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Union-Investment-Experte Frank Engels „Protektionismus gleicht einem schleichenden Gift“

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Vor Protektionismus kann sich also keiner vollkommen schützen. In der US-Stahlbranche sieht man bereits die Tücken: Während Trump die 142.000 Stahlarbeiter mit Zöllen protegiert, gerät die stahlverarbeitende Industrie mit 6,5 Millionen Arbeitern bereits in Bedrängnis, da die höheren Kosten für mexikanischen und kanadischen Stahl zu erhöhten Preisen für die Endkunden führen. Die ersten Firmen berichten bereits von Entlassungen und Umsatzeinbußen.

Von größeren und kleineren Verlierern

Dabei träfe ein Handelskrieg nicht alle gleich: In den Welthandel verflochtene Volkswirtschaften werden stärker in den Strudel geraten als die eher binnenmarktorientierten. China, Mexiko, die Eurozone, insbesondere Deutschland, würde ein Rückgang des Welthandels besonders hart treffen. China ex- und importiert in Summe etwa 35 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP). Bei Mexiko sind es 68 und bei Deutschland beispielsweise 70 Prozent. Dagegen ist die Wirtschaft der USA stark binnenorientiert, was durchaus typisch ist für besonders große Länder: Mit einem Offenheitsgrad von 21 Prozent belegen die Vereinigten Staaten weltweit den fünftletzten Platz.

Anleger sollten das in ihre Positionierung einbeziehen. Auf der Aktienseite wird der Wind insbesondere für die Emerging Markets und zyklische Sektoren rauer. Hierzu ein Rechenbeispiel: Bei einem Rückgang des Welthandels um ein Prozent würde der MSCI Emerging Markets um 5,3 Prozent nachgeben, basierend auf historischen Erfahrungen. Vor allem Chinas Aktienmärkte dürften in Bedrängnis geraten. Auch der DAX dürfte mit -3,1 Prozent ins Hintertreffen geraten. Fast jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt vom Export ab. Dagegen wäre der Effekt beim S&P 500 mit -2,4 Prozent moderater. Auch US-Nebenwerte, die im Russell 2000 enthalten sind, kämen glimpflich davon. Die kleinen und mittelgroßen Firmen sind meist nicht so sehr in den Welthandel eingeflochten, sondern profitieren eher von der Binnenkonjunktur.

Da die Handelssticheleien von Trump ausgehen, sollten Anleger zudem einen Blick auf jene Volkswirtschaften richten, die den größten Handelsbilanzüberschuss mit den Vereinigten Staaten haben. Neben China, Deutschland und Mexiko, die Trump bereits ein Dorn im Auge sind, finden sich hier weitere Kandidaten, darunter Italien und Frankreich.

Mit Blick auf die Sektoren dürfte es für IT-, Industriewerte und Banken ungemütlich werden, sollte der Handelskonflikt sich ausweiten. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass die USA von sich aus die Zollthematik in den Dienstleistungssektor tragen, wo sie unter anderem mit der Eurozone einen massiven Handelsbilanzüberschuss haben. Insofern bleiben Industriewerte das „wahrscheinlichste Opfer“ von Trumps Handelspolitik, wohingegen Vergeltungsmaßnahmen anderer Länder die USA am empfindlichsten in den Bereichen IT und Finanzen treffen würden. Das würde nicht nur über die direkten Auswirkungen der Zölle auf die Produktion geschehen, sondern weil der resultierende Abverkauf am US-Aktienmarkt zu negativen Vermögenseffekten führen würde, die wiederum konjunkturell dämpfend wirken. Defensive Sektoren wie Versorger und Telekommunikationsunternehmen sollten sich dagegen besser entwickeln.

Sollte es tatsächlich zu einem Handelskrieg kommen,– was bedeuten würde, dass auch die anderen Länder untereinander die Zollkeule oder andere protektionistische Maßnahmen auspacken würden  wären die sicheren Häfen der verschiedenen Anlageklassen gefragt, z. B. die sicheren Staatsanleihen. Kurz- bis mittelfristig würden die Renditen von US-Treasuries und Bundesanleihen in Erwartung einer Konjunkturabkühlung infolge des rückläufigen Welthandelswachstums sinken. Für China könnte beispielsweise auch eine Abwertung des Yuan gegen den US-Dollar ein probates Mittel sein, das der Zollwirkung nahekommt. Dadurch würden US-Produkte in China verteuert und chinesische Waren für US-Kunden trotz Zöllen preislich attraktiv bleiben.

Für ausgewählte Rohstoffpreise ist das Bild, das sich im Falle einer Ausweitung der Strafzölle ergeben würde, kurzfristig vermutlich sogar positiv, denn China wird versuchen, die Wachstumseinbußen im Außenhandel durch Infrastrukturmaßnahmen im Land auszugleichen. Dadurch würden mehr Stahl und Industriemetalle nachgefragt, was preistreibend wirken sollte. Mittel- bis langfristig ist ein Handelskrieg für diese spätzyklische Assetklasse aber auch schädlich.

Divergenzen im Portfolio nutzen

Die Welt steuert scheinbar unaufhaltsam auf eine weitere Eskalation im Handelsstreit zu. Trump wird bei diesem Thema vermutlich nicht locker lassen und jede Vergeltungsmaßnahme noch einmal härter bestrafen. Sein Kampf um die Erhaltung der Marktführerschaft bei wichtigen Schlüsseltechnologien einerseits und seine politisch motivierte, protektionistisch angelegte Industriepolitik andererseits kombiniert mit dem politisch wichtigen Datum der Midterm Elections im Herbst treiben ihn dazu. Dass er damit den Welthandel vergiftet und einen weltweiten Wachstumsverlust anzettelt, nimmt er billigend in Kauf.

Am Ende wird der Protektionismus allen schaden – den einen mehr, den anderen weniger. Die USA dürften zu den Gewinnern unter den Verlierern gehören, solange die Aktienmärkte nicht deutlich nach unten korrigieren. Letzteres verhindert derzeit wirkungsvoll der expansive Impuls der Steuerreform. Auch die auf die Binnenkonjunktur sensiblen US-Nebenwerte sowie ausgewählte Rohstoffe bieten auf kurze Sicht Chancen. Anleger können die zeitlichen und regionalen Divergenzen für sich nutzen. Durch aktives Management lässt sich der Handelsschaden zumindest im Portfolio minimieren.

Autor Frank Engels leitet das Portfoliomanagement bei Union Investment.

 

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