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Aktualisiert am 07.07.2023 - 10:41 Uhrin Karl PilnyLesedauer: 9 Minuten

Pilnys Asia Insights Das Ende des US-Dollars als Leitwährung und warum der Renminbi ihn ablöst

Bankerin zählt Renminbi
Bankerin zählt Renminbi: | Foto: Imago Images / Xinhua

Im Nahen Osten gewinnt China immer größeren Einfluss und ist dabei, seine neue Weltordnung umzusetzen. Während sich die USA und Russland primär militärisch engagieren, verfolgte China bisher vor allem wirtschaftliche Interessen in der Region. Bereits 2016 wurde China zum größten ausländischen Investor im Nahen Osten. So ist Dubai für China ein wichtiger Finanz- und Geschäftsplatz, an dem über 4.000 chinesische Unternehmen sitzen – zunehmend allerdings auch russische.

Die Zeitenwende nahm mit den Russlandsanktionen zusätzlich an Fahrt auf. Anstatt Russland zu isolieren und wirtschaftlich zu schwächen, scheint geopolitisch das Gegenteil stattzufinden. Man trieb den Gegner in die Arme eines viel größeren Gegners, der nun den Spieß umdreht.

Dominanz des US-Dollars schwindet?

Zwar macht der US-Dollar derzeit noch 62 Prozent aller weltweit gehaltenen Währungsreserven aus, doch der Renminbi (RMB) etabliert sich immer mehr als internationales Zahlungsmittel. China und Saudi-Arabien bereiten den Ölhandel in RMB vor, was die Vorherrschaft des US-Dollars frontal angreift. Der Westen scheint geflissentlich zu übersehen, wie China mit Rohstoffgeschäften an der globalen Dominanz seiner Währung arbeitet.

Im Dezember 2022 traf Xi Jinping bei seinem Besuch in Saudi-Arabien mit den im Gulf Cooperation Council (GCC) versammelten Staats- und Regierungschefs der Golfstaaten zusammen und hatte ein verlockendes Angebot im Gepäck, nämlich langfristige Verträge über Lieferungen großer Mengen an Öl und Gas abzuschließen und über die Shanghaier Börse in chinesischer Währung abzuwickeln.

Zudem stellte er in Aussicht bei Themen wie Clean Energy Infrastruktur, Big Data, Cloud Computing, 5G/6G, Industrie 4.0 und in der Raumfahrt eng zu kooperieren – alles Bereiche die in den Zukunftsvisionen der Golfstaaten, etwa der „Saudi Vision 2030“ mit der geplanten neuen Hauptstadt Neom eine zentrale Rolle spielen. Um letztere war es still geworden, auch wegen der notwendigen finanziellen und geopolitischen Anstrengungen.

Chinas diplomatische Offensive

Nach fast drei Jahren Isolation durch die Covid-19-Pandemie reiste Xi Jinping erstmals im September 2022 wieder ins Ausland. Schon seine fünfte Reise im Dezember 2022 stattete er Saudi-Arabien ab, wo er zuletzt 2017 gewesen war, nicht nur, um den saudischen König Salman zu treffen und eine neue Ära der Kooperation auszurufen, sondern auch, um an drei Gipfel­treffen teilzunehmen: dem saudisch-­chinesischen Gipfel, dem ersten Gipfel des Golfkooperationsrats mit China und dem ersten arabisch-chinesischen Gipfel.

Diese diplomatische ­Offensive Chinas ist bemerkenswert, da der Nahe Osten und Nordafrika traditionell außerhalb des geopolitischen Einflussgebiets Chinas lagen. Augenscheinlich versucht sich das Reich der Mitte nun als selbstbewusste Weltmacht zu positionieren – und nicht mehr nur als den USA widerstrebende Regionalmacht.

Priorität für China und die arabischen Staaten haben die Energieversorgung, gefolgt von Infrastruktur, Handel und Finanzen sowie die neuen Hightech-Industrien, Nukleartechnologie, Raumfahrt und erneuerbare Energien. Die sichere Energieversorgung Chinas ist weiterhin dessen Hauptinteresse. Der Rohölbedarf des Landes ist enorm und wird wesentlich durch den Nahen Osten – und insbesondere Saudi-Arabien – abgedeckt. Fast ebenso wichtig sind Exportmärkte für die chinesische Wirtschaft.

Beides trifft auch auf Russland zu – auch hier sichert sich China eine „Tankstelle“ und einen „Basar“, also Absatzmärkte. Letztlich gilt dies auch für die gesamte „Belt and Road Initiative“ (BRI) Chinas, die durch den Ausbau von Inlands- und Seetransport­ Infrastruktur billigere und kürzere Transportrouten zwischen Afrika, Asien und Europa schaffen soll. Für China bietet es sich an, Transport­infrastruktur für Energie als Teil der BRI im Nahen Osten auszubauen.

