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„Unternehmen waren selten so solide wie heute”

Roman Gaiser
Roman Gaiser
DAS INVESTMENT: Europäische Hochzinsanleihen bringen gegenwärtig nur zwischen 5 und 6 Prozent. Warum sind die Papiere dennoch attraktiv?

Roman Gaiser: Die durchschnittliche Verzinsung ist historisch betrachtet in der Tat niedrig. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass wir uns in einem Umfeld expansiver Geldpolitik mit historisch niedrigen Zinsen und Renditen bewegen. Zehnjährige Bundesanleihen bringen nur rund 1,3 Prozent, bei Papieren kürzerer Laufzeit sind es entsprechend weniger.

Über den High-Yield-Index hinweg ergibt sich dadurch ein Renditevorsprung von rund 500 Basispunkten. Das entspricht ziemlich genau dem historischen Durchschnitt. Von einem heiß gelaufenen Markt, wie vor der Finanzkrise, als der Spread nur noch 180 Basispunkte betrug, kann keine Rede sein.


Quelle: Pictet, Stand: 31.3.2013

Welche Ausfallraten impliziert die aktuelle Bewertung des Hochzinssegments?

Gaiser: Die Ausfallwahrscheinlichkeit, die der Markt derzeit einpreist, liegt bei 32 Prozent über die kommenden fünf Jahre. Selbst 2009, als die Weltwirtschaft in die Rezession rutschte, waren es nur 16 Prozent bei einem Jahr. Der Markt ist zu pessimistisch. Schätzungen zufolge dürfte die Ausfallrate bei 3,2 Prozent liegen. Die Bewertung lässt Luft nach oben.

Allerdings kühlt sich das Wirtschaftswachstum derzeit leicht ab. Steigt da nicht die Gefahr von Zahlungsausfällen?

Gaiser: Wir sehen vor allem in den USA und Asien stabile Wachstumsraten bei moderater Inflation. Ein schwächeres Wachstum im Euroraum kann zwar für schwächere Umsätze bei europäischen Firmen sorgen und vor allem auf hoch verschuldete Unternehmen einen gewissen Druck ausüben. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass die europäischen Unternehmen, in die wir mit dem Pictet-Eur Short Term High Yield investieren, erhebliche Teile ihres Geschäfts außerhalb der Eurozone machen.

Das sind keine kleinen Ramsch-Firmen, sondern Global Player wie Continental oder Fresenius. Viele europäische Unternehmen sind in einer sehr guten Verfassung. Viele haben ihre Verschuldung gegenüber 2008, also vor Beginn der Finanzkrise, zurückgefahren und sind heute solider aufgestellt.

Noch viel wichtiger aber ist, dass sie ausreichende Cashflows generieren, die sie zur Eigenfinanzierung der Kapitalinvestitionen verwenden. Zugleich ist die Netto- Kreditaufnahme im Vergleich zu 2006 bis 2008, als die Firmen viel mehr ausgegeben als eingenommen haben, gering.

In welchem Bereich des Credit-Rating sehen Sie aktuell die größten Chancen?

Gaiser: Im Single-B-Bereich. Das ist für uns der Sweet Spot, wo wir das beste Verhältnis zwischen Risiko und Ertrag und folglich das größte Potenzial nach oben sehen. Wo wir ebenfalls sehr aktiv sind, sind Neuemissionen. Dort bieten die Bewertungen noch Prämien für Investoren.

Können Sie das konkretisieren?

Gaiser: Seit Jahresbeginn kam ein Volumen von 25 Milliarden Euro an den Markt. Diese Substitution von Bankkrediten durch Anleiheemissionen dürfte sich in Europa fortsetzen. In den USA finanzieren sich Unternehmen im Schnitt zu 20 Prozent durch Bankkredite, zu 80 Prozent durch die Emission von Anleihen. In Europa ist das Verhältnis eher umgekehrt. Wir werden also eine Entwicklung hin zu einer verstärkten Finanzierung über den Kapitalmarkt sehen.

Was ist mit dem Risiko einer Zinswende?

Gaiser: Das Thema muss man ernst nehmen. Mit dem Pictet-Eur Short Term High Yield Fonds konzentrieren wir uns auf Hochzinsbonds mit kurzen Laufzeiten. Und da fallen die Kursverluste, wenn die Zinsen steigen, deutlich geringer aus als bei Papieren mit langen Laufzeiten.

Wäre es nicht sinnvoll, in einer solchen Phase aus dem Markt rauszugehen?

Gaiser: In der Regel liegen Investoren, wenn sie versuchen, einen Markt zu timen, meist falsch. Ich bevorzuge eine Portfoliosteuerung der ruhigen Hand. In der Vergangenheit haben diese Anleihen, wenn deren Kurse eingebrochen sind, solche Kursrückgänge aufgrund der hohen Kupons, die sie bieten, in der Regel in den darauffolgenden zwölf Monaten wieder aufgeholt. High-Yield-Bonds eignen sich deshalb, anders als viele Investoren glauben, weniger als ein taktisches, sondern vielmehr als ein strategisches und langfristiges Investment.

Weitere Interviews finden Sie in unserem Flipbook.




Über den Interviewten: Der 1970 geborene Stuttgarter Roman Gaiser beschäftigt sich schon lange mit den weltweiten Anleihemärkten. 1995 startete er seine berufliche Karriere im Credit-Risk-Team von Renault Credit, danach folgten Louis Dreyfus Finance in Paris, die Bankgesellschaft Berlin, wo er als Bondanalyst arbeitete, sowie F&C Asset Management und Threadneedle, wo er jeweils High-Yield-Fonds managte. Seit 2011 ist Gaiser, der seinen Abschluss in International Economics and Finance an der Universität von Dauphine in Paris machte, bei Pictet, wo er für die Fonds Pictet-Eur Short Term High Yield und Pictet-Eur High Yield verantwortlich zeichnet.

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