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Aktualisiert am 09.09.2022 - 13:05 Uhrin USALesedauer: 10 Minuten

US-Notenbank hebt Federal Funds Rate erneut deutlich an Ökonomen rechnen nach Leitzinserhöhung mit Rezession

Jerome Powell bei der Pressekonferenz am Mittwoch in Washington
Jerome Powell bei der Pressekonferenz am Mittwoch in Washington: Weitere deutliche Zinserhöhungen der Federal Reserve sind dem US-Notenbank-Chef zufolge nicht ausgeschlossen. | Foto: Imago Images / Xinhua

Um gegen die hohe Inflation vorzugehen, hat die Federal Reserve den Leitzins ein weiteres Mal um 75 Basispunkte erhöht. Das gab die US-Notenbank nach einer zweitägigen Sitzung am Mittwochabend bekannt. Damit liegt die sogenannte Federal Funds Rate nun in einer Spanne von 2,25 bis 2,50 Prozent. Bereits vor sechs Wochen hatte die Fed den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte angehoben – einen Anstieg um 150 Basispunkte innerhalb so kurzer Zeit hatte es zuletzt vor 40 Jahren gegeben.

Die US-Notenbank reagiert damit auf die hohe Inflation. Fed-Chef Jerome Powell betonte erneut, das oberste Ziel der Fed bestehe darin, die Teuerungsrate wieder in Richtung der 2-Prozent-Marke zu drücken. Im Juni lag die Inflation in den USA bei 9,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und damit so hoch wie seit mehr als 40 Jahren nicht. Weitere Zinserhöhungen im Herbst schließt Powell nicht aus, auch ein noch größerer Zinsschritt sei möglich. Festlegen wollte sich der Fed-Chef allerdings noch nicht. Bis Jahresende könnte der Leitzins etwa bei 3 Prozent liegen.

Ökonomen rechnen damit, dass der Kurs der Notenbank Folgen für die Wirtschaft hat. „Wir gehen davon aus, dass die US-Wirtschaft in den kommenden Quartalen immer mehr an Schwung verliert und in eine Rezession abrutscht, die spätestens zur Jahreswende beginnen dürfte“, sagt Bantleon-Volkswirt Andreas Busch. Verantwortlich dafür seien neben den stark gestiegenen Zinsen massive Kostensteigerungen bei Unternehmen, etwa für Arbeitskräfte und Rohstoffe.

 

Kurzfristig erwartet Busch, dass der Nachholbedarf beim Konsum das Wachstum noch stütze. Gleichzeitig werden die Inflationsraten zunächst hoch bleiben, so die Prognose des Volkswirts. „In diesem Umfeld rechnen wir im September und November mit weiteren Leitzinsanhebungen um jeweils 50 Basispunkte“, so Busch. Je deutlicher dann im weiteren Jahresverlauf die Rezession sichtbar werde, umso mehr dürfte die Fed unter Druck geraten, den Arbeitsmarkt nicht durch weitere geldpolitische Straffungen zu belasten. „Entsprechend sehen wir es als wahrscheinlich an, dass die Fed (…) ab Dezember die Leitzinsen nicht weiter anhebt.“ Erste Lockerungen könnte es in der zweiten Jahreshälfte 2023 geben.  

Schwächere Wirtschaft könnte Inflation bremsen

Dass ein Wirtschaftsabschwung notwendig sei, um die Teuerungsrate zu senken, glaubt Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner: „Um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bekommen, müsste das Wachstum der Wirtschaft sich merklich abschwächen und sich der Arbeitsmarkt abkühlen.“ Der Fed-Chef habe erneut klargemacht, dass für ihn die Bekämpfung der Inflation Priorität habe, selbst um den Preis einer Rezession. Die Federal Reserve werde ihre Zinsschritte erst stoppen, wenn es „überzeugende Belege“ für eine rückläufige Inflation gebe. Ansonsten wären die Kosten langfristig noch höher.

