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Unternehmensanleihen aus Asien sind derzeit nicht attraktiv"

Craig MacDonald
Craig MacDonald
Das Interview wurde von Standard Life Investments zur Verfügung gestellt.

Europäische Unternehmensanleihen sind in einer eigenartigen Lage: Einerseits sollten all die jüngsten quantitativen Lockerungs- und  Refinanzierungsinitiativen der Zentralbanken den privaten Banken geholfen haben – aber anscheinend haben sie nicht bewirkt, dass die Banken den Firmen mehr Liquidität zur Verfügung stellen. Andererseits sind europäische Unternehmensschulden ein Sektor, der während der vergangenen zehn Jahre rasch gewachsen ist. Wie passt das zusammen?

Craig MacDonald: Da wirken zwei verschiedene Strömungen. Während der vergangenen zehn Jahre hat der europäische Markt für Unternehmensanleihen als Finanzierungsquelle für Unternehmen und Banken gleichermaßen an Bedeutung zugenommen – und zwar nicht nur in Europa, sondern weltweit. Er hat sich somit auf der einen Seite für Unternehmen zu einer wirkungsvollen, alternativen Finanzierungsquelle anstatt der üblichen Bankkredite entwickelt.

Auf der anderen Seite wurden Anleiheemissionen zu einer Finanzierungsquelle für das schnelle Bilanzwachstum europäischer Banken, das mindestens bis 2007 sichtbar war. In Zukunft müssen europäische Banken jedoch ihre Bilanzen verbessern, um strengeren Kapitalanforderungen nachzukommen. Deshalb erwarten wir eine Reduzierung der Kreditvergabe durch die Banken.

Die größeren Unternehmen werden die Anleihemärkte weiterhin als wesentliche Finanzierungsquelle ansehen. Ihr Finanzierungsbedarf ist allerdings momentan ziemlich gering, da sie viel Bargeld haben und Fusionen sowie Übernahmen noch auf einem niedrigen Stand sind. Deshalb würden wir erwarten, dass die Gesamtgröße des europäischen Marktes für Unternehmensanleihen flach bleibt oder langsam schrumpft. Das stützt die Anleihekurse, da die Zuflüsse von Investoren in den Anleihemarkt noch stark sind.

Welche Wirkung hatten die Refinanzierungs-Initiativen?

MacDonald: Die Krise der Staatsschulden in den europäischen Peripherieländern in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hat bei vielen europäischen Banken zum Versiegen der Finanzquellen geführt. Die LTRO-Initiative der Europäischen Zentralbank trug wesentlich dazu bei, dass die europäischen Banken nicht in eine Liquiditätskrise gerieten. Es wird jedoch noch einige Zeit dauern, bis sie einen tatsächlichen Einfluss darauf hat, die Kreditvergabe der Banken in Europa anzukurbeln.

Das liegt daran, dass die Banken unter gewaltigem Regulierungsdruck stehen, ihre Kapitalbasis zu verstärken – und der schnellste Weg dorthin führt über die Verbesserung ihrer Bilanzen. Darüber hinaus reagieren sie auf das schwache wirtschaftliche Umfeld, indem sie ihre Vorgaben zur Gewährung von Krediten straffen.

Wenn Firmen wie Apple einen Teil ihres Geldes den Investoren in Form von Dividenden zurückgeben oder Aktien zurückkaufen, ist das im Allgemeinen gut für den Aktienkurs dieser Unternehmen. Für andere Firmen in demselben Industriezweig, die nicht in einer solchen Position sind, könnte das allerdings Stress bedeuten, sobald sie eine Unternehmensanleihe auflegen wollen. Stimmen Sie dem zu?

MacDonald: Aggressive Aktienrückkäufe oder große Fusionen und Übernahmen können für Aktionäre oft positiv sein, allerdings auf Kosten von Anleihebesitzern, weil die gesamte Kreditqualität einer Firma durch solche Maßnahmen sinken kann. Gegenwärtig sehen wir das als ein verhältnismäßig geringes Risiko für die Mehrheit der Firmen an, die angesichts des ungewissen wirtschaftlichen Umfelds weiterhin konservativ handeln. Dennoch ist das eine Überlegung, die wir berücksichtigen, wenn wir über den Ankauf des Anleihepapiers eines Unternehmens entscheiden.

Wie liegen europäische Unternehmensanleihen im Vergleich zu ihren Gegenstücken in den USA und Asien in Bezug auf Dividendenkupons, Bewertungen und Ausfallrisiken?

MacDonald:
Im Durchschnitt können europäische Unternehmensanleihen einen höheren, über ihrer jeweiligen zugrundeliegenden Staatsanleihe lautenden Ertrag bieten als eine US-Unternehmensanleihe mit ähnlicher Laufzeit. Das liegt zum Teil daran, dass das wirtschaftliche Umfeld in Europa schwächer ist, und zum Teil an der Ungewissheit, die durch die Probleme der europäischen Peripherieländer verursacht werden. Deshalb glauben wir, dass europäische Unternehmensanleihen, verglichen mit US-Unternehmensanleihen, derzeit marktgerecht bewertet sind.

Unternehmensanleihen aus Asien hingegen bieten momentan weniger attraktive Möglichkeiten. Europäische Banken waren Großanbieter von Finanzierungen in Asien, aber reduzieren jetzt ihr Engagement. Dort wird es aber weiterhin eine große Nachfrage seitens asiatischer Firmen geben. Dies geschieht zu einer Zeit, in der das Wachstum Chinas schneller als erwartet zurückgeht, während das Land bemüht ist, seine Wirtschaft immer mehr auf Konsumnachfrage anstatt auf umfangreiche Infrastrukturinvestitionen umzulenken. Wir gehen davon aus, dass diese Änderung einige   unerwartete Erschütterungen mit sich bringen und zu größerer Volatilität der asiatischen Anleihen führen wird.

Hintergrund:
Craig MacDonald ist Manager des European Corporate Bond Fund (WKN: A0MRSB) von Standard Life Investments. Beim Investmentansatz geht es darum, Firmen, in die investiert wird, richtig zu verstehen. Um das zu erreichen, treffen MacDonald und sein Team sich regelmäßig mit der Geschäftsleitung, führen Kalkulationen durch und nutzen Einblicke in Wertpapiere und quantitative Modelle, um in Aufschwungsfirmen zu investieren und Problemfirmen wie Lehman’s, Washington Mutual et cetera zu vermeiden. Zusätzlich konzentriert sich das Team auf Veränderungen im gesamten Umfeld des Unternehmens – seien es gesamtwirtschaftliche, politische oder Investitionstrends.

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