 

Ein Ableger der BRI ist die „­Digitale Seidenstraße“, die chinesische Investitionen in neue Branchen ermöglichen soll. China hat bereits mit den sechs Ländern des Golfkooperationsrats Abkommen für den Aufbau von 5G-Mobiltelefonnetzen unterzeichnet, das chinesische Beidou-­Satellitensystem stellt der arabischen Welt Navigationsdienste zur Verfügung, und chinesische Firmen für Informations- und Kommunikationstechnologie wie Huawei werden immer aktiver im Bereich der erneuerbaren Energien. Vor diesem Hintergrund werden die regionale Sicherheit und Stabilität für die chinesische Führung wichtiger, wie die erste chinesische Militärbasis im Ausland, dem Hafen von Dschibuti, zeigt.

Bilden sich rivalisierende Blöcke?

China rüstet sich – wie es auch Europa tun sollte – für eine Zuspitzung der welt­politischen Ordnung zu rivalisierenden Blockbildungen. Daher versucht Peking über die asiatisch-pazifische Region hinaus Machtverhältnisse zu seinen Gunsten zu verschieben – nicht zuletzt im Nahen Osten und Nordafrika. Je mehr China in Infrastruktur für die eigene Energieversorgung, in Exportmärkte und Sicherheit in der Region investiert, desto mehr kollidieren seine Interessen mit denen der USA. Die Chinas wachsende militärische Präsenz in der Region misstrauisch verfolgen, wenngleich Pekings Rolle als Waffenexporteur noch unbedeutend, allerdings ausbaufähig ist.

Das gestiegene chinesische Engagement kann den US-Einfluss im Nahen Osten langfristig mindern, doch Chinas geostrategische Regionalpolitik hat auch Auswirkungen auf europäische Interessen und könnte die Bewegungsspielräume der europäischen Politik empfindlich beeinträchtigen. Deutschland und die Europäische Union sollten daher die Region politisch wie wirtschaftlich enger an Europa binden, zum Beispiel über Handelsabkommen oder Kooperationsangebote bei der ­Infrastrukturentwicklung. Dabei ist Eile geboten, die Region ist in Bewegung.

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Die Beziehung zwischen Saudi-Arabien und Iran auf dem Weg der Besserung?

Nach sieben Jahren diplomatischer Eiszeit zwischen Saudi-Arabien und Iran traf gerade eine saudi-arabische Delegation in Teheran zu Gesprächen um eine Wiedereröffnung diplomatischer Vertretungen Saudi-Arabiens im Iran ein. Eine direkte Folge des am 10. März geschlossenen trilateralen Abkommens zwischen den beiden Regionalmächten und China.

Auf Vermittlung Chinas hatten sich die beiden rivalisierenden Regionalmächte auf die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen geeinigt. Die Annäherung zwischen dem mehrheitlich sunnitisch-muslimischen Saudi-Arabien, dem größten Ölexporteur der Welt, und dem mehrheitlich schiitischen Iran, der wegen seines Atomprogramms vom Westen sanktioniert wird, beginnt die Kräfteverhältnisse in einer von Unruhen geprägten Region umzupflügen. Chinas triumphaler Erfolg bei der Vermittlung stellt die Rolle der USA als traditioneller Schutzmacht und Vermittler zwischen den Mächten im Nahen Osten offen infrage.

Auch zeigt Chinas Hinwendung zum Nahen Osten den Verkäufern der von China benötigten Rohstoffe eine Möglichkeit auf, wie sie die großen Summen an chinesischer Währung sinnvoll investieren können. Zum Wohle der chinesischen Wirtschaft wie auch der Golfstaaten – eine klassische Win-Win Situation. Sollte immer noch ein Überschuss an chinesischer Währung übrig bleiben kann man diesen auch in Gold eintauschen.

Nicht zuletzt, da seit 2016/17 der Renminbi an den Börsen in Shanghai und Hongkong konvertierbar ist. Zumal Xi in seinem Treffen das zusätzliche Angebot machte, das Projekt m-CBDC Bridge für einen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr digitaler zentralbankgestützter Währungen zu beschleunigen. Daran sind derzeit die Notenbanken von China, Thailand, den Vereinigten Arabischen Emiraten und das Pendant in Hongkong beteiligt.

Die Geburtsstunde des Petro-Yuan

Schon bald dürfte ein erheblicher Warenaustausch zwischen den Golfstaaten und China in chinesischer Währung erfolgen, die wiederum für Käufe in China verwendet werden kann. Digital, ohne US-Dollar und ohne Einbeziehung des westlichen Systems von Korrespondenzbanken. In Analogie zum Begriff Petro-Dollar könnte dies also so etwas wie die Geburtsstunde des Petro-Yuan sein. So wie die USA den Golfstaaten Öl abnahmen und diese die vereinnahmten Dollarmengen in ihre Sicherheit in Form von amerikanischen Waffen investierten, so bietet China nun an, Öl und Gaslieferungen in Zukunftsinvestitionen einzutauschen und sich zugleich vom US-Dollar und den damit verbundenen Sanktionsmöglichkeiten zu emanzipieren.

