Union-Investment-Experte Max Holzer
Das Corona-Thermometer

Leitet im Portfoliomanagement von Union Investment die Abteilung Relative Return des Bereiches Multi Asset: Max Holzer. Foto: Union Investment
Der Ölpreis zeigt deutlich, wie es um die Weltwirtschaft bestellt ist, sagt Max Holzer. Hier erklärt der Leiter der Abteilung Relative Return von Union Investment, wie der Zusammenhang zustande kommt.
Die Terminkurve am Ölmarkt belegt, wie groß das Überangebot derzeit ist. Für kurze Laufzeiten liegen die Preise deutlich niedriger als für lange. Das bedeutet: Für Öl, das in den nächsten Tagen oder Wochen geliefert werden soll, ist der Markt weniger zu zahlen bereit als für Öl, das erst in einigen Monaten oder Jahren geliefert wird. In der Fachsprache wird dieses Phänomen Contango genannt. Es lohnt sich dann, Öl zu lagern und zu einem späteren Zeitpunkt zu verkaufen.
Mit dem gestiegenen Anreiz, Ölvorräte zu horten, verschärft sich die Frage der Lagerhaltung. Aufgrund des abrupten Nachfrageeinbruchs während der Coronakrise und erst zögerlich umgesetzter Produktionskürzungen sind die Öllagerbestände...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Die Terminkurve am Ölmarkt belegt, wie groß das Überangebot derzeit ist. Für kurze Laufzeiten liegen die Preise deutlich niedriger als für lange. Das bedeutet: Für Öl, das in den nächsten Tagen oder Wochen geliefert werden soll, ist der Markt weniger zu zahlen bereit als für Öl, das erst in einigen Monaten oder Jahren geliefert wird. In der Fachsprache wird dieses Phänomen Contango genannt. Es lohnt sich dann, Öl zu lagern und zu einem späteren Zeitpunkt zu verkaufen.
Mit dem gestiegenen Anreiz, Ölvorräte zu horten, verschärft sich die Frage der Lagerhaltung. Aufgrund des abrupten Nachfrageeinbruchs während der Coronakrise und erst zögerlich umgesetzter Produktionskürzungen sind die Öllagerbestände im April und Mai extrem in die Höhe geschossenen. Seither haben sie sich zwar wieder abgebaut, sind aber immer noch vergleichsweise groß. Der gesamte Lagerbestand in den USA, also Rohöl und Produkte ohne strategische Reserven liegt etwa 7 bis 8 Prozent über dem Fünfjahres-Durchschnitt.

Warum ist aber ein weiterer Preisrutsch eher unwahrscheinlich? Das liegt an der geringeren Aktivität der US-Schieferölproduzenten. Sie haben in den vergangenen Jahren die Förderung extrem ausgeweitet, sind aber durch den Preiseinbruch in Bedrängnis geraten.
Ihre Finanzierung ist seit der Coronakrise sehr viel schwieriger geworden, weshalb nicht zu erwarten ist, dass sie bei steigenden Notierungen schnell in den Markt zurückkehren. Ablesbar ist dies auch an der Zahl aktiver Bohrtürme (Rig Count). Hier sind aktuell noch rund 250 Bohrtürme aktiv, zu Jahresbeginn waren es noch etwa 800.
Sofern sich die Nachfrage also stabilisiert, dürfte es von dieser Seite kaum eine Angebotsausweitung geben. Damit fällt die US-Fracking-Industrie als Zünglein an der Waage oder Swing-Produzent zumindest bis auf Weiteres aus. Zumal das Ölkartell Opec viel daran setzen wird, die brachliegende Produktion bei steigender Nachfrage wieder auszuweiten und damit Marktanteile zurückzugewinnen.
Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Pandemie durch einen Impfstoff dauerhaft beherrscht werden kann. Jede neue Einschränkung von Wirtschaftsaktivitäten dämpft die Ölnachfrage, denn immer noch sind Verkehr und Industrie stark vom Schwarzen Gold abhängig. Union Investment erwartet derzeit, dass der Ölpreis erst in einigen Monaten wieder anziehen wird. Im Herbst 2021 dürfte ein Preis von 50 US-Dollar je Fass der Nordseesorte Brent möglich sein, bis zum Jahresende könnte er weiter anziehen.
Denn der Ölmarkt ist der Gradmesser der Corona-Pandemie. Ein weiterer Preisrutsch ist nur dann zu erwarten, wenn die Neuinfektionen wieder stark steigen und neue Lockdowns das Wachstum begrenzen. Dem dürften aber die Produzentenländer begegnen – entweder durch weitere Produktionskürzungen oder durch den Marktaustritt von nicht mehr finanzierbaren Unternehmen in der US-Fracking-Branche. Preisbestimmende Faktoren sind folglich die Disziplin auf der Förderseite sowie das Tempo des Lagerabbaus. Eine nachhaltige Preiserholung zeichnet sich erst für die zweite Jahreshälfte 2021 ab.
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