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Strategieberater Julius van de Laar: Einblicke ins Vorfeld der US-Wahl

DAS INVESTMENT: Herr van de Laar, die europäische Politik sorgt sich vor einem Trump-Wahlsieg. Viele Buddies von Donald Trump in Politik und Medien sind in den vergangenen Jahren von der Bühne abgetreten. Kann sich Trump noch auf sein Netzwerk verlassen?
Julius van de Laar: Mit Blick auf den US-Kongress konnten wir jüngst sehen, wie es läuft. Trump hat direkten Zugang zu seinen Verbündeten. Der Kongress sollte ein Einwanderungsgesetz verabschieden, eines der wichtigsten Themen, mit denen sich die Politik befassen muss. Jeden Tag überwinden bis zu 10.000 Migranten die Südgrenze der USA. Die Demokraten und Republikaner im Senat haben monatelang verhandelt, um einen Kompromiss hinzubekommen, der die Einwanderung in die Schranken weist. Trump ist es ein großes Anliegen, bei diesem Thema Nummer eins in den USA nicht seinen Kontrahenten Joe Biden punkten zu lassen. Trump macht seinen republikanischen Verbündeten deutlich: Lasst dieses Gesetz im Kongress scheitern. Und genau das ist passiert. Daran sieht man: Trump hat weiterhin Rückendeckung.
Unzählige Russen-Bots zur Manipulation der Wähler rund um die Welt: Das Twitter-Nachfolgeportal X hat an Reiz für die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft verloren – hat dieses Instrument für Trump wirklich noch einen Nutzen?
van de Laar: Trump nutzt X, vormals Twitter, gar nicht mehr. Der Mann ist Kaufmann durch und durch. Trump hat sich mit Truth Social seine eigene Social-Media-Plattform gebaut. Sie befindet sich im Besitz der 2021 gegründeten Trump Media & Technology Group in Palm Beach, Florida. Jüngst wurde gemeldet, dass die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC die Fusion von Donald Trumps Medien- und Technologieunternehmen Truth Social mit einem Spac-Vehikel genehmigt. Der Anteil des ehemaligen Präsidenten an dem fusionierten Börsenunternehmen würde beim aktuellen Aktienkurs fast 4 Milliarden US-Dollar wert sein – er hat folglich nicht nur einen reichweitenstarken Kanal, sondern auch reichlich Kapital an der Hand, um die Zivilgesellschaft zu beeinflussen.
Gibt es Anzeichen, dass die Demokraten im Jahresverlauf einen anderen Kandidaten als Joe Biden aus dem Hut zaubern?
van de Laar: Ich kann es mir nicht vorstellen. Es sei denn, es sollte Biden etwas zustoßen. Oder Trump kann aus irgendeinem Grund nicht antreten. Aller Voraussicht nach sollte Joe Biden im November auf dem Stimmzettel stehen. Es gäbe genügend fähige Kandidaten auf der demokratischen Seite. Ich würde auf der Liste nicht ganz oben Kamala Harris sehen, ich würde hier eher Gavin Christopher Newsom sehen, den Gouverneur von Kalifornien. Er ist jung, dynamisch und hat gezeigt, dass er einen großen US-Bundesstaat, von der Wirtschaftskraft her die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, führen und dort die Wahlen gewinnen kann. Aber aktuell sagt Biden, dass er der Einzige ist, der Trump bei der US-Präsidentschaftswahl – nochmals – schlagen kann. Auch, wenn die Umfragen ihn derzeit mit durchschnittlich 4 bis 6 Punkten hinten sehen.
Das Thema Nachhaltigkeit ist seit einigen Quartalen unter Druck. Wie könnten sich US-Aktien bei einem Wahlsieg von Trump entwickeln – und was würde das Wahlergebnis für Nachhaltigkeits-Aktien, beispielsweise Erneuerbare Energien, bedeuten?
van de Laar: Schauen wir uns derzeit den US-Aktienmarkt an, ist festzustellen: Joe Biden kann sich mit einem hervorragend laufenden Markt mit seinen Rekordhochs in den wichtigen Indizes sehen lassen. Wir erinnern uns: Trump betonte immer, dass sich der Aktienmarkt in seiner Amtszeit glänzend entwickelte. Biden sagt: Ich habe noch einmal eine Schippe drauf gelegt. Im Januar war ich in Iowa. Trump wurde dort gefragt, was es für ihn bedeute, dass der Aktienmarkt so hoch sei. Er sagte: Wissen Sie, warum der Markt so glühend heiß ist? Weil die Marktteilnehmer wissen, dass ich wieder ins Amt gewählt werde.
Die Biden-Administration unterstützt Erneuerbare Energien und E-Mobilität durch den Inflation Reduction Act mit Milliarden US-Dollar an Subventionen für die Entwicklung von beispielsweise Batterietechnik.
van de Laar: Trump als altgedienter Petrol Head betont immer wieder: Ich halte davon überhaupt nichts, lasst uns weiter Verbrenner fahren und bauen. Aber ob Trump hier wirklich Einfluss nehmen kann, bleibt fraglich. Er ist so gewieft, dass er durchaus versteht, welche kommunikative Sprengkraft in diesem Thema während des Wahlkampfs drinsteckt. Die Realität hat gezeigt, dass Trump nicht unbedingt ein detailverliebter Präsident ist, der die Nachhaltigkeitsstrategie der Unternehmen zur Staatsräson macht. Wer den Wahlkampf genau beobachtet, bemerkt eine Diskrepanz zwischen Rhetorik und dem späteren Handeln.
Wie schätzen Sie die Chance ein, dies als letzte Frage, dass Trump die Wahl gewinnt?
van de Laar: Die kurze Antwort: Schauen wir auf die Umfragen von heute, muss man feststellen, dass Trump im Vergleich zu Biden relativ gut dasteht. Die nuancierte Antwort ist: Das Wahlergebnis dürfte unfassbar knapp ausfallen. Der letzte Wahlkampf wurde mit 45.000 Stimmen Unterschied gewonnen. Mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit wird es dieses Mal auch wieder so laufen. Diese 45.000 Stimmen machen die halbe Belegung eines Stadions aus, in dem Taylor Swift auftritt. Es könnte sein, dass sie das Zünglein an der Waage der US-Wahl im Herbst sein wird. Wir haben zwei rund 80-Jährige, die gegeneinander antreten. Wir haben eine angespannte Lage der Weltwirtschaft, die in furioser Weise hoch und runter geht, und dazu geopolitische Konflikte und Kriege.
Dieser Wahlkampf ist keine Neuauflage von 2020: Wir haben einen Kandidaten, der 91 Mal angeklagt ist. Und einen anderen, der kommunikativ herausgefordert ist. Jeder, der im Februar 2024 eine Prognose über den Wahlausgang im November 2024 abgibt, steht vor vielen Unwägbarkeiten. Und das gilt auch für die Kandidaten: Zwischen der Ausarbeitung einer Taktik und dem letztendlichen möglichen Triumph liegt ein Weg voller unvorhersehbarer Ereignisse.
Amerika wählt! Und dieses spannende Rennen ums Weiße Haus wird Thema einer neuen vierteiligen Webinar-Reihe von Franklin Templeton sein, für die der US-Experte Julius van de Laar gewonnen werden konnte. Im ersten Teil gibt er einen Einblick in den Wahlkampf der Superlative und eine Analyse, wie er unsere Welt beeinflusst. Melden Sie sich hier an!