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Zinsstraffungen der US-Notenbank Die Marktteilnehmer sind wie Kinder auf der Urlaubsreise

Zu Beginn der Fahrt ist die Laune noch gut
Zu Beginn der Fahrt ist die Laune noch gut: Die Fed versucht, die Wirtschaft aus einer gefährlichen Überhitzungsphase herauszuführen, während die Anleger wissen wollen, ab wann die Straße wieder frei wird. | Foto: Imago Images / Shotshop
Hendrik Tuch, Aegon AM

Die Inflationsrate in den USA für Juli ist deutlich niedriger ausgefallen als erwartet. Sie sank von 9,1 im Juni auf 8,5 Prozent. Nach den jüngsten, geradezu schockierend starken Beschäftigungszahlen sind die Anleger an den Anleihemärkten dankbar dafür, zumindest ein kleines Signal zu sehen, dass der Inflationsdruck nachlässt. Doch genau wie mit Blick auf die sommerlichen Außentemperaturen wird es noch einige Zeit dauern, bis der Konjunkturzyklus eine entscheidende Wende hin zu insgesamt niedrigeren Werten nimmt.

Nach der Zahl der neu geschaffenen Stellen in den USA von mehr als 500.000 und dem Rückgang der Arbeitslosenquote auf 3,5 Prozent zu urteilen, fügt der laufende Zinsstraffungszyklus der US-Volkswirtschaft derzeit noch keinen Schaden zu. Angesichts der Tatsache, dass die Fed den Leitzins im Juli zumindest auf ein neutrales Niveau von rund 2,5 Prozent gehoben hat und noch nicht restriktiv geworden ist, gilt eines als sicher: Es ist eindeutig zu früh, das Ende des Zinserhöhungszyklus auszurufen.

Die Zinserhöhungen der Fed laufen ins Leere

Die Finanzmärkte sind auch in den besten Zeiten niemals zufrieden, und dieser Zyklus bildet keine Ausnahme. Die Anleihemärkte verhalten sich wie Kinder, die auf dem Rücksitz eines Autos sitzen, das sich nur langsam dem Urlaubsziel nähert. Zum Ärger der Eltern fragen sie alle fünf Minuten, ob sie bald ankommen, und die Antworten aus dem vorderen Teil des Wagens zeigen einen immer höheren Grad an Irritation.

Die Fed befindet sich in einer vergleichbaren Situation. Während sie versucht, die Wirtschaft aus einer gefährlichen Überhitzungsphase herauszuführen, wird sie von den Passagieren auf dem Rücksitz nur gefragt, wann sie mit den Zinserhöhungen aufhören wird. Nach der jüngsten Zinssitzung hätte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell den Marktteilnehmern eine klare, bestimmte Antwort geben sollen, dass die Fed mit den Zinserhöhungen noch lange nicht am Ende ist. Stattdessen überließ er es den Märkten, die verbleibende Dauer der Reise zu erraten. Das war ein Fehler: Dadurch konnten sich die Finanzmärkte in der Annahme wiegen, dass der Zinserhöhungszyklus der Fed kurz vor dem Ende steht. Die Marktteilnehmer begannen sogar darüber zu spekulieren, dass die Fed die Zinsen im nächsten Jahr deutlich senken könnte. Die letzten beiden Zinserhöhungen der Fed um 75 Basispunkte sollten eigentlich die finanziellen Bedingungen verschärfen – aber alles, was die Fed erreichte, war eine Rally an den Anleihe- und Aktienmärkten im Juli, die die Wirkung der Zinserhöhungen völlig vermasselte.

Die Fed muss dem Markt glaubhaft Entschlossenheit vermitteln

Seit Anfang August versucht die Fed-Spitze, den Schaden der Powell-Pressekonferenz wieder gutzumachen, indem die Mitglieder des Offenmarktausschusses betonen, dass die US-Notenbank mit ihrem Straffungszyklus noch lange nicht fertig ist.

 

Die Fed muss jedoch noch viel mehr tun, um die Märkte davon zu überzeugen, dass sie entschlossen ist, die Inflation zügig auf ein normales Niveau zurückzubringen. Eine weitere Anhebung um 75 Basispunkte auf der September-Sitzung wäre sicherlich hilfreich – vor allem in Verbindung mit einer klaren Aussage, dass die Fed die finanziellen Bedingungen für einen beträchtlichen Zeitraum straff zu halten gedenkt. Eine solche Erklärung würde den Märkten zu der Erkenntnis verhelfen, dass jede verfrühte Rally an den Anleihe- oder Aktienmärkten nur zu weiteren Zinserhöhungen führen wird.

Jede Kursdelle kaufen? Nicht der richtige Weg zur Inflationsbekämpfung

Glaubwürdige Entschlossenheit dürfte vielleicht nicht die spontane Reaktion an den Märkten dämpfen, Zinssenkungen für das nächste Jahr einzupreisen. Doch die Anleger werden ihren Drang vermutlich überdenken, jede Kursdelle zu kaufen. Die meisten Anleger sind immer noch der Meinung, dass die Geldpolitik für immer locker bleiben und der Zinserhöhungszyklus nur eine kurze Etappe sein wird. In den kommenden Quartalen werden die Zentralbanken diese weit verbreitete Ansicht in Frage stellen, weil sie ihre Glaubwürdigkeit bei der Inflationsbekämpfung zurückgewinnen müssen. Wir sollten nicht vergessen: Die Fed ist nicht die einzige Zentralbank, die sich ernsthaft mit den Kindern auf dem Rücksitz auseinandersetzen muss. Sind wir bald da? Höchstwahrscheinlich noch lange nicht.

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