Diese Abkommen im Nahen Osten stehen in einer Reihe von Vertragsabschlüssen, mit denen sich China große Mengen an Öl und Gas aus US-sanktionierten Ländern gesichert hat. Bereits 2019 schloss China mit Venezuela einen Vertrag über Öl, bei dem sich das Land nicht nur zur Zahlung in Renminbi, sondern auch zu einem erheblichen Preisabschlag verpflichtete. Mitte 2021 folgte dann das Comprehensive Strategic Partnership mit dem Iran, in dem dieser sich verpflichtete, rund 20 Prozent Preisnachlass zu gewähren auf Öl, Gas und petrochemische Produkte – im Gegenzug für einen 25-Jahres-Vertrag im Wert von 400 Milliarden US-Dollar. Zuletzt musste auch Russland die Zahlung in Renminbi sowie einen erheblichen Preisabschlag akzeptieren.

Russland, Iran und Venezuela stehen für ungefähr 40 Prozent der weltweiten Ölreserven, die GCC-Staaten für weitere 40 Prozent. Sollte der Golfkooperationsrat auf das Angebot eingehen, wäre ein wesentlicher Teil der weltweiten Öl- und Gasreserven dem Dollar-Raum und damit dem westlichen Bankensystem entzogen.

Die Einnahmen aus diesen Geschäften wiederum werden – da in Renminbi gezahlt – in China beziehungsweise in Produkte aus chinesischer Fertigung investiert. China wäre durch die Internationalisierung seiner Währung weniger angreifbar durch US-Sanktionen, während es selbst handelspolitische Maßnahmen besser einsetzen könnte. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Weltwährung, nachdem 2015 der Internationale Währungsfonds (IWF) den Renminbi zur globalen Leitwährung neben US-Dollar, Euro, britischem Pfund und Yen erklärt hatte. Am 1. Oktober 2016 wurde der Renminbi als fünfte Währung in den Weltwährungskorb des IWF aufgenommen und ist seither zu einer wichtigen Korbwährung avanciert.

Vor kurzem gaben auch China und Brasilien, immerhin die größte Volkswirtschaft Lateinamerika, bekannt, in Zukunft Handels- und Finanztransaktionen direkt in Renminbi und in Real, also ohne Umweg über den US-Dollar, durchzuführen. Malaysia und China erwägen gegenwärtig einen asiatischen Währungsfonds, der die starken Volkswirtschaften Chinas, Japans und anderer Länder vereint, um die „Risiken eines starken Dollars“ zu mindern.

Der in den Golfstaaten begonnene Prozess pflanzte sich also von Asien, über Afrika bis nach Südamerika fort und ist nun auch in Europa. Frankreich unterzeichnete jüngst ein Handelsabkommen über den Kauf von verflüssigtem Erdgas (LNG) mit Zahlung in Renminbi.

Der Niedergang des US-Dollars als Weltleitwährung

Bisher konnte die USA Geld drucken und die Welt dazu bringen, dafür reale Werte wie Rohstoffe, Öl und Güter zu liefern. Ohne dieses Privileg schwinden die Abnehmer für US-Dollar und US-Anleihen. Schon 2025 dürften die Zinszahlungen erstmals höher sein als der amerikanische Militärhaushalt. Die stark gestiegene Inflation samt Schuldendienst, um die Zinsen zu zahlen, engen den Spielraum der USA für militärische Groß Konflikte immer stärker ein. Mit Weltpolitik durch Währungen. Entweder schaffen es die USA, ihre Wirtschaft schneller wachsen zu lassen als ihre Zinszahlungen, oder sie greifen – wie andere Hegemonialmächte in der Vergangenheit – womöglich zu drastischeren Methoden.

Der Weltkrieg um Währungen wird alle paar Jahre ausgerufen, nun ist es wieder einmal so weit. Der Niedergang des US-Dollars als Weltleitwährung wäre historisch gesehen kein Einzelfall, sondern reiht sich in die Kette früherer Welthandels- und Reservewährungen ein. Das Ende des US-Dollars als Reservewährung stellt lediglich eine Facette im gegenwärtigen Wechsel globaler Vorherrschaft dar.

Im Ergebnis dürfte in den nächsten zehn Jahren der US-Dollar von einem digitalen Renminbi abgelöst werden, was einen Transformationsprozesses historischen Ausmaßes illustriert. China geht es dabei nicht nur um die Beendigung der amerikanischen Hegemonie in Asien, sondern auch um eine historische Korrektur und Beendigung des westlichen Imperialismus verbunden mit einer Wiedergeburt, also Renaissance Chinas.

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