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„US-Investoren fangen gerade erst an europäische Aktien zu kaufen“

Anne Döring von Franklin Templeton
Anne Döring von Franklin Templeton
DAS INVESTMENT.com: Seit einiger Zeit sprechen Kommentatoren und Marktexperten vermehrt von Europas Aufschwung und die Attraktivität des europäischen Aktienmarktes. Kann man noch von einer Anfangsphase sprechen?

Anne Döring: Ja, in Gesprächen mit Fondsselekteuren habe ich oft gehört, dass sie gerade erst dabei sind, ihre Positionen in europäischen Aktien aufzubauen. Auch habe ich von einigen amerikanischen Börsenmaklern und Analysten gehört, dass viele US-Investoren jetzt nach Einstiegsmöglichkeiten in Europa suchen. Wir dürften also noch einige Mittelzuflüsse nach Europa sehen.

DAS INVESTMENT.com: Auch die Erholung der US-Wirtschaft läuft noch nicht besonders lange. Warum interessieren sich Amerikaner für Investments in Europa?

Döring: Die Unternehmensgewinne in Amerika haben sich seit der Finanzkrise bereits sehr erholt. Das erreicht Level ist mittlerweile ziemlich hoch. Und das spiegelt sich auch am Aktienmarkt wieder. Europa indes hat historisch betrachtet noch kein hohes Level erreicht. Stattdessen sind die Unternehmensgewinne in den vergangenen zwei Jahren etwas gefallen. Es gibt in Europa daher noch viel mehr Potential und das erhöht die Attraktivität auch für US-Anleger.

DAS INVESTMENT.com: In Deutschland sind Versorger- und Energietitel seit der Energiewende unsexy. Im Portfolio des Franklin European Dividend Fund, für den Sie als Sektor-Spezialistin arbeiten, sind die Branchen dagegen übergewichtet. Warum?

Döring: Passend dazu ist der englische Spruch „Boring is beautiful“. Unternehmen aus der Versorger- und Energiebranche haben sich als sehr stabil erwiesen und zahlen Aktionären eine gute Dividendenrendite. Ähnlich wie Pharma-Unternehmen. Unser Ziel ist eine gesteigerte Dividendenrendite gegenüber dem Markt. Insgesamt wollen wir mit dem Fonds das 1,1-fache des Marktdurchschnitts erreichen. Und dafür investieren wir  auch oft bei Unternehmen aus den genannten Branchen.

DAS INVESTMENT.com: Pharma-Unternehmen standen lange Zeit unter Druck. Was hat sich in der Branche verändert, dass jetzt wieder die Zeit für Aktienkäufe gekommen ist?

Döring: Gerade größere Unternehmen waren jahrelang unter Druck, weil viele sogenannte Blockbuster-Medikamente ihren Patentschutz verloren haben. Das hatte auch die Gewinne der Unternehmen ziemlich stark getroffen. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse lagen in den umsatzstarken Zeiten vor zehn Jahren bei etwa zwanzig. Als wir vor zwei Jahren größere Positionen aufgebaut haben, war es dagegen bei zehn.

DAS INVESTMENT.com: Was ist heute anders in der Pharma-Branche?

Döring: Die Medikamente haben sich geändert. Früher konnten Pharma-Unternehmen mit ihren Forschungsprogrammen Arzneien entwickeln, die sich an eine Großzahl von Patienten gerichtet haben. Medikamente gegen hohen Blutdruck oder Cholesterin-Werte beispielsweise. Heutzutage sind die Moleküle eines Medikaments dagegen in der Regel viel komplexer.

DAS INVESTMENT.com: Geben Sie ein Beispiel.

Döring: Ein gutes Beispiel ist die Schweizer Pharma-Gruppe Roche. Dort hat man schon früh einen Schwerpunkt auf biologische Arzneimittel gelegt. Die bestehen aus sehr komplexen Molekülen und liegen jetzt im Trend. Der Unterschied zu früheren Medikamenten ist, dass selbst nach Auslaufen eines Patentschutzes nach 20 Jahren diese komplexen Moleküle nicht so einfach von einem Konkurrent kopiert werden können.

Generell sind heutige Medikamente, vor allem die biologischen, mehr auf einzelne Patienten zugeschnitten. Für künftige Erfolge brauchen die Firmen heute Expertise und genügend Diagnose-Ressourcen, um immer wieder neue, spezialisierte Produkte zu entwickeln.

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