„Seit März hat die Fed die Leitzinsen um 225 Basispunkt erhöht und damit genauso stark wie im gesamten letzten Zinszyklus“, schreibt Weidensteiner. Damals – nach 2015 – brauchte die US-Notenbank dafür allerdings drei Jahre. Jetzt nahm sich die US-Notenbank nur viereinhalb Monate Zeit. Der Leitzins liege aber weiterhin deutlich unter den Höchstwerten von 2006/07 und von 2000 (siehe Grafik).

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„Wir halten an unserer Prognose fest, dass die Fed ihre Leitzinsen weiter anhebt und eher etwas stärker und schneller als es die Fed-Projektionen nahelegen“, so der Volkswirt. Es sei allerdings unsicher, ob die Notenbank die Zinsen im September erneut um 75 Basispunkte anhebe. Dies hänge von den Daten ab. Sollte der jüngste Rückgang der Benzinpreise von Dauer sein und die Inflationsrate fallen, könnte die Fed die Zinsschritte auf 50 Basispunkte verringern. „Nichtsdestotrotz dürfte diese insgesamt massive Straffung die US-Wirtschaft Anfang 2023 in eine richtige Rezession drücken, die sich dann auch deutlich am Arbeitsmarkt bemerkbar macht“, erwartet Weidensteiner. Er rechnet mit ersten Zinssenkungen ab Mitte 2023.

Für Victor Zhang, Investmentchef von American Century Investments, kommen die Schritte der US-Notenbank zu spät, allerdings reagiere die Fed im Vergleich mit anderen Zentralbanken deutlich aggressiver auf die Inflation. „Für uns als Anleger sind die starken Zinserhöhungen ermutigend, weil sie zeigen, dass die Fed erkannt hat, dass die Inflation hartnäckig ist und eine ernsthafte Bedrohung für Verbraucher, Unternehmen und die Wirtschaft darstellt“, so Zhang.

Die Arbeitslosigkeit sei derzeit niedrig. Es gebe allerdings erste Anzeichen für einen Abschwung. So würden die US-Amerikaner aufgrund der gestiegenen Preise für Lebensmittel und Gesundheit bereits ihre Ausgaben für Freizeitaktivitäten einschränken. „Während dieser Trend vielen Einzelhandelsgeschäften schadet, ist er für Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs anbieten, weniger folgenreich“, sagt der Investmentchef.

Scharfe Rezession ist unwahrscheinlich

Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, hält die Zinserhöhung trotz der weitgehenden Stagnation der US-Wirtschaft im ersten Halbjahr für notwendig. Die Inflation, die in den USA an Breite gewonnen habe und weit mehr als Energie und Lebensmittel umfasse, dürfe nicht zu einem noch größeren Problem werden.

 

„Die Chancen, für die von Jay Powell gewünschte, sanfte Landung der Wirtschaft sind geringer geworden und die derzeit schwache Konjunktur wird nicht rasch wieder angekurbelt werden können“, so Heise. Allerdings hält er eine scharfe Rezession angesichts der guten Kaufkraft der Privathaushalte und des stabilen Arbeitsmarktes für „nicht sehr wahrscheinlich“. Die Fed solle sich daher nicht davon abhalten lassen, das Zinsniveau in den kommenden sechs Monaten auf etwa 3,5 Prozent anzuheben.

Tiffany Wilding, Ökonomin für Nordamerika beim Vermögensverwalter Pimco, hält eine Rezession ebenfalls für notwendig, um die Preisstabilität wiederherzustellen. „In der Tat war die Inflation in weiten Teilen der Welt hartnäckiger, als viele Zentralbanker erwartet hatten“, so Wilding. In den USA werde aufgrund des jüngsten Rückgangs der weltweiten Öl- und Agrarpreise zwar eine Abnahme der Gesamtinflation erwartet, doch die Lohn- und Mietmarktinflation habe sich zuletzt sogar beschleunigt.

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