unterschiede, die dann zu unterschiedlich starken Effekten einer Zinserhöhung führen.



Doch der Reihe nach: In einigen EWU-Staaten ist der Anteil der Hypothekenkredite mit einer Zinsbindung von bis zu zwölf Monaten sehr hoch. In Portugal etwa macht diese Relation EZB-Angaben zufolge sage und schreibe 99% aus (vgl. Y-Achse in Grafik). In Spanien sind es rund 90%, in Irland immerhin noch 67%. Damit schlägt sich eine Veränderung des Leitzinses schnell und unmittelbar in einer Verteuerung von Wohnimmobilienkrediten nieder. Da die kurzfristigen – und bereits bestehenden – Kredite zu einem höheren Zinssatz refinanziert werden müssen, entsteht ein Kaufkraftverlust für die Eigenheimbesitzer. Dabei gilt: Je höher der Anteil variabler Finanzierung und der Schuldenstand, desto stärker fällt dieser Effekt ins Gewicht.

Damit sind ausgerechnet die in die Bredouille geraten Immobilienmärkte in Portugal, Spanien und Irland besonders stark betroffen. Sie weisen nämlich nicht nur eine hohe Abhängigkeit vom europäischen Geldmarkt auf. Hier liegt auch die Verschuldung bei Hypothekenkrediten (in Relation des nationalen BIP) deutlich über dem EWU-Durchschnitt. Zuletzt schrumpften die irischen Hauspreise immer noch um rund 10% gegenüber Vorjahr (Spanien: -3,5%). In Portugal legten sie zum ersten Mal wieder leicht zu, nachdem sie seit Ende 2007 kontinuierlich nachgegeben hatten.

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