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Urteil des LG Kleve Wieso die Mechatronikerin Anspruch auf BU-Leistungen hat

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Das Gericht hat zur Klärung der Frage nach der Berufsunfähigkeit das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt. Danach sei die Diagnose „Ehlers-Danlos-Syndrom“ lediglich eine Verdachtsdiagnose. Die Klägerin leide jedoch an einem Hypermobilitätssyndrom, was dieselben klinischen Symptome und Kriterien aufweise, welche für die Form des Ehlers-Danlos-Syndrom existieren. Das Hypermobilitätssyndrom sei die mildere Form dieses Syndroms, so der Sachverständige. Aufgrund des Hypermobilitätssyndroms führe die immer wiederholende körperliche Beanspruchung bei der Ausbildung zur Mechatronikerin zu Gelenkbeschwerden im Bereich der oberen Extremität, im linken Knie und im Bereich der Wirbelsäule. Die Klägerin sei dadurch nicht in der Lage, ihren Beruf zu mindestens 50 Prozent auszuüben, so das Gericht. Die Belastung führe bei der Klägerin zu chronischen wiederkehrenden, schmerzhaften Phasen aufgrund Reizerscheinungen. Dies ergebe sich aus den Behandlungsdokumentationen.

Vorvertragliche Berufsunfähigkeit?

Die Beklagte verweise zutreffend darauf, dass Hypermobilität der Klägerin konstitutionell sei und schon immer vorgelegen habe. Jedoch beschreibe die Hypermobilität nur einen Zustand, ohne einen Krankheitswert zu haben, so der Sachverständige. Krankheitswert habe es dann in Form des davon zu unterscheidenden Hypermobilitätssyndroms. Dieses könne aber nur im Falle sich chronisch wiederholender Beschwerden bejaht werden. Es bestehe lediglich eine Veranlagung, die die Entwickelung eines Hypermobilitätssyndroms als möglich erscheinen lasse. Das Gericht hat vorliegend festgestellt, dass eine solche Prognose bei der Klägerin nicht möglich gewesen sei. Es habe nichts darauf hingedeutet, dass sie ein solches Syndrom entwickeln werde. Letztendlich habe bei der Klägerin ein Syndrom vor Abschluss des Versicherungsvertrages nicht vorgelegen.

Ein Tätigkeitsverweis der Klägerin auf ihren nunmehr ausgeübten Beruf als Fotoassistentin, Fotodesignerin und Grafikdesignerin durch die Beklagte sei nicht möglich, so das LG Kleve. Es handele sich jedenfalls wegen des Einkommensverlustes nicht um eine Tätigkeit, die im Sinne von Paragraf 1 Abs. 4 lit. a.) AVB-BU der „bisherigen Lebensstellung“ der Klägerin entspricht. Dabei richte es sich nach den Umständen des Einzelfalls, welche Einkommenseinbuße dabei als zumutbar anzusehen ist. Eine generelle Prozentgrenze könne nicht festgelegt werden. Vorliegend scheitere eine Vergleichbarkeit der Berufe an dem erlittenen Einkommensverlust, der rund 16,29 Prozent beträgt. Dabei sei in die gebotene Einzelfallbetrachtung auch die vertragliche Vereinbarung einzubeziehen. Die Beklagte könne die Klägerin somit nicht auf eine andere Tätigkeit verweisen, um den Leistungsanspruch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung entfallen zu lassen.

Hinweis für die Praxis

An dieser Entscheidung des LG Kleve ist zu erkennen, dass jede Leistungseinstellung einer Berufsunfähigkeitsversicherung zwingend juristisch überprüft werden sollte. Bereits zu Beginn des Verfahrens, beim Leistungsantrag, müssen die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit und die einer möglichen Tätigkeitsverweisung qualifiziert herausgearbeitet werden. Der vorliegende Fall zeigt insbesondere, dass das jeweilige Berufsbild frühzeitig mit entsprechenden Beweisen dargetan werden sollte, um Verzögerungen während des Verfahrens zu vermeiden.

Daher ist es für Vermittler und Versicherte von Vorteil, sich mit dem Ablauf eines typischen BU-Verfahrens mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung vertraut zu machen, bevor Leistungsansprüche geltend gemacht werden. Es ist daher sinnvoll frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, um etwaige Anspruchsvereitelungen zu vermeiden.


Über den Autor:
Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Er ist Gründer und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

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