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Die Rezessionsgefahr in den USA bleibt begrenzt

Eigentlich versteht sich Trump als Mann der Wall Street und misst den Erfolg seiner Politik auch an den Aktienkursen. Doch das Hin und Her um Zölle oder Waffenlieferungen an die Ukraine macht dem Aktienmarkt zunehmend zu schaffen. Es fehlt einfach an Visibilität und Berechenbarkeit. Nach der anfänglichen Euphorie nach Trumps Wahlsieg ist die Stimmung umgeschlagen. Die Anleger fokussieren mittlerweile schwerpunktmäßig die schlechten Nachrichten. Und davon gibt es einige.
Bislang hatten Investoren hinter den Zolldrohungen Washingtons Verhandlungstaktik vermutet. Doch aus den Drohungen wird zunehmend Realität. Immer mehr Ökonomen befürchten, dass Strafzölle auf Importgüter Wachstum kosten und die Inflation in die Höhe treiben. Ein Stagflationsszenario erscheint plötzlich real. Trump selbst spricht sogar von einer möglichen Rezession. Die Indizes S&P 500 und Nasdaq reagieren mit deutlichen Kursverlusten und sind unter ihre 200-Tage-Linien gefallen.
US-Aktien: Wie schlimm ist die Lage wirklich?
Zunehmend verschlechtert sich die Stimmung nicht nur an der Börse, sondern auch die der amerikanischen Verbraucher. Mit ein Grund dafür ist die Entlassung von bisher 100.000 Staatsangestellten. Weitere geplante Stellenstreichungen und die Sorge vor einer wieder steigenden Inflation verunsichern die Konsumenten zusätzlich und sorgen bei ihnen für Kaufzurückhaltung.
Hinzu kommen gestiegene Inflationserwartungen. Die angedrohten ober bereits verhängten Strafzölle sowie die Begrenzung beziehungsweise Reduzierung der illegalen Migration könnten die Teuerung wieder nach oben treiben. Die jüngsten Inflationsdaten spiegeln das allerdings noch nicht wider.
Außerdem signalisieren zumindest die Kreditmärkte Entwarnung. Hier ist kein grundlegender Anstieg der Nervosität zu erkennen. Zwar war zuletzt eine Ausweitung der Risikoaufschläge bei US-Unternehmensanleihen zu beobachten, doch entspricht das Ausmaß eher einem niedrigen Risikoniveau.
Der verstärkte Verkaufsdruck auf den Aktienmärkten resultiert vielmehr aus drei Effekten:
Erstens bieten sich andere Regionen für eine regionale Umschichtung an. Die Börsen in Europa und China gelten schon seit Längerem als wesentlich günstiger bewertet als die USA. Jetzt, wo Zweifel an der Robustheit der amerikanischen Konjunktur aufkommen, schichten Anleger um. Das Anlagekapital fließt vermehrt in diese günstigeren Regionen, zum Beispiel nach Deutschland.
Die wahrscheinliche nächste GroKo-Regierung schürt bei den Anlegern Hoffnungen auf eine Sonderkonjunktur, getrieben von Hunderten von Milliarden Euro für Verteidigung und Infrastruktur. Die Handlungsfähigkeit der Politik scheint zumindest kurzfristig ein Stückweit zurückgekehrt zu sein. Und China hält an seinem Ziel fest, in diesem Jahr um fünf Prozent wachsen zu wollen, obwohl der Binnenkonsum weiter am Boden liegt. Die Anleger sehen steigende Chancen, dass Peking die Konjunktur fiskalisch und geldpolitisch stärker als bislang unterstützen wird.
Zweitens verstärken gleichzeitig in den USA quantitativ gesteuerte Modelle den Verkaufsdruck an der Wall Street. Sinkende Risikobudgets, verursacht durch die jüngsten Verluste, nötigen quantitative Modelle und Wertsicherungskonzepte dazu, ihre Aktienrisiken zu reduzieren und stattdessen Anleihen zu kaufen.
Drittens hat die Verschiebung der regionalen Allokation bei den amerikanischen „Glorreichen Sieben“ für Gewinnmitnahmen gesorgt. Aufgrund ihrer hohen Gewichtung hat das auch den S&P 500 und den Nasdaq Index mit nach unten gezogen. Gleichzeitig birgt Trumps Handelskrieg gerade für diese globalen Player erhebliche Risiken. Die Mag 7 produzieren zum großen Teil im Ausland und verkaufen dort auch umfangreich ihre Waren und Dienstleistungen. Wenn hier die Handelskonflikte mit den USA eskalieren, geraten sie unter Druck. Dies ist bereits deutlich bei den Umsätzen von Apple und Tesla zu beobachten.
Unter dem Strich hat die Wall Street damit ihre Dominanz vorerst verloren. Anleger waren gut beraten, sich zu Beginn des Jahres verstärkt in Europa oder Asien umzuschauen, um die US-Dominanz in ihren Anlageportfolios zu reduzieren. Laut Trump befindet sich die amerikanische Wirtschaft in einer Umbruchphase. Die kommenden Monate werden unruhig bleiben.
Gute Nachrichten gehen unter
Angesichts dieser negativen Entwicklungen und des Stimmungsumschwungs gehen derzeit die wirtschaftsfreundlichen Elemente der Trump-Politik weitgehend unter und finden zu wenig Beachtung. Der US-Präsident will die Unternehmenssteuern wieder senken sowie die Wirtschaft deregulieren und von lästiger Bürokratie befreien. Entsprechende Maßnahmen haben die Märkte bereits in seiner ersten Amtszeit positiv beeinflusst. Insbesondere das Thema Steuern ist noch offen.
Die Reduzierung der effektiven Steuerlast hat in den zurückliegenden 20 Jahren für mehr als ein Drittel der Margenausweitung US-amerikanischer Unternehmen gesorgt. Dazu kommen bei den Unternehmen hohe Produktivitätssteigerungen, die sich positiv auf die Gewinne auswirken. Dies gilt vor allem für den Technologiesektor, wo die USA führend sind. Die Stargate-Initiative untermauert den Stellenwert des Technologiesektors.
Insgesamt bleibt die Rezessionsgefahr in den USA begrenzt. Die Unternehmensgewinne entwickeln sich positiv. Der Industriesektor zeigt eine Bodenbildung. Zudem bleibt abzuwarten, welche Ankündigungen Trump bei Strafzöllen und Migration tatsächlich umsetzt. Und die Makroindikatoren sehen solide aus. Bei manchen Wirtschaftsindikatoren gibt es zudem saisonale Effekte. Q1 fällt häufig schwächer als die anderen Quartale aus. Die Risiken bleiben in den USA überschaubar. Es erscheint durchaus wahrscheinlich, dass die amerikanischen Aktienindizes zum Jahresende oberhalb der aktuellen Niveaus notieren.

Über den Autor:
Steffen Kunkel arbeitet bei der Bethmann Bank, einer Marke der ABN AMRO Bank N.V. Frankfurt Branch, als Chef-Investmentstratege. Davor war der Diplom-Volkswirt unter anderem bei der Credit Suisse und Universal Investment tätig.