Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch
Unternehmer greifen wieder tiefer in die Tasche
Aktualisiert am 31.01.2022 - 10:30 Uhr
Alexander Börsch ist Chefökonom bei Deloitte Deutschland. Foto: Deloitte
Geschäftsleute nehmen wieder mehr Geld in die Hand, um sich digital auszustatten. Welche Motive dahinter stecken und was in Sachen Homeoffice zu beachten ist, erklärt Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch.
Eine genauere Betrachtung zeigt, dass der Anstieg der Investitionen sich sehr auf den Bereich der Digitalisierung konzentriert. In den USA zeigt sich dies schon in den harten Daten. Die Investitionen in IT-Ausrüstung und Software sind dort unmittelbar nach Beginn der Krise im März 2020 konstant geblieben und dann stark gestiegen. Im dritten Quartal 2021 liegen sie 18 Prozent höher als vor der Krise. Die sonstigen Investitionen sind dagegen erst stark eingebrochen und bewegen sich langsam Richtung Vorkrisen-Niveau.
Die Umfragedaten aus Deutschland deuten ebenso darauf hin, dass Digitalisierung auch hierzulande der Schwerpunkt der Investitionsaktivitäten bildet. Auch die deutschen Unternehmen...
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Eine genauere Betrachtung zeigt, dass der Anstieg der Investitionen sich sehr auf den Bereich der Digitalisierung konzentriert. In den USA zeigt sich dies schon in den harten Daten. Die Investitionen in IT-Ausrüstung und Software sind dort unmittelbar nach Beginn der Krise im März 2020 konstant geblieben und dann stark gestiegen. Im dritten Quartal 2021 liegen sie 18 Prozent höher als vor der Krise. Die sonstigen Investitionen sind dagegen erst stark eingebrochen und bewegen sich langsam Richtung Vorkrisen-Niveau.
Die Umfragedaten aus Deutschland deuten ebenso darauf hin, dass Digitalisierung auch hierzulande der Schwerpunkt der Investitionsaktivitäten bildet. Auch die deutschen Unternehmen scheinen die Corona-Krise zu nutzen, um die Digitalisierung voranzutreiben. Im Deloitte CFO Survey haben 84 Prozent der Unternehmen als Reaktion auf die Corona-Krise ihre Investitionen in digitale Technologien erhöht, in der chemischen Industrie waren es sogar 100, im Handel 90 Prozent. Ein Fünftel der Unternehmen haben ihre digitalen Investitionen sogar stark erhöht, hier war die Immobilienbranche führend. In dieser Hinsicht führt die Corona-Krise indirekt zu einer sehr viel stärkeren Verbreitung von digitaler Technologie, der oft erhoffte und beschworene Digitalisierungsschub scheint sich tatsächlich zu materialisieren.
Von daher sind die Vorzeichen positiv, das schwache Produktivitätswachstum damit aber noch nicht überwunden. Mehr Investitionen bereiten den Boden für ein höheres Produktivitätswachstum, sind aber keine Garantie dafür. Es kommt auf der Unternehmensebene darauf an, wie produktiv die Investitionen sind. Auf der Unternehmenseben bringt die Corona-Krise wiederum eine neue Unbekannte für die Produktivität mit sich, nämlich die Effekte des Home Office.
Es ist absehbar, dass sich das Home Office in der Nach-Corona-Zeit stärker etablieren wird, die meisten Befragungen zeigen, dass Arbeitnehmer 2 bis 3 Tage von Zuhause arbeiten wollen. Aus innovationsökonomischer Sicht ist das nicht uneingeschränkt positiv. Durch Social Distancing und Home-Office sinkt die Zahl der Begegnungen und damit der Wissensaustausch. Nachdem sich Innovation aber meistens aus ungeplanten Begegnungen entwickelt, könnte die Innovationsleistung und damit die Produktivität sinken, eine Befürchtung, die der Oxford Ökonom Carl Benedict Frey schon sehr früh in der Corona-Krise äußerte. Man verabredet sich normalerweise selten, um innovativ zu sein und wenn doch, klappt es nicht unbedingt.
Andererseits sind die Selbsteinschätzungen von Arbeitnehmer über ihre Produktivität im Home Office recht positiv und auch der technologische Fortschritt kann helfen. Laut dem Stanford-Ökonomen Nicholas Bloom hat sich die Zahl der Patentanmeldungen in den USA im Zusammenhang mit dem Home Office in den ersten neun Monaten des Corona-Jahres 2020 mehr als verdoppelt. Insofern könnten persönliche Begegnungen und der Wissensaustausch künftig virtuell besser nachgeahmt werden.
Welcher Effekt auf die Produktivität überwiegt, wird entscheidend davon abhängen, wie die Zeit im Büro verbracht wird. Wenn Arbeitnehmer seltener im Büro sind, müssen die Interaktionen und die Begegnungen sorgfältiger geplant und durch Bürodesign und Ausstattung gefördert werden. Dass Bürodesign und letzten Endes zufällige Begegnungen beim Kaffeeklatsch einen entscheidenden Einfluss auf das ziemlich abstrakte, aber entscheidende Konstrukt der gesamtwirtschaftlichen Produktivität haben können, ist überraschend. Es zeigt vor allem, dass Produktivität davon abhängt, wie sich Unternehmen auf neue Bedingungen einstellen und wie sie Innovation gestalten.
Wenn sich die steigende Investitionsneigung auf diese Weise tatsächlich in eine stärkere Verbreitung von digitaler Technologie und Produktivitätsgewinne überträgt, wäre der mittelfristige makroökonomische Ausblick durchaus positiv. Die inzwischen vielfach befürchtete Stagflation würde als Risiko abnehmen und das Wachstumspotenzial zunehmen. Die zuletzt oft beschworenen neuen goldenen 20er Jahre wären damit nicht garantiert, aber ein realistisches Szenario, selbst unter den erschwerten demographischen Vorzeichen der nächsten Dekade.
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