Im September ist die Inflation in den USA um 3 Prozent gestiegen. Das liegt zwar noch deutlich über dem Ziel der amerikanischen Notenbank Fed von 2 Prozent, jedoch unter den Erwartungen. Volkswirte hatten mit einem Preisanstieg von 3,1 Prozent gerechnet. 

Auf den ersten Blick erscheint die vergleichsweise geringe Teuerungsrate überraschend. Denn inzwischen werden auf fast alle importierten Güter in die USA Einfuhrzölle von 10 bis 50 Prozent erhoben. Waren aus der EU werden beispielsweise überwiegend mit einem Satz von 15 Prozent belegt.

Rund 70 Prozent der amerikanischen Wirtschaft basieren auf Dienstleistungen. Das Land ist also darauf angewiesen, im großen Stil Güter aus dem Ausland zu beziehen, da es diese selbst nicht mehr produziert. Im Juli, neuere Daten liegen bislang nicht vor, haben die Vereinigten Staaten für 78,3 Milliarden US-Dollar mehr Waren ein- als ausgeführt. Dass die verhängten Importzölle nicht stärker auf die Preise durchschlagen, hat mehrere Gründe.

So verteilen sie sich auf die gesamte Wertschöpfungskette. Dies beginnt bei den Produktionskosten und erstreckt sich über die Gewinnmargen der Exporteure und Importeure bis hin zu den amerikanischen Konsumenten. Je nach Produktart, Preiselastizität und Ersetzbarkeit sind die Beteiligten unterschiedlich stark betroffen.

Exporteure begleichen Rechnung

Bislang haben Unternehmen, die außerhalb der USA produzieren, ihre Güter aber dort verkaufen, einen großen Teil der Importzölle selbst getragen. Ein Beispiel ist Audi. Die VW-Tochter verfügt über keine Produktion in den Vereinigten Staaten. Alle dort verkauften Autos unterliegen somit dem 15-prozentigen Importzoll. Bislang gibt Audi diese Kosten jedoch nicht an die Kunden weiter. Damit droht dem Autohersteller in diesem Jahr eine milliardenschwere Belastung. Bei der Schwester Porsche sieht es kaum besser aus. Auch der Sportwagenhersteller verfügt bislang über keine Fabrik in den USA.

Zumindest bisher agieren die Importeure ähnlich. Eigentlich wollte die Supermarktkette Walmart aufgrund der Importzölle die Preise erhöhen, knickte dann jedoch auf Druck von US-Präsident Donald Trump ein und kündigte an, die Preise so gut es geht niedrig zu halten. In einer Telefonkonferenz nach Vorlage der Quartalszahlen sagte Konzernchef Doug McMillon nun, dass sich die Kosten für Walmart jede Woche erhöhten, wenn die Lagerbestände aufgefüllt würden.

Langfristig werden jedoch weder Exporteure noch Importeure in der Lage sein, die Strafzölle in voller Höhe auf eigene Rechnung zu nehmen. Das geben die Gewinnmargen in den meisten Fällen einfach nicht her. Perspektivisch werden die amerikanischen Verbraucher den größten Teil der Abgaben zahlen müssen. Bis es so weit ist, kann es jedoch noch eine Weile dauern.

Zeitlicher Versatz

Denn bei den Zöllen gibt es eine zeitliche Verzögerung. Bis ein Schiff aus China oder Europa in den USA ankommt und gelöscht wird, vergehen vier bis acht Wochen. Das Zahlungsziel für den Importeur kann sich für die anfallenden Zölle dann noch einmal auf bis zu weitere sechs Wochen nach der Löschung belaufen. Somit sind bei einem guten Teil der Waren, die bislang in den USA verkauft wurden, noch keine Strafzölle gezahlt worden.

Außerdem haben die Importeure in Erwartung der Zölle ihre Lager vorher noch umfangreich gefüllt. Dies zeigen die monatlichen Zahlen zum amerikanischen Handelsdefizit. Dieses belief sich von Januar bis März auf jeweils 120 bis 136 Milliarden US-Dollar. Es braucht einfach eine gewisse Zeit, bis diese Waren abverkauft sind.

Kurzum: Die Importzölle der USA haben bislang noch nicht ihre volle Wirkung entfaltet. Ihre Auswirkungen werden sich jedoch in den kommenden Wochen und Monaten immer stärker zeigen. Hinzu kommt der schwache Dollar, der die Importe in die USA zusätzlich verteuert. Für die amerikanischen Verbraucher wirkt sich das wie eine Steuererhöhung aus. Die Konsumentenstimmung dürfte sich spürbar verschlechtern, was auch an der Wall Street nicht spurlos vorübergehen dürfte. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der mittlerweile sehr hohen Aktienbewertungen. Andere Börsen dürften über bessere Aussichten verfügen.

Zölle nicht überdramatisieren

Die Einfuhrabgaben sind zwar kontraproduktiv, aber zu verkraften. Die Kursentwicklungen an den US-Aktienmärkten zeigen, dass die verhängten Zölle das kleinere Übel sind im Vergleich zur vorherigen Unsicherheit. Außerdem handelt es sich um Einmaleffekte. Die Zölle werden sich in den Inflationsdaten des kommenden Jahres widerspiegeln, jedoch nicht mehr im Jahr 2027.

In den USA sorgen schließlich die 10 Prozent der vermögendsten Menschen für rund die Hälfte des Konsums. Sie verfügen über eine vergleichsweise geringe Preissensitivität.


Reinhard Pfingsten
© Deutsche Apotheker- und Ärztebank

Über den Autor:

Reinhard Pfingsten ist Diplom-Wirtschaftsmathematiker und arbeitet seit September 2023 als Investmentchef (Chief Investment Officer) bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank.