Am Ende des Lockerungszyklus Die US-Zinsen könnten stabil bei 3,75 bis 4,0 Prozent bleiben
Ich bin zwiegespalten, wenn ich die jüngste Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank bewerte. Ich bin nicht einverstanden mit der Entscheidung, die Zinssätze um gleich 50 statt 25 Basispunkte zu senken. Der grundlegenden Einschätzung der Wirtschaft, die der Fed-Vorsitzende Jerome Powell dargelegt hat, stimme ich hingegen weitgehend zu.
Vor der Sitzung führten die Befürworter einer Senkung um 50 Basispunkte zwei Argumente an: Erstens lag der Leitzins mit 5,25 bis 5,50 Prozent weit über dem Gleichgewichtsniveau. Zweitens signalisieren die Anzeichen einer sich abschwächenden Wirtschaft – vor allem die steigende Arbeitslosenquote – der Fed, sinnvolle Schritte zur Abwendung einer Rezession zu unternehmen. Doch beide Argumente sind meines Erachtens unzutreffend, weshalb ich eine vorsichtigere Senkung um 25 Basispunkte vorgezogen hätte.
Uneinigkeit über die Höhe der Zinssenkung: 50 Basispunkte zu viel?
Angesichts der Entscheidung, die Zinsen um 50 Basispunkte zu senken, ging es Powell in der Pressekonferenz vor allem darum, den Eindruck zu zerstreuen, die Fed sei ernsthaft über eine mögliche Rezession besorgt. Er wiederholte immer wieder, dass die US-Wirtschaft stark ist und dass der Arbeitsmarkt immer noch nahe bei einer Vollbeschäftigung liegt. Powell sagte, dass die Fed die Risiken für die Inflation und die Beschäftigung jetzt als ausgewogen ansieht, und fügte hinzu, dass er keine Anzeichen erkennen kann, die derzeit auf eine Rezessionsgefahr hindeuten.
Diese Einschätzung teile ich. Sehen wir uns zunächst den Arbeitsmarkt an. Ja, die Arbeitslosenquote ist im August dieses Jahres auf 4,2 Prozent gestiegen, nachdem sie im April 2023 einen Tiefstand von 3,4 Prozent erreicht hatte. Aber diese 3,4 Prozent waren die niedrigste Quote seit etwa 60 Jahren. Zwischen 1990 und 2007 (dem Vorabend der globalen Finanzkrise) lag die Arbeitslosenquote im Durchschnitt bei 5,4 Prozent, und die natürliche Arbeitslosenquote liegt heute wahrscheinlich zwischen 4,5 und 5,0 Prozent. Der Arbeitsmarkt kommt also allmählich wieder ins Gleichgewicht, nachdem die Bedingungen übermäßig angespannt waren.
In seiner Antwort auf eine Frage lieferte Powell eine umfassende und auf Daten gestützte Analyse des Arbeitsmarktes, den er ebenfalls als äußerst stabil bewertet. Die Fed erwarte, dass sich die Arbeitslosenquote in den kommenden drei Jahren auf dem aktuellen Niveau halten wird.
Grafik 1: US-Arbeitslosenquote immer noch unter den historischen Durchschnittswerten. (1980 bis 2024)
Auch andere aktuelle Wirtschaftsindikatoren sehen sehr gut aus: Im August blieben die Einzelhandelsumsätze stabil, und die Industrieproduktion zog kräftig an. Die Atlanta Fed hat das dazu veranlasst, ihre Schätzung für das Wachstum im dritten Quartal 2024 auf 3 Prozent auf Jahresbasis anzuheben. Die konjunkturelle Entwicklung schreit folglich kaum nach geldpolitischen Impulsen. Die Einschätzung von Powell? „Die Wirtschaft ist in guter Verfassung, und wir wollen, dass das so bleibt.“
Stabile Wirtschaftsindikatoren verringern den Druck auf die Geldpolitik
Auch wenn Powell es nicht erwähnt hat, möchte ich hinzufügen, dass eine anhaltend lockere Finanzpolitik die Wirtschaft in den kommenden Jahren weiter stützen wird – ein Aspekt, auf den ich bereits mehrfach hingewiesen habe. Beide Präsidentschaftskandidaten haben Vorschläge unterbreitet, die zu einem erheblichen Anstieg des Haushaltsdefizits in der Zukunft führen würden.
Powell gestand ein, dass die Inflation den angestrebten Zielwert noch nicht erreicht hat, obwohl sie diesem bereits deutlich nähergekommen ist. Die Fed habe nun jedoch deutlich mehr Vertrauen darin, dass sich das Preiswachstum weiter auf 2 Prozent verlangsamen wird.
Vor der Pressekonferenz war Powell sich bewusst, dass eine Zinssenkung um 50 Basispunkte die Erwartungen der Märkte an eine weitere geldpolitische Lockerung deutlich anheizen könnte. Er dämpfte jedoch diese Euphorie entschieden, indem er betonte, dass niemand davon ausgehen solle, dass eine Zinssenkung um 50 Basispunkte das neue Standardtempo der geldpolitischen Lockerung darstelle. Er betonte, dass die Fed nun eine allmähliche Normalisierung der Zinssätze anstrebe. Und er verwies auf den Dot Plot, wonach die Federal Reserve bis Ende 2024 die Zinsen um weitere 50 Basispunkte senken könnte (was meinen Erwartungen entspricht und den Leitzins Ende 2024 auf 4,4 Prozent bringen würde) und weitere Zinssenkungen um 100 Basispunkte im Jahresverlauf 2025 (auf 3,4 Prozent) impliziert.